Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Vierjähriger extrem impulsiv

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Vierjähriger extrem impulsiv

Babymama567

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Sehr geehrte Frau Henkes!  Ich habe eine Frage zur Entwicklung unseres Vierjährigen (am Dienstag erst 4 geworden). Leider ist der Alltag aktuell wieder sehr beschwerlich. Schon als Baby hat er nachts sehr viel geschrien. Teilweise stundenlang. Die Nächte wurden dann irgendwann gut und dann hat es sich auf den Tag verlagert. So ca. mit 1,5 Jahren ging es los mit täglich bis zu ca. 30 Wutanfällen. Einfach weil ein Spielzeug zB nicht so funktioniert hat wie er wollte. zB hatte er eine Waschmaschine für Kinder und die Tür ging nicht so auf wie er wollte etc.. Jetzt ist er 4 und wir haben das Problem immer noch sehr häufig. zB bringt er seine Jacke nicht zu und er rastet dann so lange aus bis er es endlich geschafft hat. Helfen darf man ihm aber nicht - schon alleine die Frage "darf ich dir zeigen wie das geht" oder "darf ich dir helfen?" bringen ihn zum ausrasten. Letztens hatten wir eine Situation im Supermarkt (das typische, man kennt es) - er wollte ein Spielzeug und ich hab gesagt, nein, das nicht - aber du kannst dir gerne was anderes aussuchen. Supergau. Der Kleine hat geschrien und probiert mit dem Spielzeug aus dem Laden zu rennen. Ich hab ihn dann am Arm genommen und wollte zügig das Geschäft verlassen, aber er hat sich körperlich so arg gewehrt, dass ich ihn wirklich mit Gewalt rausschleifen musste. Aufheben konnte ich ihn nicht, da er so um sich geschlagen hat, dass es mir unmöglich war. Es war wirklich so ein lautes Schreien, als würde er gerade getötet. Auch wenn wir wo zu Besuch sind oder jemand bei uns eskaliert es jetzt immer häufiger. 1x waren wir bei einem guten Freund meines Sohnes, die beiden kennen sich seit der Krippe und treffen sich aber jetzt nicht mehr so häufig, da beide in verschiedene Kindergärten gehen. Er wollte ein Spielzeug haben, dass dem Bruder seines Freundes gehörte und der wollte aber nicht, dass er das Spielzeug nimmt - es stand sogar extra ganz hoch auf dem Kasten. Dann hat er versucht auf diesen Kasten zu klettern um das Spielzeug runterzuholen - ich hab dann gesagt "Nein, der Maxi will das nicht" und ihn runtergenommen - er ist dann wieder hoch und ich hab ihn wieder runtergenommen. So ging das ein paar Minuten. Die Mama der beiden anderen Jungen hat es dann runtergenommen und in ein anderes Zimmer gesperrt. Daraufhin ist er wieder komplett ausgerastet. Er hat sich hingeworfen und getobt ohne Ende. Irgendwann hat er sich dann beruhigt und mit den beiden weitergespielt. Dann hat er allerdings begonnen absichtlich Sachen der anderen Kinder zu zerreissen und zerstören und dabei auch noch gelacht. Ich bin dann natürlich mit ihm nach Hause gefahren, da so ein Verhalten natürlich gar nicht geht. Solche Situationen waren jetzt wirklich oft. Er spuckt uns auch an und wirft mit Schimpfworten um sich. Auch als wir am Dienstag mit ihm in der Therme waren, ist er zu Fremden hingerannt und hat sie beschimpft etc. Wir haben das natürlich unterbunden, aber er hat es immer wieder gemacht. Ich finde das Verhalten soooo extrem. Es macht uns fertig und natürlich distanzieren sich da auch Leute bei so einem Verhalten. Im Kindergarten läuft es ürigens besser. Bei Oma und Opa eskaliert es aber auch sehr oft. Auch da rastet er viel aus und spuckt etc.... WIr schenken ihm sehr viel Aufmerksamkeit - daran kann es eigentlich nicht liegen. Vor allem Oma und Opa - die haben den ganzen Tag Zeit, da schon pensioniert. Es gibt zwischendurch auch mal ruhigere Tage, aber die extremen Tage kommen immer häufiger vor. Auch wenn wir aber einen schönen Tag hatten zB kommt am Abend Papa nach Hause und begrüßt ihn, spuckt er ihn teilweise ohne Grund an. Oft kommt es jetzt auch vor, dass ich sage, kommst du bitte zum Zähne putzen bitte und dann sagt er: "nicht reden!" erst wenn du nichts redest komme ich. Auch bei anderen Aufforderungen kommt oft dieses: "nicht reden!" du sollst nicht reden!!" Wenn ich dann nichts sage, dann kommt er und führt die Tätigkeit aus. Er hat uns jetzt auch öfter absichtlich auf den Boden gepinkelt. Sorry für den wirren Text, aber es sind sooo viele Dinge, die einfach sooo extrem sind. Ich habe ihn jetzt mal zur Ergotherapie angemeldet, aber denke, dass das alleine auch nicht das Problem löst? Wir sind mit unserem Latein am Ende und der Kinderarzt nimmt uns auch nicht ernst. Bitte um einen Rat. Danke und LG


Ingrid Henkes

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Guten Tag, Ihr Sohn hat noch nicht genügend Frustrationstoleranz entwickeln können, um Frustrationen leichter zu ertragen. Das ist bei Vierjährigen nicht ungewöhnlich. Zum Erwerb dieser Frustrationstoleranz benötigt Ihr Sohn Ihre Hilfe. Gleichzeitig scheint er sich mit Ihnen in einem Machtkampf zu befinden. Er möchte bestimmen und Ihre Vorgaben nicht akzeptieren. Das provozierende Verhalten Ihres Sohnes zeigt, dass er von Ihnen deutlich Grenzen einfordert. Ein Vierjähriger weiß, dass er nicht "Chef" sein kann, auch wenn das häufig eine verlockende Vorstellung ist. Ihr Sohn braucht Sie und Ihre Stärke, da er sich von Ihnen beschützt wissen muss. Zeigen Sie Ihrem Sohn besonnen aber beständig immer wieder seine Grenzen auf und machen Sie deutlich, dass Sie die Regeln bestimmen. Das gelingt bei Vierjährigen meist nicht allein mit Worten und Erklärungen. In diesem Alter brauchen Kinder eine elterliche Handlung. Halten Sie Ihren Sohn fest oder hindern ihn daran zu tun, was er nicht soll. Sie müssen nicht aufhören zu reden, wenn Ihr Sohn das fordert. Wenn er dann nicht von alleine kommt, holen Sie ihn eine Weile. Ihr Sohn kann sein Verhalten nur mit Ihrer Unterstützung ändern. Er selbst kann mit vier Jahren nicht aus dieser aggressiven Spirale herausfinden. Unbewusst wird er vermutlich große Angst haben, dass Sie ihn wegen seines oppositionellen Verhaltens nicht mehr lieben könnten. Das versetzt einen Vierjährigen in große Angst. Diese Angst bewältigt Ihr Sohn aktuell, indem er mit seinem Verhalten immer wieder Ihre Aufmerksamkeit einfordert. Sie beschreiben das Problem als sehr umfassend und schon lange bestehend. Um eine weitere Verfestigung des Problems zu verhinden, kann es hilfreich sein, wenn Sie für Ihren Sohn kindertherapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen.  Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes


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