Ella Sophie
Sehr geehrter Herr Dr. Paulus! Etwa ein Jahr nach der Geburt meiner ersten Tochter begann ich aufgrund großer Schlafstörungen u. psychischen Problemen mit der Einnahme von Sertralin. Nun möchte ich die Dosis von derzeit 100 mg auf 50 mg reduzieren, da wieder ein Kinderwunsch besteht. Meine Fragen: Besteht bei der Einnahme von Sertralin ein Risiko von irgendwelchen Spätfolgen beim Kind - irgendwelchen Störungen oder Beeinträchtigungen auf seelischer, körperlicher oder geistiger Ebene?? Ab welcher Dosis sollte man gegen Ende der Schwangerschaft die Sertralin-Dosis reduzieren? Welche Sertralin-Dosis ist in der Schwangerschaft bedenkenlos möglich? Da ich eine Stauballergie habe u. immer wieder mal einen "Anfall" (dauerndes Niesen etc) habe, nehme ich gelegentlich clarityn. Ist das in einer Schwangerschaft - auch in Verbindung mit Sertralin - bedenkenlos möglich? Wie sieht es mit Ibuprofen / Mexalen (aufgrund gelegentlicher Kopfschmerzen) - auch va. in Verbindung mit Sertralin - aus? Vielen Dank für Ihre Antwort!! GLG Ella Sophie
Sowohl aus den tierexperimentellen Untersuchungen als auch aus den Erfahrungen in der menschlichen Schwangerschaft gab es primär keinen Anhalt für eine Fruchtschädigung durch Sertralin. Eine Zusammenstellung von 150 Expositionen mit Sertralin im I.Trimenon zeigte keine Häufung von Anomalien (Kulin et al 1998). Eine weitere Studie mit 112 Schwangeren ergab unter Medikation mit Sertralin ebenfalls keinen Anstieg der Fehlbildungsrate (Chambers et al 1999). Anpassungsstörungen nach der Geburt erforderten teilweise eine Betreuung der Neugeborenen in einer Kinderklinik. Bis Dezember 2004 dokumentierte das Swedish Medical Birth Registry 6.555 Kinder nach intrauteriner Exposition mit SSRI in der Frühschwangerschaft. Die kumulierte Fehlbildungsrate lag bei 4,1%, was dem erwarteten Hintergrundrisiko entspricht. Dabei wurde kein typisches Fehlbildungsmuster beobachtet. In diesem Kollektiv sind 1.906 Kinder nach mütterlicher Medikation mit Sertralin enthalten. Die Fehlbildungsrate gab mit 3,5% keinen Anlass zur Beunruhigung (Kallen & Otterblad Olausson 2007), weil dies dem üblichen Fehlbildungsrisiko in der unbelasteten Bevölkerung entspricht. Eine neuere Übersichtsarbeit sieht – wenn überhaupt – allenfalls ein geringes Risiko von weniger als 1% für die Entwicklung eines Hochdruckes im Lungenkreislauf des Feten bei mütterlicher Therapie mit SSRI in der zweiten Schwangerschaftshälfte. Ein Verzicht auf eine erforderliche Behandlung der Mutter in der Spätschwangerschaft erscheint daher nicht sinnvoll ('t Jong et al 2012). Mögliche Zusammenhänge zwischen der langfristigen Einnahme von SSRI und kindlichen Verhaltensauffälligkeiten wie ADHS oder Autismus werden kontrovers diskutiert (Man et al 2015, Figueroa et al 2010). Eine Fortsetzung der aktuellen Behandlung mit Sertralin wäre bei Kinderwunsch durchaus akzeptabel. Nach Einnahme von SSRI wie Sertralin konnte man in bis zu 30% der Fälle in den ersten Tagen nach Geburt (maximal 14 Tage) Anpassungsprobleme der Kinder mit folgenden Symptomen beobachten (Alwan & Friedman 2009): · Atemstörungen, Apnoe · Zyanose · Krämpfe · Temperaturschwankungen · Trinkschwäche, Erbrechen · Hypoglykämie · Hypotonie / Hypertonie · Hyperreflexie, Zittern · Reizbarkeit, anhaltendes Schreien Ein Verzicht auf die Einnahme von Sertralin in der Spätschwangerschaft ist jedoch deshalb nicht erforderlich. Die Anpassungsstörungen fallen jedoch umso geringer aus, je niedriger die mütterliche Sertralin-Dosis liegt. Auf der Grundlage eines schwedischen Geburtsregisters wurde der Verdacht geäußert, dass Loratadin zu einer Zunahme von Hypospadien (Harnröhrenfehlmündungen) führt: Unter 2.780 Fällen mit Einnahme von Loratadin in der Schwangerschaft wiesen 15 Kinder Hypospadien auf, etwa dreimal soviel wie erwartet (Källén & Otterblad Olausson 2001). Gemäß einer aktuellen Metaanalyse traten bei 2.694 männlichen Neugeborenen nach intrauteriner Exposition mit Loratadin in 39 Fällen (1,4%) Hypospadien auf. Im nicht belasteten Kollektiv fanden sich bei 4.231 von 450.413 Jungen (0,9%) derartige Fehlbildungen. Damit erscheint das Risiko für kindliche Hypospadien nach mütterlicher Therapie mit Loratadin im ersten Trimenon nicht signifikant erhöht (Schwarz et al 2008). Die Anwendung von Loratadin wäre daher bei Bedarf in der Schwangerschaft durchaus vertretbar. Schmerzmittel erster Wahl wäre in allen Phase der Schwangerschaft Paracetamol. Bis zur 30.SSW ist auch der Einsatz von nichtsteroidalen Antiphlogistika wie Diclofenac oder Ibuprofen zulässig. Danach ist jedoch wegen eines möglichen vorzeitigen Verschlusses des Ductus arteriosus (kindliche Kreislaufverbindung vor Geburt) bei Dauertherapie mit all diesen Prostaglandinsynthesehemmern Vorsicht geboten. Die Behandlung mit Sertralin, Ibuprofen und Loratadin könnte auch in der Stillzeit fortgesetzt werden, da die genannten Substanzen den Säugling über die Muttermilch kaum belasten.
Ella Sophie
Was ich noch hinzufügen möchte: Wie sieht das Ganze in der Stillzeit aus?? Vielen Dank für Ihre Antworten!!!
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