Liebe Frau Welter,
mein Sohn ist 28 Wochen alt und wir haben mit der Beikost einen Tag bevor er 6 Monate geworden ist, begonnen. Davor wurde er voll gestillt. Auch jetzt noch bekommt er, abgesehen vom Mittagsbrei, nur Muttermilch.
Ich persönlich finde stillen sehr wichtig und halte es für das Beste, was ich meinem Kind geben kann. Vor allem weil ich leider einen Kaiserschnitt hatte, halte ich es für umso wichtiger.
Ich genieße unsere Stillzeit sehr (er wird nach Bedarf gestillt). Mein Sohn trinkt und schläft dann auf mir ein und trinkt weiter. Das kann schon 2 Stunden dauern, bis wir fertig sind. Das macht er 2x am Tag so, dazwischen trinkt er nur kurz und am Abend wird er auch in den Schlaf gestillt.
Mein Plan war es so weiterzumachen bis er keine zusätzliche Milchmahlzeit mehr benötigt. Leider leide ich unter Lippenherpes und die Zeit zwischen den Ausbrüchen wird immer kürzer und die Bläschen immer mehr. Mein Hautarzt hat mir eine Tabletten Kur mit Valaciclovir verschrieben. Ein paar Ärzte sagen ich kann es während dem Stillen nehmen und ein paar meinen auf keinen Fall. Ich hab seit der Schwangerschaft auch keine Medikamente genommen und möchte diese Tabletten auch nicht unbedingt in der Stillzeit nehmen. Deswegen habe ich mich schweren Herzens dazu entschieden, abzustillen. Einfach weil ich mein Kind endlich wieder knuddeln und abbusseln möchte (das kann ich schon seit Ende Juni nicht mehr).
Entschuldigen Sie bitte die lange Einleitung, aber ich hab mir gedacht so lernen Sie uns ein bisschen kennen.
Wir haben erst vor 2 Wochen mit der Beikost begonnen. Ist es für mein Baby verwirrend, wenn er jetzt auch noch die Flasche neu dazu bekommt?
Wie soll ich da am besten vorgehen? Immer eine Mahlzeit nach der anderen ersetzen? In welchem Abstand?
Wäre es sinnvoll wenn ich Muttermilch abpumpe und einfriere damit er länger was davon hat? Aber da hab ich schon im Forum gelesen dass sie dann seifig schmecken kann. Außerdem passt sich eine abgepumpte Milch nicht mehr den Verhältnissen an.
Muss ich dann nach dem Abstillen mit mehr Infekten rechnen oder ist das Immunsystem dann eh schon stark genug?
Welche Flaschen würden Sie empfehlen? Geben möchte ich auf jeden Fall nur Pre Nahrung damit ich weiterhin nach Bedarf füttern kann.
Bitte entschuldigen Sie die vielen Fragen. Aber ich hab bis jetzt immer gedacht ich brauche kein Fläschchen und habe mich damit nie auseinandergesetzt.
Vielen herzlichen Dank schon im Voraus für die Antwort.
Liebe Grüße
Karin
von
Karin1110
am 29.08.2016, 09:24
Antwort auf:
Abstillen und Beikoststart
Liebe Karin,
leider wird Medikamentenrisiko häufig überbewertet und die Konsequenzen, die ein plötzliches Abstillen für das Kind mit sich bringen, werden häufig unterschätzt. Tatsächlich kommt es selten zu Symptomen einer gesundheitsschädigenden Wirkung von Medikamenten über die Muttermilch. Die Risikoinformationen in Beipackzetteln und Einschätzungen in Arzneibüchern sind irreführend und geben keine Hilfestellung bei der Wahl einer adäquaten Therapie. Für die meisten Erkrankungen stehen Medikamente zur Verfügung, die mit dem Stillen zu vereinbaren sind.
Ich kann und darf keine Medikamente empfehlen, da sind der Apotheker oder dein Hausarzt die besten Ansprechpartner.
Bei Fragen zur Vereinbarkeit von Medikamenten und Stillzeit (und natürlich auch Schwangerschaft) kann und sollte sich ein Arzt oder Apotheker direkt an das Berliner Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie ("Embryotox") wenden, das unter der Telefonnr. 030 30308 111 erreichbar ist, per mail unter mail@embryotox.de, oder online unter www.embryotox.de bzw. http://www.bbges.de/content/index024a.html.
Was ich tun kann, ist dir folgenden Text aus "Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit" (Spielmann, Schaefer, 7. Auflage 2006) zu zitieren, der viele Antworten enthält:
"Aciclovir, antiretrovirale Mittel und andere Virustatika
Erfahrungen. Von Aciclovir (Zovirax®), M/P-Quotient 2-4, nimmt der voll gestillte Säugling maximal 1 % einer oralen mütterlichen gewichtsbezogenen Dosis auf (Meyer 1988). Unter i.v. Gabe von täglich 900mg sind es durchschnittlich 5% (Bork 1995). Toxische Symptome wurden nicht beobachtet (Taddio 1994, Meyer 1988). Das Risiko einer Beeinflussung des Immunsystems durch Exposition über die Muttermilch erscheint nach derzeitigen Erfahrungen recht unwahrscheinlich.
Bei Valaciclovir (Valtrex®), einem oral besser verfügbaren Prodrug des Aciclovirs konnte bei 5 Müttern, die 2-mal täglich 500 mg erhielten, weder im mütterlichen Serum noch in der Milch die Originalsubstanz nachgewiesen werden, weil diese rasch zu Aciclovir umgebaut wird. Die höchsten Werte (von Aciclovir) in der Milch fanden sich etwa 4 Stunden nach der Applikation, ein M/P-Quotient bis 3,4 ließ sich errechnen. Selbst den höchsten gemessenen Individualwert in der Milch berücksichtigend, beträgt die relative Dosis für ein voll gestilltes Kind lediglich 5,7%. Legt man die in der Neonatologie therapeutisch verwendeten Dosierungen als Vergleichsgröße zugrunde und berücksichtigt die geringe orale Verfügbarkeit des Aciclovir, so ergeben sich lediglich 0,6% einer pädiatrischen Dosis für den Säugling via Muttermilch. Im Urin der untersuchten Säuglinge fanden sich durchschnittlich 0,74 µg/ml unter Steady-state-Bedingungen (Sheffield 2002).
Bei 20 Mutter-Kind-Paaren unter mütterlicher antiretroviraler Therapie mit Nevirapin (Viramune®), Lamivudin (Epivir®) und Zidovudin (Retrovir®) wurden M/P-Quotienten zu diesen Substanzen von 0,7, 3,3 und 3,2 errechnet. Im Serum der Kinder fanden sich vom Nevirapin mit 971 ng/ml hohe Werte, die denen entsprechen, die nach direkter Applikation einer Dosis von 2 mg/kg erreicht werden. Die Autoren diskutieren daher sowohl einen vor Infektion schützenden als auch potenziell toxischen bzw. Resistenzen erzeugenden Nevirapin-Transfer via Muttermilch. Bei Lamivudin wurden jedoch mit durchschnittlich 28 ng/ml nur 5% einer therapeutischen Konzentration im kindlichen Serum erreicht. Der Zidovudin-Transfer zum Kind konnte nicht bewertet werden, weil die Säuglinge zur Infektionsprophylaxe Zidovudin auch therapeutisch erhielten (Shapiro 2005).
Zu den anderen Virustatika, wie z. B. Adefovir (Hepsera®), Amantadin (z.B. Amantadin STADA®), Atazanavir (REYATAZ®), Brivudin (Zostex®), Cidofovir (VISTIDE®), Famciclovir (Famvir®), Fosamprenavir (Telzir®), Foscarnet-Natrium (z.B. Foscavir®), Ganciclovir (Cymeven®), Ribavirin (Virazole®) und Zanamivir (Relenza™) sowie zu den antiretroviralen Substanzen Abacavir (Ziagen®), Delavirdin, Didanosin (Videx®), Efavirenz (SUSTIVA®), Indinavir (CRIXIVAN® Nelfinavir (VIRACEPT®), Ritonavir (Norvir®), Saquinavir (INVIRASE®), Stavudin (Zerit®), Tipranavir (Aptivus®) und Zalcitabin (HIVID Roche®) können keine Angaben zur Verträglichkeit in der Stillzeit gemacht werden.
Empfehlung für die Praxis; Bei äußerlicher und systemischer Applikation von Aciclovir oder Valaciclovir kann gestillt werden. Die übrigen Virustatika und antiretroviralen Substanzen erfordern, falls wirklich in der Stillzeit indiziert, eine individuelle Entscheidung. Beispielsweise erscheint bei zwingend erforderlicher Therapie einer chronischen Hepatitis B mit Lamivudin Stillen nach Simultanimpfung des Kindes (siehe Kapitel 4.15) akzeptabel. Bei den speziell für HIV-Infektionen eingesetzten Mitteln ist neben der potenziellen Toxizität dieser Mittel zu bedenken, dass generell nur in solchen Regionen das Stillen ausdrücklich empfohlen wird, in denen die schlechte Wasserhygiene bei der Herstellung von Fertignahrung das größere Risiko für den Säugling darstellen würde als das Infektionsrisiko über die Muttermilch (siehe dort).“
Wenn Du trotzdem abstillen möchtest, kannst Du ganz langsam eine Mahlzeit nach der anderen durch Pre-Milch ersetzen, eine Mahlzeit pro Woche klappt meist gut.
Du kannst auch noch Milch abpumpen und diese zusätzlich geben.
Welche Flaschen dein Kind am liebsten mag, musst Du selbst ausprobieren.
Sobald sich die Brust gespannt anfühlt oder schmerzt, solltest Du entweder gerade so viel Milch ausstreichen, dass die Spannung nachlässt oder (falls die Brust nicht gestaut ist und "nur" schmerzt) die Brust kühlen. Bitte streiche wirklich nicht mehr aus, als unbedingt notwendig, sonst wird die Milchproduktion wieder angeregt. Deine Brust wird sich daran gewöhnen, dass die Nachfrage nicht mehr gegeben ist und die Milchproduktion immer weiter verringern und schließlich ganz einstellen., aber sie braucht etwas Zeit dazu.
Es ist auch empfehlenswert, den Salzkonsum während des Abstillens einzuschränken. Es ist nicht notwendig die Flüssigkeitszufuhr einzuschränken, trinke entsprechend deinem Durstgefühl.
Ein Einschränken der Trinkmenge (wie es leider immer noch häufig empfohlen wird) ist nicht empfehlenswert. Trinke entsprechend deinem Durstgefühl. Was hingegen hilfreich sein kann, ist das Einschränken des Kochsalzkonsums.
Auch solltest Du keinesfalls die Brust hochbinden. Was hilfreich sein kann ist ein gut sitzender, stützender BH, der jedoch keinesfalls einengen darf.
Wenn Du keine Probleme mit einer prallen, schmerzhaft spannenden Brust oder einem Milchstau usw. (mehr) hast, besteht kein Handlungsbedarf mehr. Deine Brust wird ganz allmählich die Milchproduktion vollständig einstellen und noch in der Brust vorhandene Milch wird vom umgebenden Gewebe resorbiert werden. (Keine Sorge, die Milch in der Brust wird nicht `schlecht").
Falls Du dich für naturheilkundliche oder homöopathische Mittel zur Unterstützung des Abstillprozesses interessierst, wende dich bitte an einen entsprechend ausgebildeten Arzt oder eine Hebamme.
Bitte doch deinen Arzt noch einmal, sich mit embryotox in Verbindung zu setzen, es ist schade, dass Du so verunsichert wirst und ans Abstillen denkst
Alles alles Gute für Euch!
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 29.08.2016