Mitglied inaktiv
Hallo! Nach längerer Zeit schreib ich mal wieder, und zwar, weil ich mich so über meine Frauneärztin ärgern mußte. Sie ist sonst recht vernünftig und eine gute Bekannte meiner Eltern, darum habe ich ihr wohl nicht so die Meinung gesagt, wie ich hätte sollen. Als sie hörte, daß ich noch stille (Kind 19 Monate alt), meinte sie zunächst, das brauch ich doch nicht mehr, ich könnte doch Fläschchen geben. Darauf sagte ich, DAS brauche mein Kind nicht, weil es ja schon normal ißt. Sie daraufhin:"Manche Leute sagen, das ist Kindesmißbrauch..." Ich, noch grinsend "Ja, das sind die, die selber nie gestillt haben." (Sie hat keine Kinder) Sie dann: "Nein, wirklich, überleg Dir das mal: das braucht doch nur mehr die Mutter, nicht das Kind!" Dann hab ich nichts mehr gesagt, und erst draußen vor der Tür sind mir die ganzen WHO- und Gesundheitsargumente eingefallen. Meine Stillbegeisterung ist ja kaum zu erschüttern, aber stellt Euch vor, sie erzählt den Blödsinn unerfahrenen Jungschwangeren? Ich bin sehr am überlegen, ihr einige informative Internet-Links zu mailen, aber vermutlich wird sie nicht mehr umdenken können/wollen. *grml* LG von Guggi + Elisabeth *2.8.02
Hallo, das sind so die "Argumente" von Stillgegnern, wo fuer mich der Spass aufhoert. Immerhin hat sie dich mehr oder weniger direkt des Kindesmissbrauchs beschuldigt, einer strafbaren Handlung, die dich mit Paedophilen auf eine Stufe stellt, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Du kannst ja versuchen, sie zu ueberzeugen, dass du das beste fuer dein Kind willst und tust, wenn sie aber weiter bei ihrer Meinung bleibt, wuerde ich einen grossen Bogen um diese Person machen, als FA und privat. LG Berit
Ich denke, es ist eine gute Idee, sie erstmal zu informieren. Wenn sie keine Kinder hat, hat sie als FA ja nicht unbedingt den Hintergrundwissen für so etwas. Sie ist nun mal keine Kinderärztin. Besorg Dir Broschüren von der LLL z.B.. Die Empfehlungen von der WHO dürften sie als Fachfrau auch interessieren. Vielleicht ändert sie ja ihre Meinung und es hilft anderen jungen Müttern weiter. Ich gehe mal davon aus, dass man erstmal mit den Leuten reden kann. Wenn sie abblockt, würde ich dann allerdings auch einen Bogen um sie machen. LG Murielle
Hi, ich sehe es wie Berit! ABer weisst Du, ich hab mir bei meinem ersten von einem Gyn auch anhören müssen, dass ich doch abstillen soll (er war gerade 5 Monate), da 4 M vollstillen vollkommen ausreichen. Jeder ist in gewisser Hinsicht seines Glückes Schmied und kann sich gut selber informieren. Daher muss ja nicht jeder dieser Gyn glauben! ABer es ist schon gut, wenn Du der Person mal einige Infos zur Fortbildung zukommen lassen könntest - man lernt ja nie aus! Gruss Martine
Bei mir war das noch viel schlimmer als ich im Januar bei meiner FÄ war. Sie erzählte mir dann von einer Patientin die angeblich vom Stillen einen Orgasmus bekommt. Und sie hat sich noch aufgeregt, warum "wir deutschen Frauen" jetzt auf Zwang so lange stillen wollen. Das ist in der 3. Welt ja okay, aber hier! Und ich brauch mich auch nicht zu wundern, dass ich noch nicht wieder schwanger bin. Ich war dann auch so perplex, weil ich auch gerade in dieser "etwas unangenehmen Lage" zum diskutieren waren. Ich bin noch am überlegen, ob ich wieder hingehen soll. LG Inga
davon hab ich auch schon gehört, dass es Frauen geben soll, die einen Orgasmus durch das STillen bekamen - na und? Ich hab manchmal einen O. im Schlaf (ohne meine Hände da unten zu haben), darf ich jetzt nicht mehr schlafen? Nö, ich würd zu der Gyn nicht mehr gehen - wer mir so blöde käme, dem würd ich die Meinung geigen und gehen! Gruss Martine
Gerade hatte ich auch den Fall, wo ich mir überlegt habe: Kontakt abbrechen oder versuchen, zu informieren? Ich habe mich für letzteres entschieden, da solche Menschen Meinungsmacher sind, wie eigentlich jeder Meinungsmacher ist. Angeblich lernen die im medizinstudium ja gar nix übers Stillen und haben ihre Infos aus den Broschüren von Nestlé. Lass Dir Infos von der LL kommen und gebe sie der FA. Oder druck mal ein paar Texte von www.uebersstillen.org aus, das ist auch sehr informativ und wissenschaftlich!
das ist ja wirklich allerhand! Da würde ich mich auch aufregen. Vielleicht solltest Du wirklich einen Versuch machen, ihr mal Infos zu geben und mal nachhaken, ob sie es auch gelesen hat. Ob es etwas bringt - müßte man auf einen Versuch drauf ankommen lassen. VG Babsi
Hallo! Ich bin weder Pro noch contra langes oder kurzes Stillen, weil ich der Meinung bin es hängt von Mutter und Kind ab und der jeweiligen Situation in der sie leben. Ich weiß das was ich jetzt schreibe wird einigen Müttern überhaupt nicht "schmecken" Ich kann das Argument der Naturvölker nicht nachvollziehen denn: Die meisten Naturvölker, sofern es sie noch in ihrer ursprünglichkeit gibt, stillen nicht nur, auch sie geben ihren Kindern Beikost, vorgekaute Nahrung ect. Zum anderen ernähren sich diese Naturvöller ganz anders als wir, folglich ist ihre Milch auch ganz anders, nicht so "Belastet" wie unsere zum Beispiel.Außerdem ist ihr angeborener Organismus ganz anders aufgebaut als unser kaputt Zivilisierter Körper. Versteht mich nicht falsch, ich will hier keinen vom langen stillen abraten oder so etwas, ich halte stillen nach wie vor für sehr sinnvoll (ich stille selber voll, setze mich aber keinen Druck aus von Länge und Dauer) ich möchte mich nur gegen den Vergleich mit den Naturvölkern ausprechen da dieser Vergleich mehr als hinkt... So das wollte ich schon lange mal sagen...ich wünsche euch allen eine schöne Stillzeit egal ob kurz,mittel,lang oder überlang bis dann Yvonne P.S. Ich möchte mit meinem Kommentar keinen Streit vom Zaun brechen!Ich bin nicht gegen das stillen egal wie lang!!!
hallo, ich wollte zu den naturvölkern was sagen.. so weit ich weiss, gibt es nur ganz geringe unterschiede in der muttermilch von "naturvölkern" und zivilisierten anderen müttern.. im grossem und ganzen ist die muttermilch auf der ganzen welt gleich, was es nährstoffe angeht.. und sogar die muttermilch einer von hungertot bedrohten mutter ist genauso nahrhaft wie jede andere... und was ich nicht verstehe..."Außerdem ist ihr angeborener Organismus ganz anders aufgebaut als unser kaputt Zivilisierter Körper." .... wie war das gemeint??.. daran, dass man 2 brüste zum stillen hat, ist nicht kaputt-zivilisiert..oder hab ich da was falsch verstanden..??.. und dass die ihre babys ganz nah am körper tragen und nach bedarf stillen, und lange voll und überhaupt lange stillen..usw...ist auch nichts, was wir auch nicht angeboren hätten... LG Janka
Liebe Guggi, Die WHO empfiehlt ausdrücklich für ALLE Kinder eine Stillzeit von bis zu zwei Jahren und darüber hinaus. Die Ernährungsempfehlungen der WHO sind (in englisch) nachzulesen unter http://www.who.int/child-adolescent-health/NUTRITION/infant_exclusive.htm Es steht in der Innocenti Deklaration ausdrücklich, dass diese Empfehlungen für alle Kinder und nicht nur für Kinder in Drittweltländern Anwendung finden. Die Übersetzung der Erklärung hänge ich unten mit an. Die amerikanische Akademie der Kinderärzte (AAP) empfiehlt ebenfalls eine mindestens einjährige Stillzeit für alle Kinder und darüber hinaus solange Mutter und Kind es wollen. Vielleicht noch als erstaunliche Feststellung: In älteren Schriften aus Österreich findet sich der Spruch "drei Karfreitag soll das Kind ziehen", was ebenfalls auf eine mindestens zweijährige Stillzeit hinaus läuft. Wenn das längere Stillen tatsächlich negativ wäre, würden kaum renommierte Organisationen wie WHO und AAP dazu raten. Nun noch ein paar "harte" Fakten für eine lange Stillzeit: Empfehlungen der Amerikanischen Akademie der Kinderärzte: Ausgiebige Untersuchungen haben ergeben, dass Stillen und Muttermilchernährung zahlreiche Vorteile für das Baby, die Mutter, die Familie und die Gesellschaft haben. Stillen und Muttermilchernährung verringern das Risiko einer Vielzahl von akuten und chronischen Krankheiten. Studien in den USA, Kanada, Europa und anderen Industriestaaten zeigen eindeutig, dass Muttermilch das Auftreten und/oder den Schweregrad von Durchfallerkrankungen, Erkrankungen der unteren Atemwege, Mittelohrentzündungen, Bakteriämie, bakterieller Meningitis, Botulismus, Harnwegsinfektionen und Nekrotisierender Enterokolitis verringern. Es gibt mehrere Studien, die einen möglicherweise durch Muttermilch hervorgerufenen Schutz vor dem Plötzlichen Kindstod (SIDS), insulinabhängiger Diabetes Mellitus, Morbus Crohn, allergischen Erkrankungen sowie weiterer chronischer Erkrankungen des Verdauungssystemes belegen. Aufgrund dieser und weiterer Erkenntnisse hat die Amerikanische Akademie der Kinderärzte (AAP) die folgenden Empfehlungen zum Thema Stillen und Muttermilchernährung herausgegeben: 1. Muttermilch ist für alle Kinder, mit wenigen Ausnahmen, als bevorzugte Nahrung zu betrachten. Wenn das direkte Stillen nicht möglich ist, sollte das Kind mit abgepumpter Muttermilch ernährt werden. Bevor gegen das Stillen entschieden wird oder ein vorzeitiges Abstillen empfohlen wird, sollten die Vorteile des Stillens sorgfältig gegenüber den Risiken, die das Vorenthalten der Muttermilch birgt, abgewogen werden. 2. Mit dem Stillen sollte so bald wie möglich nach der Geburt begonnen werden. Mutter und Kind sollten möglichst nicht voneinander getrennt werden. 3. Neugeborene sollten gestillt werden wann immer sie Zeichen von Hunger zeigen, etwa 8 bis 12mal in 24 Stunden. Schreien ist ein sehr spätes Hungerzeichen. 4. Es sollte nur nach ärztlicher Anweisung zugefüttert werden und Beruhigungssauger sollten zumindest so lange vermieden werden, bis sich die Stillbeziehung eingespielt hat. 5. Am zweiten bis vierten Lebenstag sollte das Kind von einem Kinderarzt untersucht werden. Zu dieser Untersuchung gehört auch eine Überprüfung des Stillens. 6. Stillen ist die ideale Ernährung während der ersten sechs Monate. Kinder, die vor dem ersten Geburtstag abgestillt werden, sollten keine Kuhmilch sondern adäquate künstliche Säuglingsnahrung erhalten. Es wird empfohlen mindestens ein Jahr lang zu stillen, danach so lange die Mutter es möchte. 7. In den ersten sechs Monate sind grundsätzlich kein Wasser, Saft oder andere Nahrung zusätzlich zur Muttermilch erforderlich. Für manche Kinder können in diesem Zeitraum Vitamin D und Eisengaben notwendig sein. Fluoride sollten gestillte Kinder im ersten Lebenshalbjahr nicht erhalten. 8. Bei einem Krankenhausaufenthalt von Mutter oder Kind sollte alles getan werden, um das Stillen weiterhin zu ermöglichen. Hier finde ich für dich besonders den Punkt 6 bedeutsam. In einer beim International Baby Food Network (IBFAN) veröffentlichen Studie wurden als positive Auswirkungen einer langfristigen Stillzeit die folgenden Punkte genannt: ein sorgloseres Kind ein besserer körperlicher Gesundheitszustand des Kindes ein Kind, das liebevoller, freundlicher, fröhlicher und unabhängiger ist. IBFAN ist die Organisation, die aufgrund ihrer Arbeit für die Stillförderung den Alternativen Nobelpreis 1998 erhalten hat. Es gibt mehrere Studien, die belegen, dass Stillen das Brustkrebsrisiko senkt. Dabei muss allerdings unterschieden werden zwischen "Traditionellem Stillen" und "Sporadischem Stillen". In Bezug auf die langfristige Gesundheit der Mutter unterscheidet sich sporadisches Stillen nicht vom Nicht Stillen. Traditionelles Stillen: babygesteuertes Stillen, durch die Nacht/Co Sleeping, ohne Uhr und Waage, kein besonderer Rhythmus, Dauer. Mindestens ein Jahr. Sporadisches Stillen: fester Rhythmus, lange Stillpausen nachts, zeitgesteuertes Stillen, wie Flaschenfütterung, Dauer: nur wenige Wochen oder Monate. Hongkong 1977: Einseitiges Stillen der Fischerinnen schützt sie nur vor Brustkrebs auf dieser Seite. (Ing, Petrarkis Ho 1977) Shanghai 1988, Beijing 1988: Langes Stillen (> 12 Monate) schützt vor Brustkrebs. (Tao, Yu, Ross & Xiu 1988; Yuan, Xu, Ross, Gao & Henderson 1988) Japan 1990: Nicht Stillen oder nur kurz Stillen ( 10 Monate) Newcomb, Storer, Longnecker, Mittendorf, Greenberg et al. 1994) (nach einem Vortrag von Dr. med. Friederike M. Perl "Die Auswirkungen von Stillaktivität auf die langfristige Gesundheit von Frauen", Hannover, März 1999) Einen interessanten Artikel zu diesem Thema hat Elizabeth Hormann veröffentlicht, den ich ebenfalls anhängen werde. Unter www.uebersstillen.org findst Du ebenfalls mehrere Artikel, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Ich hoffe, unter den Informationen ist etwas dabei, das auch Deine Ärztin überzeugt. Liebe Grüße Susanne Was - Du stillst noch?" Stillen des „älteren" Säuglings Elizabeth Hormann, IBCLC Vortrag, gehalten am Berlin-Brandenburgischen Stillseminar, Berlin, 25. Oktober 1997 Wenn wir die Abstillkurven von 64 Gesellschaften (nicht USA und Europa) vergleichen, zu einer Zeit, als wenig kommerzielle und westliche Einflüsse das traditionelle Ernährungsmuster störten, so machen wir interessante Feststellungen: So gut wie keine dieser Gesellschaften hat ihre Kinder vor einem Jahr abgestillt. Bis 2 Jahre war es ein relativ kleiner Prozentsatz der Kinder, der keine Muttermilch mehr bekam. Dies stieg im nächsten halben Jahr rapid an. Bis zum dritten Geburtstag wurden immer noch über ein Viertel der Kleinkinder gestillt; die Restlichen stillten sich zum größten Teil im nächsten Jahr ab; einige wenige haben erst im fünften Lebensjahr die Stillbeziehung ganz beendet. Auch in den USA gab es immer langzeit gestillte Kinder, aber die Proportionen sind ganz anders. Die überwiegende Mehrheit ist in den frühen Lebensmonaten ganz abgestillt worden; bis zum ersten Geburtstag gingen 90% nicht mehr an die Mutterbrust. Die Beantwortung der Frage, wie es dazu gekommen ist, dass Kinder in Industrieländern im Vergleich zu denen in anderen Länder auf der Welt und im Vergleich zu den meisten Kindern im Laufe der Geschichte der Menschheit so früh abgestillt werden, würde den Rahmen dieses Referats sprengen. Sie besteht aus einer Kombination von geschichtlichen, kulturellen und kommerziellen Faktoren. Was ich hier darlegen möchte, sind die wissenschaftlichen Begründungen für die Fortsetzung des Stillens nach den ersten Lebensmonaten, in denen die Vorteile des Stillens mehr oder weniger unbestritten sind. Die ersten 6 Monate Muttermilch hat alles, was ein Baby braucht, um sich optimal körperlich und geistig zu entwickeln. Es geht vor allem um die Entwicklung des Gehirns und nicht darum, das möglichst größte Baby in kürzester Zeit zu produzieren. Der niedrige Eiweissgehalt der Muttermilch ist unter anderem dafür ein Vorteil. Aus der Erfahrung mit künstlicher Babynahrung mit hohem Eiweissgehalt wurde festgestellt, dass solche Nahrung nicht nur zum schnellen Körperwachstum - das erstrebte Ziel - führte, sondern auch zu hohen Aminosäurewerten im Blut, die eine permanent negative Auswirkung auf das Zentralnervensystem haben könnten (Cunningham 253). DHA (Docosa Hexanoic Acid), eine langkettige Aminosäure, einzigartig in der Muttermilch, sammelt sich im Gehirn (und in der Retina) und ist für deren strukturelle Entwicklung wichtig (Cunningham 254). Diese und sämtliche anderen wissenschaftlichen Entdeckungen sind die Theorie, aber wie sieht es in der Praxis aus? Stillende Mütter haben immer geglaubt, dass ihre Kinder deswegen klüger seien als die Nachbarskinder, die künstliche Babynahrung bekamen. Jetzt gibt es Forschungen, die diese Behauptung zu bestätigen scheinen. Frühgeborene, die in den ersten Lebenswochen die Milch der eigenen Mutter durch Sonde bekommen hatten, hatten nach 8 Jahren durchschnittlich 10 Punkte mehr auf der 10 Skala als die Kinder die künstlich ernährt worden waren (Cunningham 254). Weil diese Studie nur die Muttermilchernährung ohne das Stillen an der Brust erfasst hat, hat sie effektiv die Interaktionen zwischen Mutter und Kind als Faktor in der intellektuellen Entwicklung ausgeklammert und dabei die Vermutung bestätigt, dass Muttermilch per se das Wachstum des Gehirns und Zentralnervensystems positiv beeinflusst. Das gestillte Kind hat nicht nur ein ganz anderes Gehirn- und Zentralnervensystem; auch seine Körperentwicklung verläuft anders. Gestillte Kinder haben eine Tendenz, etwas weniger zu wiegen als künstlich ernährte Kinder. Das Fettpolster ist anders aufgebaut und durch den natürlichen Sättigungsmechanismus lernen sie, ihren Appetit zu steuern. Haut und Muskulatur fühlen sich bei Stillkindern anders an (Stuart-Macadam 20). Unterschiede im Blutbild und in der Darmflora sind messbar. Nicht nur dank den nutritiven Komponenten, sondern auch wegen der bioaktiven Zusammensetzung - Immunfaktoren, Enzyme, Wachstumsfaktoren und Hormonen, die in der Muttermilch einzigartig sind - hat das Stillkind lebenslänglich einen anderen Körper als seine nicht-gestillte Kohorte, also flaschenernährte Kinder. Um nur einen Faktor unter die Lupe zu nehmen: Die Rolle der Immunfaktoren ist auch in Industrieländern nicht unerheblich. Kurzfristig und langfristig stimuliert das Stillen den Aufbau und die Steuerung des Immunsystems des Kindes und bietet Schutz gegen die Entwicklung sowohl von Autoimmun- und Herzkranzarterienkrankheiten als auch vor Allergien. All dies sind mehr als genug Gründe, ein Kind 6 Monate voll zu stillen. Aber welche Vorteile hat es, das Stillen danach fortzusetzen? Stillen bis ca. ein Jahr Ab Mitte des ersten Lebensjahrs zeigt das Kind großes Interesse an dem, was seine Mitmenschen essen. Wird es ihm nicht angeboten, drückt es sein Missfallen ganz deutlich aus - ein intellektueller Sprung, aber auch eine Reaktion auf Körpersignale, dass die Zeit gekommen ist, seinen gastronomischen Horizont etwas zu erweitern. Das heißt aber nicht, dass Muttermilch plötzlich nicht mehr wertvoll ist. Sie bleibt während dem ersten Lebensjahr - und oft darüber hinaus - das wichtigste Nahrungsmittel, nach wie vor eine Quelle von hochwertigen Kalorien, Eiweiss, Vitaminen und Mineralien. Die nächsten sechs Monate - oder länger - sind eine Kennenlernzeit, in der feste Nahrung Muttermilch ergänzt, aber nicht ersetzt. Auch der Immunschutz und die Entwicklung des Zentralnervensystems wird im zweiten Halbjahr fortgesetzt. Hier gilt das Prinzip von dosisbezogener Auswirkung. Bei der o.g. Studie mit Frühgeborenen war ein Verhältnis ganz eindeutig. Je mehr Muttermilch, desto höher der IQ-Wert (Stuart-Macadam 18). Die Verbindung zwischen Muttermilchdosis und der Wahrscheinlichkeit der Entwicklung bestimmter Krankheitsbilder ist noch klarer. • Allergien - Kinder, die 6 Monate oder länger gestillt wurden, haben weniger Allergien (5%) als die, die weniger als 6 Monate gestillt wurden (36%) (Strimas JH, Chi OS, 1988). • Haemophilus Influenza Typ B - Stillen länger als sechs Monate schützt gegen diese Krankheit (Takala, AK et al 1989). • Otitis media - Stillen länger als sechs Monate reduziert Otitis media drei- bis fünffach bis zum Alter von 27 Monaten (Teei, DW, Klein, JO, Rosner, B, 1980). • Malocclusion - Als die Stilldauer von 12 auf 3 Monate reduziert wurde, stieg die Prävalenz von Malocclusion von 3% auf 16% (Labbok, MH und Hendershot, GE, 1987). • Lymphoma in der Kindheit - Für Kinder unter 15 Jahren ist das Risiko fünf- bis achtfach höher, wenn sie weniger als 6 Monate (oder gar nicht) gestillt wurden (Davis MK, Savitz, DA und Graubord, BI, 1988). • Diabetes - Wenn Kinder 12 Monate oder länger gestillt wurden, ist die odds ratio für die Entwicklung dieser Krankheit 0.54 im Vergleich zu nicht-gestillten Kindern. • Multiple Sklerose - Ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für Multiple Sklerose entsteht, wenn ein Kind weniger als 7 Monate oder gar nicht gestillt wurde. Stillen im zweiten Lebensjahr und danach Was spricht für das weitere Stillen nach dem ersten Geburtstag? Überraschend viel: Ernährung, z. B.: Zwischen dem 6. und 24. Lebensmonat beträgt die Muttermilchmenge rund 500 ml täglich. Sie kann also einen großen Teil der Kalorien, die ein Kind in diesem Alter braucht, liefern. Im Notfall kann die Milchmenge gesteigert werden und auch ein Kind, das normalerweise Beikost isst, kann wieder ausschließlich mit Muttermilch ernährt werden. Muttermilch liefert 70 Kilokalorien pro 100 ml - zweimal die Energiedichte eines Abstillbreis. Kinder im zweiten Lebensjahr können ihren Energiebedarf zu 31% durch Muttermilch decken. Stillkinder im Alter von 13-18 Monaten erhalten bei gleicher Nahrungsmenge 25% mehr Energie als nicht-gestillte; ältere Kinder erhalten 17% mehr. Je nach Studie gibt es auch Hinweise darauf, dass Muttermilch noch mehr Energie im zweiten Lebensjahr liefern könnte. Eine Studie aus Uganda machte deutlich, dass dort die Energiebedürfnisse in dieser Lebensphase durch Muttermilch zu 53% gedeckt wurden. Wenn man daran denkt. wie wenig viele Kinder im zweiten Lebensjahr essen - sie haben einfach keine Zeit; die Welt ist dafür viel zu interessant - sind diese Ergebnisse nur logisch. Wenn ein Kind vor dem zweiten Geburtstag abgestillt wird, braucht es selbstverständlich viel mehr feste Nahrung als vorher - laut einer Studie wurden die anderen Nahrungsmittel um 60% erhöht und auch das reicht nicht immer aus. Unter Umständen kann ein abgestilltes Kind unter einem Energiedefizit leiden - einem 28%igen Defizit laut einer Studie von 1982. Eine andere Studie zeigte, daß nicht-gestillte Kinder nur 84% der vorgeschlagenen Kalorieneinnahme hatten, während noch gestillte Kinder 108% der optimalen täglichen Kalorien zu sich nahmen. Bioverfügbarkeit, Vitamine und Mineralien Die Kalorien der Muttermilch sind keine leeren Kalorien. „Muttermilch bleibt auch die wichtigste Quelle an hochqualitativem Eiweiss, Vitaminen und anderen Nährstoffen" (Helsing und King, 1982). Hochqualitativ und gut bioverfügbar. Wieviel eines Nährstoffes in der Milch ist, ist nicht die interessante Frage. Wir müssen danach fragen, wie bioverfügbar er ist. Es nutzt also nichts, wenn der Nährstoff nur da ist und das Kind nicht darüber verfügen kann. • Eiweiss wird in der Muttermilch besonders gut absorbiert. Im zweiten Lebensjahr deckt Muttermilch die Eiweissbedürfnisse zu 38%. Und die Ergebnisse bei den Vitaminen und Mineralien sind noch eindrücklicher: • Vitamin A wird im zweiten Lebensjahr 100%ig durch Muttermilch gedeckt. In Entwicklungsländern kann dies besonders wichtig sein. Es wurde da festgestellt, dass nicht-gestillte Kinder einem sechs- bis achtfach höheren Risiko an Xerophthalmie (einer Vitamin A-MangelErkrankung des Auges) zu erkranken ausgesetzt sind als gestillte Kinder. Der Schutz bleibt auch nach dem Abstillen erhalten. • Eine tägliche Einnahme von 500 ml Muttermilch liefert 19 mg Vitamin C, 95% der Menge, die Kinder im zweiten Lebensjahr brauchen (Armstrong, 1987). Gegen Ende des ersten Lebensjahres ist die Vitamin CKonzentration der Muttermilch 3,3 mal höher als im Blutplasma der Mutter. Selbst wenn die Mutter erniedrigte Vitamin C-Werte hat, wird es in der Milch bis zu 6-12fach angereichert. Stillkinder erhalten so höhere Konzentrationen an Vitamin C als Kinder, die mit Vitamin C angereicherter künstlicher Babynahrung, Gemüse und Früchten ernährt werden. • Eisen ist zu 50% in der Muttermilch im zweiten Lebensjahr erhalten, Kalzium zu 44%, Niacin zu 41 %, Folsäurezu 26% und Riboflavin zu 21%. Eisen ist eines der wichtigen Beispiele der Bioverfügbarkeit. Es ist zwar niedriger in der Muttermilch als in der Kuhmilch, nur wird es aus der Muttermilch zu rund 70% absorbiert (vgl. 10% in Kuhmilch), so dass ein Stillkind besser mit Eisen versorgt ist als ein nichtgestilltes Kind. Immunfaktoren Immunfaktoren sind auch noch wichtig. Früher wurde angenommen, dass nur im Kolostrum sehr hohe Anteile bereitstünden, die sich im Verlauf der Laktation zurückbildeten und nach sechs Monaten nur noch von geringer Bedeutung seien. Heute ist bekannt, dass die Immunglobulinmengen nach dem sechsten Monat steigen, offensichtlich als Reaktion auf die absinkende Milchmenge. Mit 20 Monaten entspricht der Spiegel von IgA und IgG der Höhe, die nach einer Laktationsdauer von zwei Wochen gemessen wurde. Wenn wir darüber nachdenken, ist es auch ganz logisch, dass einige Schutzfaktoren in dieser Zeit steigen, weil Kinder ab sechs Monaten sehr mobil werden; sie kommen überall hin und stecken die unmöglichsten Dinge in den Mund. Sie brauchen viel Schutz. Dieser Schutz erfolgt durch verschiedene Immunfaktoren in der Muttermilch, darunter: Lysozym, ein unspezifischer antimikrobieller Faktor wird in Muttermilch angereichert und erreicht in einigen Fällen nach 12 Monaten die gleiche Menge wie im Kolostrum. Nach neueren Untersuchungen weiss man, dass es bis zum 25. Lebensmonat des Kindes' ansteigt und erst dann abfällt. 1 ml Muttermilch enthält rund 4000 lebende Zellen (überwiegend Lymphozyten und Makrophagen) , die das Wachstum von Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten hemmen. Der Bifidusfaktor in der Muttermilch fördert nach wie vor das Wachstum des Lactobazillus bifidus im kindlichen Darm, so dass sich Staphylokokken gar nicht erst ausbreiten können. Interferon, ein antiviraler Faktor, und Laktoferrin, das durch seine Eisenbindung ein Wachstum von E. coli, Staphylokokkus aureus und einigen Candidapilzen verhindert, sind ebenfalls in der Muttermilch enthalten. Laktoferrin zeigt kontinuierlich ansteigende Werte. Wie wichtig ist dieser immunologische Aspekt für das ältere Stillkind? Diesbezüglich ist die Studie von Chandra aus Kanada sehr interessant, weil seine Studienobjekte gesunde Kinder der Mittelklasse in einem gut entwickelten Industrieland waren. 60 Kinder wurden über einen Zeitraum von 24 Monaten untersucht. Im Hinblick auf drei übliche Erkrankungen fand er erhebliche Unterschiede bei deren Auftreten bei gestillten und künstlich ernährten Kindern : Atemwegserkrankungen auf 10 gestillte Kinder kommen 23 Flaschenkinder Durchfall auf 10 gestillte Kinder kommen 35 Flaschenkinder Mittelohrentzündungen auf 10 gestillte Kinder kommen 95 Flaschenkinder Nach der Einführung fester Nahrung, sind Stillkinder besonders in Entwicklungsländern für Durchfall anfällig. In Bangladesch wurden noch-gestillte Kinder und nichtgestillte Kinder zwischen 6 und 35 Monaten bezüglich Durchfallerkrankung verglichen. Die Energieaufnahme bei nicht-gestillten Kindern fiel um 40%; bei gestillten Kindern blieb sie fast unverändert. Die Stillkinder bekamen auch 2,5 mal soviel Eiweiss wie die nicht-gestillten. Bei Durchfall ist ein Appetitverlust häufig - auch in Industrieländern. Doch viele Stillkinder trinken sehr gerne, auch wenn sie sonst keinen Appetit haben. Es wird vermutet, dass das hochqualitative Eiweiss in der Muttermilch dazu führt, dass ein krankes Kind wieder Appetit auf Kohlenhydrate hat, die für die Gewichtszunahme so wichtig sind (Armstrong, 1987) - und dies ist bei unseren Kindern auch nicht unwichtig. Das „natürliche" Abstillalter Aus dem bisher Gesagten ist klar geworden, dass Muttermilch ihre Nahrungs- und immunologischen Werte behält, so lange sie produziert wird. Trotzdem muss die Stillbeziehung irgendwann zur Ende kommen - aber wann? Die Anthropologin Katherina Dettwyler hat versucht, durch kulturvergleichende Studien und durch Vergleiche der Säugetiere untereinander diese Frage in etwa zu beantworten. Ich werde hier auf die Vergleiche der Säugetiere verzichten - obwohl sie hoch interessant und überzeugend sind, und nur kulturenvergleichende Studien berücksichtigen. Auf ihrer Suche nach einem "hominiden Entwurf" (hominide blueprint) für das „natürliche" Abstillalter hat sie verschiedene Kriterien angeschaut: • Alter, in dem das Kind das Geburtsgewicht vervierfacht hat • Alter, in dem das Kind ein Drittel des durchschnittlichen Erwachsenengewichts erreicht hat • Bezug auf das Gewicht einer erwachsenen Frau (Abstillalter in Tagen = 2,71 mal das Gewicht einer erwachsenen Frau in Gramm) • Vergleich zu Schwangerschaftswochen (6 x Schwangerschaftswochen - auf vergleichenden Primatendaten basiert. • Alter beim Durchbrechen der ersten Backenzähne. Nach keinem der Kriterien würde ein Kind unter 2,3 Jahren abgestillt und die Grenzen reichen bis 6 Jahre für Mädchen und 7 Jahre für Jungen. Sechs Jahre übrigens ist der Zeitpunkt, wann das eigene Immunsystem des Kindes reif und eigenständig wird. Bis zu diesem Punkt, schreibt Dr. Dettwyler, können die Lymphokine in der Muttermilch die aktive Immunantwort - sowohl im Serum als auch sekretorisch - steigern (Dettwyler, 56). Ist die Idee, dass Muttermilch eine positive Auswirkung auf das Immunsystem des Kindes bis zu 6 Jahren haben könnte, so weit hergeholt? Ganz und gar nicht. Gespendete Muttermilch als Behandlung für verschiedene Krankheitsbilder ist mittlerweile weit verbreitet: • Marinkovich (1988) behandelt IgA-lnsuffizienz mit 100ml frischer Frauenmilch täglich • Asquith berichtet über den Einsatz von Frauenmilch bei der Therapie für Leukämie oder Knochenmarktransplantation • Erichson (1990) berichtet, dass verbrannte Kinder Frauenmilch besser vertragen als die übliche hypermolekulare Nahrung und • Wright benutzt - mit Erfolg - frische Frauenmilch für Erwachsene in den ersten Tagen nach Lebertransplantation (Springer, persönliche Kommunikation, 1996). Ist es so schwierig zu glauben, dass die Milch der eigenen Mutter lange Zeit. bis ins Schulkindalter - als effektiver Stimulus für das kindeseigene Immunsystem dienen kann? Sollten wir unsere Abstillvorschläge so hoch setzen? Nicht unbedingt. Die Vorschläge bleiben nach wie vor die Gleichen: „Im Idealfall wird die Still beziehung fortgesetzt, bis das Kind ihr entwachsen ist" (Grundsatz 6, La Leche Liga). Das eine Kind wächst aus seinem Stillbedürfnis früher, das andere später hinaus. Weil das Stillen eine Partnerschaft ist, spielen auch die Bedürfnisse der Mutter eine Rolle. Wir möchten hier keine neue Vorschriften erstellen, sondern durch das Anschauen der wissenschaftlichen und anthropologischen Daten einen erweiterten Blick für das „normale" Abstillalter - und eine grössere Toleranz für die Mütter, deren Stillpraktiken von der kulturellen Norm abweichen - schaffen. Ich hoffte, mit diesem Referat dazu beigetragen zu haben. REFERENZEN Bradley, J., Baldwin, S., Armstrong, H. Breastfeeding: a neglected household-Ievel weaning-food resource. in Alnwick D., Moses S., Schmidt OG. (eds.) Improving young child feeding in eastern and southern Africa' Household-Ievel feod technology. International Development Research Centre. Ottawa, Canada IDRC-265e 1988 Chandra, RK. Prospective studies of the effect of breastfeeding on incidence of infection and allergy. Acta Paediatr Scand. 68 :691-694 1979 Cunningham, AS. Breastfeeding: adaptive behavior fot child health and longevity in Stuart-Macadam P. and Dettwyler KA. Breastfeeding' Biocultural Perspectives New York: Aldine de Gruyter, 1995. Davis MK., Savitz DA., Graubard BI. Infant feeding and childhood cancer I.an.cet 2: 365-3868 1988 Dettwyler KA. A time to wean: The hominid blueprint fot the natural age of weaning in modern human populations in StuartMacadam P. and Dettwyler KA. Breastfeeding' Biocultural Perspectives NewYork: Aldine de Gruyter, 1995. Helsing E. and King FS.. 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Res. 14:494 1980 Innocenti Deklaration Über Schutz, Förderung und Unterstützung des Stillens Es wird anerkannt, dass Stillen ein einzigartiger Vorgang ist: · Es bietet Säuglingen die ideale Nahrung und trägt dazu bei, dass sie sich gesund entwickeln und gedeihen · Es vermindert die Häufigkeit und Schwere von Infektionskrankheiten bei Säuglingen und senkt damit auch ihre Morbidität und Mortalität · Es dient der Gesundheit der Frauen, da es das Risiko von Brust- und Eierstockkrebs herabsetzt und den Zeitabstand zwischen den Schwangerschaften vergrößert · Es bringt der einzelnen Familie und dem gesamten Volk soziale und wirtschaftliche Vorteile · Es vermittelt den meisten Frauen ein Gefühl der Befriedigung, wenn sie erfolgreich stillen können Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass · sich diese Vorteile um so mehr verstärken, je länger während der ersten sechs Monate voll1 und danach zusätzlich zur Beikostfütterung gestillt wird · gezielte Programme zur Stillförderung eine positive Änderung des Stillverhaltens bewirken. Deshalb wird erklärt: Ein weltweites Ziel für die bestmögliche Gesundheit und Ernährung von Mutter und Kind sollte es sein, alle Frauen in die Lage zu versetzen, voll zu stillen, und alle Säuglinge sollten in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten ausschließlich mit Muttermilch ernährt werden. Danach sollten die Kinder eine geeignete und ausreichende Beikost erhalten, daneben aber bis zum Alter von zwei Jahren oder noch länger weiter gestillt werden. Diese ideale Form der Kinderernährung lässt sich verwirklichen, wenn die Frauen in ihrer Umwelt eine verständnisvolle Unterstützung erfahren, die es ihnen ermöglicht, ihre Kinder auf diese Weise zu stillen. Dieses Ziel lässt sich in vielen Ländern allerdings nur erreichen, indem man sich auf eine „Stillkultur" besinnt und sich nachdrücklich gegen das Vordringen einer „Flaschennahrungskultur" wehrt. Deshalb muss man sich engagiert für eine gesellschaftliche Mobilisierung einzusetzen und dafür bewusst das Ansehen und die Autorität anerkannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ausnutzen. Das Vertrauen der Frauen in ihre Stillfähigkeit sollte gestärkt werden. Dazu gehört, dass Zwänge und Einflüsse ausgeräumt werden, die die Auffassung vom und die Haltung zum Stillen oft geschickt und indirekt negativ beeinflussen. Dies erfordert Feingefühl, ständige Wachsamkeit und eine flexible und umfassende Kommunikationsstrategie, die alle Medien einbezieht und sich an alle Schichten der Gesellschaft wendet. Außerdem müssen Stillhindernisse im Gesundheitssystem, am Arbeitsplatz und in der unmittelbaren Umwelt beseitigt werden. Durch geeignete Maßnahmen sollte gewährleistet werden, dass Frauen eine adäquate Ernährung erhalten, die ihre und die Gesundheit ihrer Familien bestmöglich sichert. Außerdem sollte dafür gesorgt werden, dass allen Frauen das Beratungsangebot und die sonstigen Leistungen der Familienplanung offen stehen, damit sie weiterstillen und zu schnell aufeinanderfolgende Geburten vermeiden können, die ihren eigenen und den Gesundheits- und Ernährungszustand ihres Kindes gefährden könnten. Alle Regierungen sollten für ihr Land eine „Stillpolitik" entwickeln und sich für die 90er Jahre geeignete Ziele setzen. Sie sollten ein landesweites System zur laufenden Überwachung der Zielverwirklichung schaffen und dafür zweckdienliche Indikatoren aufstellen, wie z.B. die Rate der vollgestillten Säuglinge bei Verlassen der Entbindungseinrichtung und im Alter von vier Monaten. Die Regierungen der einzelnen Länder sind zudem dringend aufgerufen, ihre Stillpolitik in ihre übergeordnete Gesundheits- und Entwicklungspolitik einzubinden. Dabei sollten diejenigen Aktionen innerhalb von einander ergänzenden Programmen (wie z.B. Vorsorge rund um die Geburt, Beratung und Ernährung und Familienplanung, Verhütung und Behandlungen von Erkrankungen der Mütter und Kinder), die das Stillen schützen, fördern und unterstützen, gestärkt werden. Das gesamte Gesundheitspersonal sollte durch Schulungen in die Lage versetzt werden, diese Stillpolitik auch zu verwirklichen. Praktische Ziele: Alle Regierungen sollten bis zum Jahr 1995 · Eine anerkannte Persönlichkeit als nationale Stillkoordinatorin ernannt und ein nationales fachübergreifendes Stillkomitee eingerichtet haben, das sich aus VertreterInnen verschiedener Ministerien, regierungsunabhängiger Organisationen und Berufsverbänden aus dem Gesundheitsbereich zusammensetzt; · Sichergestellt haben, dass jede Einrichtung, die Mütterberatung durchführt, sich vollständig an die „Zehn Schritte zum erfolgreichen Stillen" der WHO/UNICEF-Erklärung2 hält; · Maßnahmen ergriffen haben, die den Grundsätzen und dem Ziel aller Artikel des Internationalen Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten Wirkung verleihen und den einschlägigen Resolutionen der Weltgesundheitsversammlung in ihrer Gesamtheit folgen; und · Eine gut durchdachte Gesetzgebung geschaffen haben, die auch für berufstätige Frauen das Recht zu stillen schützt, und für die Umsetzung dieser Gesetze gesorgt haben. Wir rufen auch alle internationalen Organisationen dazu auf · Handlungsstrategien zum Schutz und zur Förderung und zur Unterstützung des Stillens zu entwickeln, die ein umfassende Kontrolle und Bewertung dieser Strategien einschließen; · Nationale Situationsanalysen und Erhebungen sowie die Entwicklung nationaler Ziele und Aktionspläne zu unterstützen; und · Nationale Behörden zu motivieren und beim Planen, Umsetzen, Kontrollieren und Bewerten ihrer Stillpolitik zu unterstützen. Die Innocenti-Deklaration wurde von den Teilnehmern der WHO/UNICEF-Regierungskonferenz zum Thema „Stillen in den 90er Jahren: Eine weltweite Initiative" verfasst und verabschiedet. Die Konferenz wurde teilweise von der amerikanischen „Agency for International Development (AID) und der schwedischen „International Deveolpment Authority" (SIDA) finanziert und fand vom 30. Juli bis 1. August 1990 im Spediale degli Innocenti in Florenz (Italien) statt. Die Deklaration stützt sich inhaltlich auf das Arbeitsmaterial für die Konferenz sowie die Meinungen, die in Gruppen und Plenarsitzungen vertreten wurden. 1Voll Stillen bedeutet, dass der Säugling außer Muttermilch keine andere feste oder flüssige Nahrung erhält. Der Säugling sollte häufig und ohne zeitliche Begrenzung gestillt werden 2„Schutz, Förderung und Unterstützung des Stillen: Die besondere Rolle des Gesundheitspersonals", Weltgesundheitsorganisation, Genf 1989
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