Ständiges stillen?

 Kristina Wrede Frage an Kristina Wrede Stillberaterin

Frage: Ständiges stillen?

Liebe Experten, Mein Baby ist nun 3 Wochen alt und es gibt fast jeden Tag Phasen - oft abends oder manchmal morgens - wo er weint, sich aber sofort beruhigt, wenn ich ihn anlege. Das kann dann schonmal dazu führen dass ich alle 20 min am stillen bin. Er nuckelt dann nicht nur, sondern trinkt richtig. Nun habe ich aber teilweise auch das Gefühl, dass er Blähungen hat. Er pupst jedenfalls viel und verzieht auch gerne mal kurz das Gesicht und beugt den Rumpf, manchmal weint er dabei, und entspannt sich wenn die Luft dann rausgeht. Macht man durch das dauernde stillen so eine Art Teufelskreis aus Bauchweh und trinken wollen, was dann wieder das Bauchweh verstärkt? Oder hat er wirklich noch Hunger bzw ist das in Ordnung ihn so viel anzulegen? Mein Freund ist da nämlich immer etwas skeptisch. Aber es ist halt am "einfachsten" für mich ihn trinken zu lassen, statt den ganzen Abend ein weinendes Baby zu haben. Ich er sehr froh um Rat!

von Mirjanawalli am 02.11.2015, 19:32



Antwort auf: Ständiges stillen?

Liebe mirjanawalli, mit drei Wochen darf dein Baby auch noch rund um die Uhr stillen. Wenn du bedenkst, dass er bis zur Geburt 9 Monate lang ununterbrochen versorgt wurde, dann ist jetzt schon jede Pause zwischen zwei Stillmahlzeiten eine Leistung!! Es ist ein Ammenmärchen, also eine Unwahrheit, dass "frische Milch auf alte Milch" Bauchweh beim Baby verursachen würde. Doch woher kommt diese Meinung? Die Vorstellung, dass der Magen zwischen zwei Mahlzeiten vollständig geleert werden müsse, geht wahrscheinlich auf den Kinderarzt Prof. Adalbert Czerny (1863 – 1941) zurück, vor allem auf das, was er in seiner 1893 erschienen Veröffentlichung „Die Ernährung des Säuglings auf Grundlagen der physiologischen Funktionen des Magens" und seinem 1922 veröffentlichten Buch „Der Arzt als Erzieher des Kindes" geschrieben hat. Czerny hielt es einerseits für absolut notwendig feste Abstände zwischen den Stillmahlzeiten einzuhalten, damit sich zwischen den Mahlzeiten der Magen komplett entleert und sich die Magensäure (Salzsäure) ansammeln und antiseptisch wirken kann und andererseits maß er dem streng einzuhaltenden Stillrhythmus einen hohen erzieherischen Wert bei. Nach seinen Beobachtungen entwickelten sich mit künstlicher Säuglingsnahrung (zur damaligen Zeit überwiegend Kuhmilch) gefütterte Babys besser, wenn zwischen den Mahlzeiten ein Abstand von vier Stunden eingehalten wurde. Daraus schloss er, dass es auch für gestillte Kinder besser sei, einen Mindestabstand und festen Rhythmus einzuhalten. Nachdem er festgestellt hatte, dass Muttermilch nach eineinhalb bis zwei Stunden den Magen vollständig verlassen hatte und Kuhmilch nach drei Stunden, legte er die Abstände der Mahlzeiten für gestillte Kinder auf mindestens drei Stunden, für kuhmilchgefütterte Kinder auf mindestens vier Stunden fest. Es wurde – wie so oft – einfach eine Vorgehensweise, die für nicht gestillte Kinder sinnvoll sein konnte, auf gestillte Kinder übertragen und bis heute hält sich die Vorstellung von dem Mindestabstand in vielen Köpfen, zum Leidwesen vieler junger Mütter und ihrer Babys. Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einig, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Altersstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Mit diesem Verhalten aber regen sie die Milchbildung an, so dass sich die Brust dem wachsenden Bedarf anpasst. Lass dich nicht verunsichern, Du machst nichts falsch! Und es wird auch nicht immer so häufig bleiben :-) Lieben Gruß, Kristina

von Kristina Wrede am 02.11.2015



Antwort auf: Ständiges stillen?

Danke für so eine tolle Antwort! Und so schnell :) Liebe Grüße

von Mirjanawalli am 02.11.2015, 20:26