Beschäftigungsverbot während der gesamten SS?
Lieber Dr.Bluni,
Frau Bader riet mir Ihnen die Frage zu stellen.Ich arbeite in NRW therapeutisch in einer Erziehungs-und Familienberatungsstelle.Meine Klienten sind zwischen 0 und 99 Jahren,also jedes Alter.
Nun hat der Betriebsarzt einen Antikörpertest durchgeführt und ich habe keinen Antikörperschutz gegen Ringelröteln Keuchhusten und Cytomegalie. Der Betriebsarzt empfiehlt,dass ich bis zur 20.Ssw. Nicht mit Kindern unter 6 arbeiten darf. In der Vergangenheit hatten wir jedoch auch Kinder mit Ringelröteln,die im Grundschulalter waren.
Meine Frauenärztin kann die Entscheidung nicht verstehen und meint,dass ich eigentl. Die gesamte Schwangerschaft Beschäftigungsverbot bekommen sollte und nicht nur für Kinder unter 6jahren.
Wie ist es rechtlich,darf ich die gesamte Schwangerschaft nicht arbeiten? Hat der der Arbeitgeber das letzte Wort, das Amt für Arbeitsschutz oder kann meine Gynäkologin das Beschäftigungsverbot aussprechen.
Ich habe groß Angst mich anzustecken,weil ich oft mit verhaltensauffälligen und distanzlosen Kindern arbeite.
Danke für ihre Antwort
von
Hasenbande
am 18.10.2013, 14:47
Antwort auf:
Beschäftigungsverbot während der gesamten SS?
Hallo,
1. ist das sicher nicht ganz einfach zu beantworten und im Vordergrund steht bei Ihnen nach meinem Dafürhalten der fehlende Immunschutz, wenn wir annehmen dürfen, dass die Kinder, von denen Sie reden, nicht aggressiv Ihnen gegenüber sind oder gar gewalttätig. Denn das wäre wohl schon ein Grund, Sie entsprechend komplett freizustellen.
2. die meisten öffentlichen Arbeitgeber sind beim Aussprechen eines Beschäftigungsverbotes wegen fehlender Immunität gegenüber diversen Viruserkrankungen erfahrungsgemäß sehr streng und sprechen ein solches über den zuständigen Betriebsmediziner dann auch für die komplette Schwangerschaft aus.
Denn theoretisch besteht ja auch nach der 20.SSW immer noch ein Restrisiko einer Infektion mit CMV, Ringelröteln und Keuchhusten, wenn Sie keine Immunität besitzen, selbst, wenn danach gravierende Folgen eher seltener zu beobachten sind.
3. Hinsichtlich der Ringelröteln gibt es Experten, die sagen, dass wegen der sehr geringen Häufung ein komplettes Beschäftigungsverbot nicht gerechtfertigt sei, sondern nur bei einer bekannten Fallhäufung in der Umgebung (Quelle: Univ. Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. F. Hofmann, 2009 Diplom - Chemiker Facharzt für Arbeitsmedizin, Fachbereich D / Abt. Sicherheitstechnik, Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz. Literatur: Gärtner, B. et al.: Die Parvovirus B19-lnfektion in der Kinderbetreuung: Auswirkungen eines Beschäftigungsverbots, Bundesgesundheitsblatt 2007)
4. ähnlich wird von den Experten bei der Cytomegalie (CMV) argumentiert: eine solche Freistellung könnte alternativ höchstens dann für die gesamte Schwangerschaftsdauer erwogen werden, wenn Kinder unter drei Jahren betreut werden, da bei diesen die Infektionsinzidenz relativ hoch ist. (Quelle: Univ. Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. F. Hofmann, 2009 Diplom - Chemiker Facharzt für Arbeitsmedizin, Fachbereich D / Abt. Sicherheitstechnik, Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz)
5. bezüglich fehlender Immunität gegenüber einer Mumpserkrankung wird laut aktueller Rechtsprechung wohl davon ausgegangen, dass während der kompletten Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot auszusprechen ist (Quelle: Urteil des Verwaltungsgerichtes Koblenz vom 9. April 2003; Az.: 5 K 1811/02.KO, Internetadresse dazu: http://www.jurawelt.com/gerichtsurteile/pressemitteilungen/oerecht/vg/283265/7737 ,
Letzter Abruf 18.10.2013.
6. vom Thüringer Landesschutz und technischen Verbraucherschutz gibt es darüber hinaus ein sehr informatives Merkblatt, wie die genauen Zeitenregelungen aussehen sollten, wenn entsprechende Immunitäten nicht vorliegen.
Dieses finden Sie hier:
http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tmsfg/abteilung5/arbeitsschutz/merkbl_vorsorgekita.pdf
Letzter Abruf: 18.10.2013
Wie Sie sehen, ist es nicht ganz trivial. Ich denke aber, dass Sie dazu mit Ihrer Frauenärztin/Frauenarzt und dem Arbeitgeber eine einvernehmliche Regelung finden werden.
Liebe Grüße
VB
von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 18.10.2013