stillnachfrage eines 11 monate alten babies

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: stillnachfrage eines 11 monate alten babies

liebe biggi, anton ist mittlerweile 11 monate alt und wird morgens, vormittags zum schlaf, nachmittags und abends - und mehrmals nachts gestillt ... seit wenigen tagen holt unser kleiner zufriedener "sitzsack" in riesenschritten die mobilitaet auf und versucht dauernd zu krabbeln und sich hochzuziehen ... auch kann er jetzt durch schuetteln und nicken des kopfes sagen, was er moechte .. .toll, nicht? ... zeitgleich mit der entwicklung setzte ein sehr unruhiger schlaf nachts ein, er wacht tlw stuendlich auf und wenn er richtig wach wird, findet er schlecht schlaf ... nuckeln tut ihm nachts anscheinend sehr gut ... meinem schlaf natuerlich nicht ... mein mann fordert unterschwellig abzustillen, da er meint, dass sich dann das schlafproblem bessert ... ich bin da anderer meinung, da anton keine flasche oder schnuller akzeptiert und es eine riesensache waere, ihn umzustellen ... und das in so einer fuer ihn so schwierigen zeit ... soll ich durchhalten? lg andrea

Mitglied inaktiv - 06.02.2006, 18:26



Antwort auf: stillnachfrage eines 11 monate alten babies

Liebe Andrea, ich kann deine Verunsicherung verstehen, werden wir doch alle permanent von anderen Müttern mit ihren "Super Babys", die selbstverständlich ab spätestens der zehnten Woche alleine und durch geschlafen haben umringt. Doch so wie Du aus lauter Verzweiflung und um Diskussionen aus dem Weg zu gehen einfach sagst "mein Kind schläft selbstverständlich friedlich die ganze Nacht", so tun dies auch unzählige andere Mütter. Jede einzelne dieser Mütter ist es einfach leid ständig als "Versagerin" hingestellt zu werden, die das "Klassenziel" nicht erreicht hat. Der Druck der Gesellschaft ist einfach so groß, dass viele Frauen diesen Weg wählen, ohne dass ihnen dabei bewusst ist, dass sie so selbst dazu beitragen, den Druck auf andere Frauen weiter zu erhöhen. Du machst das schon genau richtig, wenn Du auf die Bedürfnisse deines Babys eingehst und auf dein Gefühl und dein Herz hörst. Stört es dich oder deinen Mann, dass dein Baby nach Bedarf gestillt wird und nachts aufwacht? Ich lese es eher so, dass es die Kommentare von anderen Menschen sind, die dich verunsichern. Stillen ist nicht nur Nahrungsaufnahme, es ist viel mehr und deshalb wird ein Kind nicht nur dann nach der Brust verlangen, wenn es hungrig ist. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist das Stillen und gemeinsame Schlafen eine bewährte Methode Kinder glücklich, gesund und zufrieden aufwachsen zu lassen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses "natürliche" Verhalten des Kindes nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys und Kleinkinder wissen nicht, was zur Zeit "Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Leider geht der Trend zu immer früherer Anwendung sogenannter Schlaftrainingsprogramme und Eltern von Kindern, die sich nicht dieser "Norm" anpassen, wird mehr oder weniger direkt vermittelt, dass sie selbst schuld sind, ja manchmal kommt unterschwellig sogar dazu, dass dies Eltern sich als Versager fühlen sollten. Ein Kind "muss" überhaupt nicht durchschlafen, ob gestillt oder nicht. Das klingt jetzt sehr provozierend, doch inzwischen bekomme ich schon manchmal die Krise, wenn es immer wieder so dargestellt wird, als ob Eltern oder Kinder "das Klassenziel nicht erreicht haben" weil das Kind ab einem bestimmten Alter nicht durchschläft. Jedes Kind hat seinen eigenen Zeitplan und wenn das Kind so weit ist, dass es durchschlafen kann, dann wird es das auch tun, genau so wie es zu dem für es richtigen Zeitpunkt laufen, sprechen und auf einem Bein stehen können wird. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab einem bestimmten Alter nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die mit einem halben Jahr noch nicht so weit sind. So wie manche Kinder bereits mit elf Monaten laufen und andere damit erst mit 16 Monaten beginnen, so entwickeln sich auch alle anderen Dinge bei jedem Kind individuell verschieden und diese Entwicklung lässt sich begleiten, aber nicht beschleunigen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass Du etwas "falsch" machst, wenn Du dein Kind nachts bei dir schlafen lässt (ob im eigenen Bett oder im gleichen Zimmer) und es nach Bedarf stillst und auch zum Einschlafen stillst. Lass dich unbesorgt von deinem Instinkt leiten. Dein Gefühl und dein Kind werden dir zeigen, was das Beste für euch alle ist. Du enthältst deinem Kind keineswegs etwas vor, wenn Du ihm hilfst, seine innere Zufriedenheit und Vertrauen in sich und dich zu entwickeln, statt es alleine weinen zu lassen. Ein Baby schläft ohne Brust ein, sobald es reif genug dazu ist. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass Du die nächsten Jahre damit verbringen musst, dein Baby in den Schlaf zu stillen, wahrscheinlich wird es sogar schneller vorbei sein, als Du es dir jetzt vorstellen kannst. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass bis jetzt noch jedes Kind aus dem Bett der Eltern ausgezogen ist und zwar lange vor der eigenen Hochzeitsnacht: ). Die Zweifler und all die, die meinen, dass sie es besser wissen, kannst Du ja mal fragen, ob sie gerne alleine schlafen und ob sie der Meinung sind, dass sie ihren Partner "verwöhnen" (im Sinne von "verziehen"), wenn sie gemeinsam in einem Bett, vielleicht sogar aneinandergekuschelt, schlafen. Außerdem bist Du die Leidtragende, wenn Du jetzt abstillst, denn dein Kind wird sicherlich nicht durchschlafen, auch wenn es abgestillt ist. Du musst es dann mit evtl. herumtragen, Wasser geben und kannst es nicht mehr so leicht wieder in den Schlaf begleiten wie jetzt. Wenn Du gerne liest und ein Buch lesen möchten, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich dir wärmstens "Schlafen und Wachen ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL Stillberaterin (auch bei uns) erhältlich ist. Liebevolles Eingehen auf die Bedürfnisse der Kinder, ihnen die Zeit lassen, die sie brauchen, um jeweils den nächsten Schritt zu meistern, das ist der Tipp, den ich allen Eltern nur wärmstens ans Herz legen kann. Wir würden niemals an einer Blume ziehen, damit sie schneller wächst, denn jeder weiß, dass sie dann eingehen würde. An unseren Kindern sollten wir auch nicht "ziehen". Ich hoffe, der Text war dir jetzt nicht zu lange und wenn Du noch Lust zum Lesen hast, dann schau dir auch den angehängten Text von Dr. Paky an, der zeigt, dass lange nicht alle Kinderärzte der Meinung sind, dass "kontrolliertes Schreienlassen" in Ordnung geht. LLLiebe Grüße Biggi Die Kunst, sein Kind schlafen zu lassen Prim. Dr. Franz Paky, Leiter der Schreiambulanz (Ambulanz für Schreien und Schlafstörungen) der Kinderabteilung des LKH Mödling Schlafen, Alleinsein, Finsternis Für ein Kind gibt es nichts Schlimmeres, als den Schutz und die elterliche Geborgenheit zu verlieren. Mit der Finsternis der Nacht reißt die Gewißheit ab, dass der elterliche Schutz gegeben ist. Nichts ist leichter verständlich, als dass sowohl das Einschlafen als auch das nächtliche Aufwachen für ein Kind mit Angst verbunden ist. Es ist ebensowenig verwunderlich, dass viele Methoden entwickelt wurden, den Übergang vom Wachzustand in den Schlaf für das Kind zu erleichtern. All diesen Riten ist gemeinsam, dass sie die elterliche Gegenwart in den Schlaf hinein zu erhalten suchen (Wiegenlied, Gute Nacht Geschichte, Gute Nacht Kuß, Kuscheltier als Übergangsobjekt usw.). Schlafen Loslassen Nicht nur für das Kind ist mit dem Einschlafen eine Trennung von den Eltern verbunden. In ähnlicher Weise erleben die Eltern das Einschlafen des Kindes als Trennung. Insgeheim stellt sich die Frage: Wird das Kind ohne unsere Hilfe einschlafen? Wird sich das Kind ohne weiteres (?) von mir trennen? Wird es auch wieder von selbst wach? Zwei Arten von guten Schläfern die echten und die resignativen Nicht alle Kinder, die unkompliziert einschlafen und durchschlafen, sind zu beneiden. Wenn Babys spüren, dass ihr Schreien in der Nacht die Eltern unter keinen Umständen auf den Plan rufen kann, geben sie auf und schlafen den Schlaf der Resignation. Auf diesem Mechanismus beruht der scheinbare Erfolg der älteren Generation, ein Kind beim Einschlafen unbegrenzt schreien zu lassen. Die Entwicklung des Babys und das Schlafproblem Um das sechste Lebensmonat erweitern Babys ihren sozialen Horizont beträchtlich. Sie lernen zwischen ihren vertrauten Eltern und fremden Menschen zu unterscheiden ("Fremdeln"). Die Angst, die damit einhergeht ("Achtmonatsangst"), führt nicht selten zu einer Störung des Schlafes. Kinder, die in den ersten Lebensmonaten zur Freude ihrer Eltern bereits durchgeschlafen haben, beginnen dann nachts mehrmals wach zu werden. Oft brauchen sie nicht mehr als die Versicherung, dass alles in Ordnung ist. Ein kurzes Nuckeln an der Brust oder allein der Zuspruch einer vertrauten Stimme genügen, dass das Kind weiterschläft. Häufig führt aber die Schlafstörung zur Sorge der Mutter, dass das schon größer gewordene Kind mit ihrer Milch nicht mehr genug hat. Dann erhält das Kind an Stelle des Trostes, den es braucht, mehrere Mahlzeiten, die eigentlich überflüssig sind. Welcher Erwachsene, der gut schlafen will, würde sich absichtlich zu diesem Zweck den Bauch voll schlagen? Das Schlafparadoxon Wenn wir den Schlaf dringend herbeisehnen, stellt er sich am zögerndsten ein. Eine ganz ähnliche Erfahrung machen wir mit unseren Kindern. Wenn wir am wenigsten darauf angewiesen sind, schläft unser Kind am leichtesten ein. Brauchen wir dagegen unseren eigenen Schlaf dringend, weil wir am nächsten Tag früh aufstehen müssen oder einen schwierigen Termin haben, dann spielt das Kind nicht mit. Es will und will nicht einschlafen. Und noch weniger gönnt es uns einen ununterbrochenen Schlaf. Man gewinnt fast den Eindruck, als würden wir das Kind mit unserer Aura des Schlafzwanges am Schlaf hindern. Wenn sich ein Vater, der sein Kind mit allergrößten Mühen zum Einschlafen gebracht hat, auf leisesten Sohlen vom Bett fortschleicht, weckt er das Kind mit seiner Angst, dass es wieder wach werden könnte, tatsächlich auf. Dieses Phänomen zwingt uns dazu, über den eigenen Schatten zu springen. Wir müssen uns nach dem Rhythmus des Kindes richten und aufhören, ihm unsere Bedürfnisse aufzuzwingen. Individueller Schlafbedarf Jedes Kind braucht wie übrigens erwachsene Menschen auch eine individuelle Zahl von Schlafstunden. Die Spannbreite liegt bei Kindern im zweiten Lebenshalbjahr bei 9 bis 14 Stunden (Largo Kinderjahre 1999, S. 27). Behinderung der Selbstregulation Groß ist die Gefahr, dass sich Eltern in guter Absicht in Vorgänge einmischen, über deren Ablauf das Kind selbst bestimmen soll. Als Beispiele seien das Essen und das Trinken, die Kleidung und die Kontrolle von Stuhl und Harnausscheidung genannt. Die Selbstregulation über diese Vorgänge wird vom Kind im Lauf seiner normalen Entwicklung übernommen. Greifen die Eltern allerdings in diese Entwicklung ein, wird die Selbständigkeit nicht erreicht. Den Eltern bleibt damit die Bürde der Kontrolle erhalten, und das Kind bleibt in Abhängigkeit. In typischer Weise tritt dieser Mechanismus beim Schlaf auf. In der Meinung, dass die Eltern die volle Verantwortung für die Tiefe und die Dauer des Schlafes ihres Kindes tragen, wird dem Kind seine Selbständigkeit verwehrt und die Eltern zerbrechen an der Bürde der Kontrolle, die sie selbst nicht abgeben können. Die Kunst, sein Kind schlafen zu lassen Auf übermüdete und erschöpfte Eltern wirkt es vermutlich zynisch, wenn ich davon spreche, dass es bei der Kunst, sein Kind schlafen zu lassen, um die eigene Gelassenheit und das Loslassen des Kindes geht. Nach allem, was man schon versucht hat, sollte es gerade mit dem Loslassen funktionieren, wo man doch weiß, dass nichts schwerer ist im Leben als das Loslassen. Vertrauen in die Selbstregulation des Kindes ist der Schlüssel zum Loslassen und damit auch zum Schlafenlassen des Kindes. Wenn man dieses Vertrauen erwirbt, wird man sich vom Kind für die Zeit des Schlafes trennen können, ohne den Kontakt ganz zu verlieren. Das Kind wird auch in einer unruhigen Umgebung und ohne großes Geschrei einschlafen können. Vor allem wird es möglich sein, das Kind im Elternbett schlafen zu lassen und auf diese Weise das Stillen nach dem natürlichen Bedarf von Mutter und Kind beizubehalten. Jedes Kind kann schlafen lernen Weil es schwierig ist, diese Zusammenhänge bewußt zu machen, erfreuen sich Bücher, die sich auf ein Training bzw. auf eine Dressur des kindlichen Verhaltens beschränken, großer Beliebtheit. Am populärsten sind zur Zeit wohl Methoden der dosierten Frustration. Anstatt bei sich selber anzufangen, läßt man das Kind etwas länger schreien, so lange, bis es davon überzeugt ist, dass man als Nachtwächter oder Tröster nicht in Frage kommt. Der Erfolg stellt sich scheinbar ein, indem das Kind den Schlaf der Resignation schläft. Die Chance, dass sowohl die Eltern als auch das Kind aus dem Problem des gestörten Schlafes etwas lernen und auch für sich gewinnen, wird damit aber vertan. Wir sollten die Chance wahrnehmen, die darin liegt, die Kunst zu erwerben, sein Kind schlafen zu lassen.

von Biggi Welter am 06.02.2006



Antwort auf: stillnachfrage eines 11 monate alten babies

Liebe Andrea, mein Enkelkind ist jetzt 9 Monate und schläft auch noch nicht durch. Die Aufwachphasen sind immer abhängig vom Entwicklungsstand. Meine Enkelin lernt gerade sitzen - und manchmal hat man das Gefühl, dass sie nachts auch noch übt (sogar im Schlaf). Und wehe es klappt dann nicht! Dann heult dieses Kind auch mal eine Runde, um sich 10 Minuten später auf die Seite zu rollen und friedlich zu schlafen. Sie geht um 19.30 Uhr ins Bett und verlangt dann zwischen 23.00 und 1.00 nochmal Nahrung. Meistens nur ca. 100g. Von Lili hören, Flasche fertigmachen (kleine Küche am Elternbett*grins*), Flasche geben, kuscheln bis Kind schläft wieder, vergehen max. 15 Minuten. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was bei uns los wäre, wenn wir jetzt Änderungen einführen würden. Lili wäre äußerst irritiert und wir schlaflos! Lassen Sie sich nicht verunsichern! So, wie Sie es machen, ist es supergut! Liebe Grüße Martina Höfel

Mitglied inaktiv - 07.02.2006, 10:00