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Geschrieben von Dots am 27.05.2023, 19:51 Uhr

Ist denn tatsächlich an den Vorwürfen rrin gar nichts dran, also ...

Ich finde diesen Artikel aus der Zeit online von damals ganz gut, als Schönbohm gegangen wurde, ich kopiere ihn ein, da hinter Bezahlschranke:

"Ein dubioser Verein
Warum soll der Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik gehen? Was haben russische Geheimdienste damit zu tun? Antworten auf die wichtigsten Fragen
Von Kai Biermann, Ingo Malcher, Yassin Musharbash und Eva Wolfangel
10. Oktober 2022, 19:50 Uhr 80 Kommentare
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will angeblich Arne Schönbohm entlassen, den Chef des ihr unterstellten Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Das berichten mehrere Medien unter Berufung auf mit dem Vorgang befasste Menschen. Mutmaßlich hat die Personalie mit einem Auftritt Schönbohms bei einem umstrittenen Lobbyverein der Industrie zu tun. Das Ministerium selbst sagt derzeit lediglich, es liefen interne Prüfungen, die Personalie will man nicht bestätigen. Auch die Ministerin selbst sagte bei einem öffentlichen Auftritt lediglich: "Im Moment muss ich Ihnen einfach sagen, das sind ernst zu nehmende Vorwürfe und die werden wir erst mal prüfen und dann die notwendigen Schritte einleiten."

Allerdings wurde ein seit langer Zeit geplanter öffentlicher Termin von Faeser und Schönbohm gerade abgesagt. Worum geht es und was hat das alles mit diesem Lobbyverein namens Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. und mit den russischen Geheimdiensten zu tun? Antworten auf die vier großen Fragen der Affäre:
Alle Fragen im Überblick:

Was macht der Verein Cyber-Sicherheitsrat?
Worin besteht die Russland-Connection?
Wer ist Arne Schönbohm?
Wie reagieren andere Mitglieder des Cyber-Sicherheitsrates?

Was macht der Verein Cyber-Sicherheitsrat?

Unternehmen in Deutschland stehen alle vor derselben Bedrohung, die oft ihren Ursprung in Russland haben soll: Immer wieder werden deutsche Netze gehackt, mal der Bundestag, mal Unternehmen, Kriminelle erpressen Konzerne, die digitale Infrastruktur ist verwundbar. Zuletzt kam heraus, dass eine Hackergruppe des russischen Geheimdienstes FSB mit dem Namen Berserk Bear sich in die Systeme einer Tochtergesellschaft des Energieversorgers EnBW gehackt haben soll. Angesichts dieser Gefahren kann es durchaus sinnvoll sein, wenn sich Fachleute von Unternehmen mit anderen vernetzen und untereinander Erfahrungen mit solchen Angriffen schildern.
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Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. (CSRD) will ein Rahmen dafür sein. Gegründet wurde der CSRD im Jahr 2012 "von namhaften Persönlichkeiten", wie es in der Selbstdarstellung heißt. Gemeint sind damit wohl Arne Schönbohm und Hans-Wilhelm Dünn. Die beiden riefen den Club einst ins Leben, wie Dünn im Jahr 2019 der ZEIT und dem ARD-Politikmagazin Kontraste schilderte. Schönbohm war der erste Präsident des Vereins, Dünn sein Vize. Später übernahm Dünn. Er hat das Amt mit Unterbrechungen bis heute inne. Als der Verein kürzlich sein zehnjähriges Jubiläum feierte, kam Schönbohm zum Gratulieren.

Anlass für die Spekulationen um Schönbohms Ablösung ist eine aktuelle Recherche des ZDF Magazin Royale. Das Team um Jan Böhmermann hatte berichtet, dass mit dem Unternehmen Protelion eine Firma Mitglied im CSRD sei, die wegen der persönlichen Kennverhältnisse und Verflechtungen einiger Entscheider auch den Argwohn deutscher Sicherheitsbehörden erregt hat. Es steht der Verdacht im Raum, dass sie mit russischen Nachrichtendiensten kooperiert.

Laut seiner aktuellen Pressemitteilung hat der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. die Protelion GmbH mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen. "Bereits nach Kenntnisnahme der Vorwürfe der Einflussnahme russischer Nachrichtendienste auf die Protelion GmbH durch eine Medienanfrage wurde am 30. September 2022 ein Ausschlussverfahren gestartet", heißt es. Dünn wird mit der Aussage zitiert, dass "das Agieren der Protelion GmbH ein Verstoß gegen die Vereinsziele des Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V." sei. Zugleich wiesen der Verein und Präsident Dünn Vorwürfe zurück, Beziehungen zu staatlichen russischen Stellen zu unterhalten. Der Verein sei nicht von russischen Stellen beeinflusst.

Das Problem mit dem Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. beginnt schon beim Namen – und es wirkt so, als wolle der Verein für etwas gehalten werden, das er nicht ist: eine offizielle Institution. Es ist wohl kaum Zufall, dass der Name des Vereins dem des 2011 von der Bundesregierung gegründeten Nationalen Cyber-Sicherheitsrates ähnelt, in dem staatliche Organe und Wirtschaft verknüpft sind. Das kleine Anhängsel "e.V.", also eingetragener Verein, kann da schon mal übersehen werden.

Der CSRD ist eine jener Berliner Institutionen, die überall präsent zu sein scheinen, von denen aber keiner genau weiß, was sie eigentlich machen. Seine Ziele werden auf der Website entsprechend nebulös formuliert. Etwa die "Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Politik, öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft zur Verbesserung des IT-Schutzes". Um das zu erreichen, trifft man sich zum "Roundtable und Oktoberfest-Stammtisch", der CSRD wird Partner von Veranstaltungen mit Namen wie dem "Cybersecurity Leadership Summit" in Berlin oder "Cyberwomen 2022" in München. Oder er organisiert Seminare mit Titeln, die wie Bachelorarbeiten klingen: "Digitale Gesundheitsanwendungen im Spannungsfeld zwischen Effizienzgewinn und Informationssicherheit".

Was mindestens so wichtig ist wie die Veranstaltungen: Wann immer der Chef Dünn irgendwo auftritt, postet er auf Twitter ein Foto von sich. Dünn im Geißbockheim des 1. FC Köln, Dünn und die Deutschland-Chefin von Microsoft, Dünn bei der Dekra, Dünn in New York. Ein Mann kommt rum.

Mit dieser Strategie war er erfolgreich darin, dem Verein namhafte Mitglieder zuzuführen. Auf seiner Website präsentierte der CSRD am Montagmorgen noch die Logos von zahlreichen Unternehmen, die dort angeblich Mitglied seien. Darunter etwa der Automobilzulieferer Continental, die Wirtschaftsprüfergesellschaften PWC und EY und die Commerzbank. Auch das Bundesgesundheitsministerium wurde noch als Mitglied geführt. Nach einem Bericht in der ZEIT und dem ARD-Politikmagazin Kontraste im Juni 2019 trat zumindest der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) aus dem Verein aus.

Aber Dünn und Schönbohm verbindet mehr als der CSRD. Dünn war bis 2019 Vorstand eines Unternehmens, das Schönbohm 2008 mitgegründet hatte: BSS BuCET Shared Services. Laut Selbstdarstellung hacken die Mitarbeiter von BSS unter anderem Unternehmen in deren Auftrag, um Sicherheitslücken zu entdecken. Als Schönbohm im Februar 2016 zum Chef des BSI berufen wurde, verkaufte er seine Aktienmehrheit, wie er ZEIT und Kontraste damals mitteilte. Er trat auch als Vorstand des Unternehmens zurück. Mit der Wahl von Hans-Wilhelm Dünn zu seinem Nachfolger habe er nichts zu tun.

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Worin besteht die Russland-Connection?

Die dubiosen Verbindungen des Cyber-Sicherheitsrates Deutschland e.V. nach Russland lassen sich vor allem an einer Person festmachen: am Vereinspräsidenten Hans-Wilhelm Dünn, einem gebürtigen Kölner, der in Potsdam Verwaltungswissenschaften studierte, nach seinem Abschluss Referent des Wirtschaftsministers von Brandenburg wurde und bis vor einigen Jahren für die CDU in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung saß.

Dass Dünn zumindest im Frühjahr 2019 noch ausgesprochen kremlfreundliche Ansichten hatte, zeigt ein Vortrag, den er auf einer Tagung in Garmisch-Patenkirchen hielt. Mehreren Zuhörern zufolge setzte er sich dafür ein, dass Deutschland mehr Nähe zu Russland suche. Er bezog sich in seiner Rede auch auf einen Sicherheitsexperten, der die Ansicht vertritt, man verdächtigte Russland allzu schnell, Computernetzwerke gehackt zu haben, wenn im Code kyrillische Schriftzeichen auftauchten.

Am zweiten Tag der Konferenz unterzeichnete Dünn eine Absichtserklärung mit Wladislaw Scherstyuk, dem Organisator der Tagung. Darin vereinbarten beide, bei der Umsetzung von Beschlüssen des UN-Sicherheitsrates bezüglich der friedlichen Nutzung der Informationstechnologie zu helfen. Dünn unterschrieb das Dokument am 24. April 2019 im Namen des CSRD, auf Englisch: Council on Cyber Security of Germany. Scherstyuk unterschrieb im Namen der russischen Organisation NAIIS, was für Nationaler Verband für Internationale Cybersicherheit steht, die von der staatlichen Lomonossow-Universität in Moskau und anderen staatlichen Stellen gegründet wurde.

Scherstyuk ist deutschen Sicherheitsbehörden kein Unbekannter: Der Generaloberst a.D. war nicht nur jahrzehntelang KGB-Kader, sondern auch Generaldirektor des auf elektronische Überwachung spezialisierten Nachrichtendienstes Fapsi, der später in den Geheimdienst FSB integriert wurde. Als Fapsi-Generaldirektor war er für Abhöraktivitäten Russlands verantwortlich. Scherstyuk gilt nach wie vor als mit staatlichen Stellen sehr gut vernetzt. Nicht zuletzt deshalb waren deutsche Sicherheitsbehörden überzeugt, die Tagung in Garmisch-Patenkirchen habe einen "nachrichtendienstlichen Hintergrund" gehabt, womit gemeint ist, dass russische Stellen sie mutmaßlich nutzten, um ihre Netzwerke auszubauen und ihren Einfluss auszuweiten.

Auf eine Anfrage von ZEIT und Kontraste antwortete NAIIS im Frühjahr 2019 nicht. Dünn erklärte damals im Interview, die Pflege von Kontakten, auch mit offiziellen Stellen in Russland, gehöre zu seinem Job. Es sei wichtig, mit möglichst vielen Beteiligten zu sprechen.

Es gibt weitere Beispiele dafür, dass Dünn in der Vergangenheit im Sinne der russischen Regierung und ihrer Absichten agierte. Im März 2018 etwa engagierte er sich als Wahlbeobachter bei den russischen Präsidentenwahlen. Laut dem der ZEIT und Kontraste vorliegenden Antrag auf Akkreditierung reiste er im Namen des CSRD an. Er war jedoch nicht etwa Mitglied der OSZE-Delegation, an der auch Deutschland beteiligt war. Stattdessen beobachtete er den Sieg Putins auf Einladung des Vorsitzenden der Duma – als einer von mehr als 300 Wahlbeobachtern, die vom russischen Parlament eingeladen worden waren.

Zu dieser Delegation zählten auch mehrere AfD-Politiker sowie aus Österreich angereiste FPÖ-Kader. Aus Frankreich schickte der rechtsradikale Front National Delegierte, aus Italien waren Politiker von Lega Nord und Forza gekommen, aus Großbritannien eine Abgeordnete von Ukip. Diese Teilnehmer eint vor allem zweierlei: Sie sehen die EU kritisch – und Russland positiv.

Dünn verwahrte sich 2019 gegenüber ZEIT und Kontraste gegen den Verdacht, er habe sich für russische Propaganda hergegeben: "Ob das der Kreml ist, ob das die Duma ist, ob das andere Organisationen sind: Ich spreche mit denen. Das heißt nicht, dass ich deren Inhalte in irgendeiner Form vertrete." Es bestehe keine Gefahr, dass er sich für russische Propaganda instrumentalisieren lasse, erklärte er weiter.

Und doch gab es ein Muster. Im August 2018 zum Beispiel reiste Dünn als Wahlbeobachter nach Simbabwe – und zwar als Teil einer Mission, die von der wenig bekannten Organisation Association for Free Research and International Cooperation (Afric) organisiert wurde. Afric geriert sich als von anonymen Spendern finanziertes Netzwerk, ist jedoch nach Recherchen von ZEIT und Kontraste mit russischen Propagandaspezialisten eng verwoben.

ZEIT und Kontraste fragten Dünn 2019 auch, ob er mit russischen Nachrichtendiensten Kontakt halte. Seine Antwort damals: "Natürlich, mit allen relevanten Akteuren. Und dazu gehören auch die Nachrichtendienste."

In einer Pressemitteilung mit Datum vom Montag relativierte der Verein Dünns damalige Aussage: "Herr Dünn hat keine Kontakte zu aktiven Vertretern staatlicher russischer Stellen gepflegt. Vielmehr beziehen sich seine Aussagen generell auf die Aufrechterhaltung von Kommunikationskanälen zu allen relevanten Akteuren im internationalen Sicherheitsbereich."

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Wer ist Arne Schönbohm?

Als Arne Schönbohm im Jahr 2016 das Amt des BSI-Chefs übertragen wurde, war das Erstaunen in der Branche groß. Schönbohm war bis dahin nicht durch besondere Fähigkeiten im Bereich IT-Sicherheit aufgefallen, zumindest nicht im technischen Sinn. Er ist kein Ingenieur, kein Mathematiker, schon gar kein Softwareentwickler oder Kryptologe wie seine Vorgänger. Er hat Management studiert, jahrelang bei dem Rüstungskonzern EADS gearbeitet, dann seine eigene Beratungsfirma gegründet, die sich mit Digitalisierung und eben auch mit IT-Sicherheit beschäftigte. Bekannt war hingegen sein Vater, der Bundeswehrgeneral und einflussreiche CDU-Politiker Jörg Schönbohm. Vor allem aber hatte Arne Schönbohm den Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. mitgegründet und bis 2016 geleitet.

Seine Ernennung wurde von Datenschützern, von Vereinen wie dem Chaos Computer Club und von politischen Gegnern öffentlich kritisiert. Befürchtet wurde vor allem, dass mit ihm die Industrie, vor allem Rüstungsunternehmen wie EADS, stärker Einfluss auf die Arbeit des BSI nehmen könnten. Im Laufe der Jahre verstummte diese Kritik weitgehend. Auch die in der eigenen Behörde. Deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hatten anfangs durchaus mit ihrem neuen Präsidenten gefremdelt. Das BSI ist ein sehr technisches Amt, dort arbeiten viele Spezialisten. Schönbohms fehlende Expertise sorgte dort für Irritation.

Wer Arne Schönbohm begegnet, lernt einen Menschen kennen, der wohl am besten mit dem Adjektiv jovial beschrieben wäre. Er wirkt freundlich, umgänglich, geradezu heiter, auch bei so ernsten und schwer verständlichen Themen wie Datenschutz, Hackerangriffen oder dem Schutz der kritischen Infrastruktur dieses Landes. Das meint nicht, dass er die Themen nicht ernst nimmt. Er ist nur ein sehr gelassener Mann, der nicht zu Alarmismus neigt. Seine wohl hervorstechendste Eigenschaft aber ist, dass er kein Problem damit hat, zu sagen, wenn er etwas nicht weiß. Für den Leiter einer Fachbehörde ist das eher ungewöhnlich. Dann fragt er seine Experten und Expertinnen, von denen es im BSI sehr viele gibt. Er könne zuhören, heißt es dort, er sei loyal und er nehme seine Aufgabe sehr ernst.

Vor allem aber ist das BSI unter ihm viel größer geworden. Es hat eine neue gesetzliche Grundlage bekommen und damit viel mehr Zuständigkeiten. In seiner Amtszeit hat sich die Zahl der Stellen im Amt mehr als verdoppelt, heute beschäftigt das BSI mehr als 1.300 Menschen. Gerade erst wurde dessen Etat um weitere 33 Millionen Euro aufgestockt.

Die fachliche Kritik des Chaos Computer Clubs an ihm ist jedoch nie verstummt. Vom CCC stammt die Bezeichnung "Cyberclown" für ihn. Und bis heute hält beispielsweise Constanze Kurz, eine der Sprecherinnen des CCC, Schönbohm für eine Fehlbesetzung.

Zugleich ist das Verhältnis zwischen Schönbohm und seinem Dienstherrn, dem Bundesinnenministerium, schon lange angespannt. Das BSI ist dem Ministerium direkt unterstellt und darf nicht eigenständig agieren. Das bedeutet auch, dass die Cybersicherheitsbehörde ihre offiziellen Äußerungen mit dem Ministerium abstimmen muss. Schönbohm ignoriert so etwas gerne mal. Wenn er der Meinung ist, ein Thema sei wichtig, dann redet er darüber, auch ohne vorher zu fragen. Im Ministerium kam das oft nicht gut an. Mit Schönbohms Versuchen, selbst die politische Agenda zu bestimmen, ging er dort einigen hochrangigen Beamten immer wieder auf die Nerven. Vor allem, da auch im BMI seine fachlichen Fähigkeiten dazu angezweifelt wurden.

In der Berichterstattung wird Schönbohms Auftritt beim zehnten Jahrestag des Vereins Cyber-Sicherheitsrat kritisiert, auch weil das Bundesinnenministerium Kontakte zu dem Verein per Weisung untersagt hatte. Es wirkt, als sei dieser Auftritt der Grund für die Rauswurfgerüchte. So einfach ist das jedoch nicht. Denn diese Weisung zur Kontaktsperre wurde vom Ministerium selbst später wieder zurückgenommen. Schönbohm habe außerdem das Ministerium um Erlaubnis für seinen Auftritt gebeten und sich auch sein Redemanuskript abnicken lassen, sagen zwei Menschen aus dem Umfeld unabhängig voneinander. Es scheint eher so, als sei ein schon lange gärender Prozess nun an einem Punkt angelangt, an dem er beendet werden soll.

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Wie reagieren andere Mitglieder des Cyber-Sicherheitsrates?

Die Mitgliederliste des Vereins, die dieser inzwischen von seiner Website gelöscht hat, umfasst mehr als 100 Namen, darunter große Unternehmen wie die Commerzbank, Deloitte, TeamViewer, Continental, Forschungsinstitute wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, aber auch Behörden wie das Bundesgesundheitsministerium, das Baden-Württembergische Innenministerium und die Polizeidirektion Osnabrück, sowie Vertreter kritischer Infrastrukturen wie die EnBW, E.on und Vattenfall.

ZEIT ONLINE hat knapp 20 Mitgliedsunternehmen zu ihrer Haltung zum Verein befragt. Nicht alle wollen zitiert werden, aber ein Muster ist erkennbar: Der Kontakt zum Verein ist häufig auf der Grundlage persönlicher Bekanntschaften zustande gekommen, selten hatten die Organisationen oder Unternehmen als Ganzes bewusst entschieden, beizutreten. Zudem wirkt das Mitgliedsmodell des Vereins undurchsichtig: So gibt es neben der ordentlichen auch eine assoziierte Mitgliedschaft, bei der keine Kosten entstehen. Diese Mitglieder haben dann auch kein Stimmrecht. Einige Organisationen bekamen dadurch den Eindruck, nicht wirklich Mitglied zu sein – doch der Verein nutzte diese Option kräftig, um mit deren Namen zu werben.

So erging es dem Innenministerium Baden-Württemberg, mit dessen Mitgliedschaft sich der Cyber-Sicherheitsrat e.V. bis zum Montagmorgen brüstete, das aber laut der stellvertretenden Regierungssprecherin Nadia El Almi gar kein Mitglied ist: Lediglich der damalige Leiter des Referats Cybersicherheit im Innenministerium sei als natürliche Person im Jahr 2019 als assoziiertes Mitglied beigetreten. Mit Protelion habe das Ministerium aber nichts zu tun gehabt, und auch ansonsten habe man aus der Mitgliedschaft im Verein keine relevanten Informationen für die operative Ausgestaltung der Cybersicherheit gewonnen.

Hanno Kautz, Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, sagte gegenüber ZEIT ONLINE, die Mitgliedschaft ruhe bereits seit 2018. Die Frage, wieso das Ministerium nicht ganz ausgetreten sei, wollte er nicht beantworten.

Ein E.on-Sprecher sagte auf Nachfrage von ZEIT ONLINE, das Unternehmen habe die Berichte über den Cyber-Sicherheitsrat zum Anlass genommen, die Mitgliedschaft zu beenden. Eine akute Gefahr bestehe aber nicht: "Unabhängig von dieser Entscheidung sind aus Sicht von E.on bei Treffen des Cyber-Sicherheitsrat e.V. keine vertraulichen Informationen ausgetauscht worden." Diese Treffen hätten in unregelmäßigen Abständen stattgefunden, zuletzt 2019. Zu einzelnen Mitgliedern und Personen wolle er sich nicht äußern.

Auch eine Sprecherin der EnBW sagte gegenüber ZEIT ONLINE, dass im Verein keine sicherheitsrelevanten Informationen ausgetauscht worden seien. Der Verein habe der EnBW lediglich als Netzwerk für einen fachlichen Austausch zum Thema Cyber Security gedient. "Wir hatten über den Rat auch keinen Kontakt zu Protelion und unterhalten auch sonst keine direkten Kontakte zu Protelion." Der Konzern beobachte die aktuelle Entwicklung genau: Solange die Vorwürfe nicht vollumfänglich aufgeklärt seien, lasse er die Mitgliedschaft im Cyber-Sicherheitsrat ruhen.

Wie ZEIT ONLINE aus Unternehmenskreisen bei Vattenfall erfuhr, erwägt auch der Energiekonzern, seine seit 2014 bestehende Mitgliedschaft zu beenden. Der Automobilzulieferer Continental teilte auf Anfrage ebenfalls mit, man überprüfe die Mitgliedschaft. Ähnlich ergeht es der Polizeidirektion Osnabrück: Man habe die aktuellen Recherchen mit Sorge zur Kenntnis genommen, sagte Sprecher Marco Ellermann gegenüber der Redaktion. "Sollten sich die Vorwürfe russischer Einflussnahme auf den Verein bestätigen, wird die Polizeidirektion Osnabrück unverzüglich ihre Konsequenzen ziehen." Dann würde die Mitgliedschaft beendet – bis zur Aufklärung der Vorfälle ruhe sie.

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft befindet sich unter den Mitgliedern, hat sich aber vorerst gegen einen Austritt entschieden: Man beobachte die Debatte um Protelion mit hoher Aufmerksamkeit und "nicht ohne Besorgnis", teilte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt mit. Des Weiteren wolle man die Ergebnisse der offiziellen Untersuchungen abwarten und dann intern beraten. "Schnellschüsse allein auf der Grundlage von Recherchen eines Satiremagazins sind sicher nicht angemessen", sagte Wendt.

Das Unternehmen TeamViewer hingegen nahm die aktuelle Debatte zum Anlass, die Mitgliedschaft zu beenden, wie ZEIT ONLINE aus Unternehmenskreisen erfuhr. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und die Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte teilten auf Anfrage mit, dass sie ihre Mitgliedschaft anlässlich der aktuellen Vorkommnisse mit sofortiger Wirkung gekündigt hätten. Die Commerzbank teilte mit, sie habe ihre Mitgliedschaft unabhängig von den Diskussionen über die Nähe des Vereins zu Russland bereits im April zum Jahresende gekündigt."

Ich schreibe unten mal weiter...

 
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