Gibt es Magersucht bei Babys?

 Doris Plath Frage an Doris Plath Ernährungsberaterin

Frage: Gibt es Magersucht bei Babys?

Sehr geehrtes Expertenteam, der aufgeregte Anruf unserer Kindergärtnerin veranlasst mich zu dieser Mail. Ich brauche Hilfe: Meine Tochter (10 Monate alt) verweigert von Anfang an, das heisst seit dem 6. Monat jegliche Beikost und auch das Fläschchen. Während der Kindergartenzeit isst sie einfach gar nichts und wartet darauf, an der Brust zu trinken. Dort trinkt sie gerne und viel, aber weil ich arbeiten gehe, geht das eben leider nicht ununterbrochen. Die Kindergärtnerin meinte, in 20 Jahren habe sie noch nie ein Baby gesehen, dass so hartnäckig jegliche Nahrungsaufnahme verweigert. Sie glaubt, die Kleine sei vielleicht magersüchtig oder es gebe ein schwerwiegendes Problem in der Verdauung. Mit der Kinderärztin habe ich schon mehrfach über das Problem gesprochen. Laut ihrem Urteil ist alles "normal": sie entwickelt sich prima, hat mehrere Zähne, krabbelt, sitzt, fängt an zu sprechen, spielt sehr gut und konzentriert. Bis zu 1 Jahr sei es kein Problem, Babys ausschliesslich per Muttermilch zu ernähren, aber laut WHO brauchen Babys Beikost, um genügend Vitamine aufzunehmen... Ich nehme meine Tochter seit Wochen mit in die Küche, damit sie sieht, was ich koche und auch hier und da mal schnuppern und probieren kann. Sie ist neugierig, beisst z.B. gerne in Oliven und isst auch mal etwas, aber mehr als 1 Teelöffel ist es nie. Ich weiss nicht, was ich machen soll. Ab wann ist die Essensverweigerung ein Probem? Was kann ich tun, damit meine Tochter die Beikost akzeptiert? Gibt es Anorexie bei Babys? Was würden Sie mir raten? Mit freundlichen Grüssen, Luise D. aus L.

von LuiseD am 19.01.2016, 14:47



Antwort auf: Gibt es Magersucht bei Babys?

Liebe Luise D. aus L., zunächst einmal, Ihrer Kinderärztin ist die Situation bekannt. Und es ist doch beruhigend zu wissen, dass Ihre Kinderärztin die Entwicklung Ihres Mädchens trotz allem als „normal“ einstuft und Ihre Tochter sich prima entwickelt. Magersucht bei Babys ist mir nicht bekannt. Es gibt aber halt nun mal Babys die sind wirklich hartnäckig wenn es ums Akzeptieren von anderer Kost als Milch geht. Zunächst mal! Denn, bis jetzt hat sich noch jedes gesunde Kind früher oder später mit der festen Kost angefreundet. Sicherlich ist es nicht das „Ideal“, wenn Kinder in diesem Alter noch hauptsächlich mit Milch ernährt werden. Hier spielt nicht nur die Nährstoffversorgung eine Rolle, auch andere Entwicklungsmöglichkeiten wie beispielsweise die Sprachentwicklung, die durch das Kauen fester Kost gefördert wird, können zu kurz kommen. Aber manche Kinder sind einfach Spätzünder und brauchen eine Weile bis sie wie selbstverständlich neben der Milch auch feste Beikost akzeptieren. Ich gehe einmal davon aus, dass organisch nichts vorliegt und der Mundraum und Schluckvorgang ok sind. Das müsste im Zweifel jedoch Ihre Ärztin abklären. Dann möchte ich Ihnen schon ans Herz legen, Ihre Kleine weiter behutsam an das feste Essen heranzuführen. Damit sich Ihr kleiner Schatz mit dem festem Essen anfreunden kann, ist es ganz wichtig, dass Sie voll und ganz dahinter stehen und die Kleine unterstützen und leiten und auch zu einem gewissen Grad fordern und fördern. Dass Sie zum Beispiel bei einer Mahlzeit, wie dem Mittagessen oder dem Abendessen (was besser in Ihren Alltag passt), mal konsequent auf festere Kost übergehen. Auch wenn die Mengen nicht immer gleich groß oder auch mal nur gering ausfallen. Achten Sie auch auf das richtige Zeitfenster. Ihr Mädchen sollte nicht übermüdet sein und auch noch nicht überhungrig. Beides senkt schnell die Lust am Löffeln. Der Abstand zur vorherigen Milchmahlzeit soll groß genug sein, damit auch genug Hunger da ist. Sie machen es genau richtig, wenn Sie Ihrem kleinen Liebling immer wieder zwanglos feste Kost anbieten. Bieten Sie neben Brei ruhig auch weiterhin fingerfood wie weich gekochtes Gemüse, ein paar Nudeln oder Kartoffelstückchen (alles ungewürzt) , auch wenn sie nur mal reinbeißt und sonst damit zunächst nichts anzufangen weiß. Lassen Sie Ihr Kind experimentieren. Das weckt oft die Neugierde auf Essen. Bestreichen Sie den Löffel mit ganz wenig Brei und lassen die Kleine das Essen selbst erforschen. Ohne Druck und Zwang oder großes Aufheben. Machen Sie es Ihrem Schatz nicht zu leicht, also ruhig mal den Hunger zum Gehilfen machen. Ihr Mädchen weiß, dass Mama schnell mit Milch einlenkt. Also muss sie sich ja auch nicht mit dem Brei mühen. Versuchen Sie es aus. Meine Erfahrung ist, wenn es nicht gleich die „sichere“ Milch gibt, dass der Appetit dann auf anderes steigt. Das ist natürlich auch Übungssache und wird vermutlich nicht von heute auf morgen klappen. Aber Ihre Tochter kann und wird das lernen, auch mit Brei bei einer Mahlzeit sich satt zu essen. Wichtig ist außerdem, dass Sie Ihre Kleine immer mit an den gemeinsamen Essenstisch nehmen, so dass sie Mama beim Essen beobachten kann. Kinder lernen durch Nachahmen. Greifen Sie selbst mit Genuss am gemeinsamen Tisch zu. Sie sind das Vorbild, Ihr Kind wird Sie nachahmen. Wenn sie sieht wie viel Spaß Sie selbst am Essen haben, motiviert sie das mit am besten. Ich drück Ihnen die Daumen und wünsche weiterhin viel Durchhaltevermögen! Doris Plath

von Doris Plath am 20.01.2016