Hallo, ich habe den Krankenhausbericht von meinen Zwillingen und meinem Pünktchen bekommen!!! Gestern abend hab ich nicht noch einmal in den Briefkasten geschaut, da ich die Post schon rausgenommen hatte und auf diese Werbung hatte ich gestern abend auch keine Lust mehr. Heute dann waren mein Mann und mein Sohn am Briefkasten und Robin kam angelaufen und rief schon von weitem: "Mama, wir haben Post von Vivien und Vanessa!" Seine Augen glänzten und mir rutschte das Herz in den Magen - ehrlich! Ein großer brauner Umschlag - dick gefüllt - lauter Papier und lauter Informationen über meine Einlieferung, die Maßnahmen zur Erhaltung der SS, die Geburt, ihr kurzes Leben, ihren Tod - einfach ALLES!!! Da saß ich dann also, mit dem Umschlag in der Hand, unfähig ... ich hatte Angst ... aber ich wollte es doch wissen. Robin sagte, ich solle ihn doch endlich aufmachen, er wolle wissen, was drin ist. Na und das tat ich dann auch. Ich habe alles gelesen, von Anfang an - einfach alles. Und es tat weh, es schmerzt einfach. Ich durchlebte jede einzelne Minute noch einmal mit einer Intensität, die ich niemals erwartet hätte. Mir ist dabei aufgefallen, daß ich niemals und niemanden von den Einzelheiten der Geburt erzählt oder geschrieben habe - NIE, ich hatte es erfolgreich verdrängt. Und heute ... heute kam es mit der ganzen Wucht zurück!!! Und es tut sooo unendlich weh!!! Ich wußte ja, daß meine Töchter beide eine halbe Stunde lebten, aber mir hat NIEMAND gesagt, daß sie auch geatmet haben!!! Es hat immer geheißen, daß sie nicht geatmet hätten, weil ihre Lungen noch nicht reif genug waren, aber heute lese ich dort : PRIMÄRE APNOE; BRADYKARDIE UM 50/MIN mit schnell fallender Tendenz. Einzelne SCHNAPP-ATEMZÜGE. Mein erster Gedanke war: "Wieso haben die dann nichts unternommen??? Wieso hat dann niemand versucht, sie am Leben zu erhalten??? Es hieß doch, sie haben nicht geatmet ... WARUM???" Und dann las ich weiter und dort stand dann: Reifebeurteilung nach Dubowitz: - 9 Punkte (kein Lanugo, Lidspalten verwachsen, Klitoris freiliegend, Plantae 32 mm, Mamilien punktförmig, Finger und Zehen partiell mit Schwimmhäuten) - damit nicht lebensfähig nach den Empfehlungen der Gesellschaft für Perinatologie, deshalb keine Therapie. Dieser Bericht stammt vom OA und Leiter der Kinder-Intensivstation. Weitere Einzelheiten mag ich jetzt gar nicht wiedergeben - es tut so wahnsinnig weh. Ich sehe plötzlich wieder Dinge vor mir wie einen Film ablaufen, die Geburt - wie ich sah, daß sie die Ärmchen bewegten ... ach es ist einfach so ungerecht ... WIESO haben sie es nicht geschafft??? Nun sitz ich hier, mein Sohn schaut Fernsehen und meine Tochter spielt hingebungsvoll mit ihrer Puppe und ich ... mir zerreißt es hier fast das Herz vor lauter Sehnsucht nach meinen erstgeborenen Töchtern. Ich bin froh und glücklich über meine zwei gesunden Kinder, doch trotzdem wünsche ich mir meine zwei erstgeborenen Kinder so sehr zurück. Da sind sie also wieder, die Trauer und der unbändige Schmerz - meine stillen Begleiter seit 7 Jahren!!! Über mein Pünktchen habe ich nicht wirklich viel erfahren. Die Akte darüber liest sich sehr steril und klinisch - den Wortlaut möchte ich hier nicht aufschreiben - für frisch Betroffene wäre das wie ein Schlag ins Gesicht (selbst ich mußte über diese klinischen Begriffe heftig schlucken), aber Ärzte müssen es ja nicht erleben und durchleben. Naja. Ich bin jedenfalls froh, sehr froh, endlich diese Akte zu haben und ich denke, daß ich nun vielleicht doch besser mit allem umgehen kann und vielleicht auch irgendwann den Mut finde, über die Geburt an sich zu schreiben oder zu erzählen. Als ich meinem Mann heute Fragen dazu stellte, da schaute er mich verwundert an und meinte: "Ich hab das alles vergessen, ich hab das ausgeschaltet - ich WILL da nicht mehr dran denken, laß es bitte gut sein." Wenn ich nicht wüßte, wie sehr auch er seine Töchter vermisst, so würde ich doch an ihm zweifeln. Aber so weiß ich, daß er es aus reinem Selbstschutz tut. Danke, daß Ihr mir zuhört, danke daß es Euch gibt. Heute brauch ich mal Eure Schulter zum Anlehnen und Ausheulen. Ich bin froh, daß wir gleich unterwegs sind und ich somit etwas Ablenkung bekomm. Stille und traurige Grüße Jacqueline, die heute erneut Abschied genommen hat von dem Wertvollsten im Leben einer Frau
Mitglied inaktiv - 23.12.2007, 14:52