Sehr geehrter Herr Doktor Paulus, in wie weit werden Chemotherapeutika über die Haut/ den Speichel ausgeschieden? Ich habe länger auf einer gastroenterologischen Station gearbeitet und dabei auch meine alte Grundschullehrerin als Patientin betreut. Sie hatte Krebs mit vielen Metastasen, v. a. im Bauchfell. Der eigentliche Tumor wurde nie gefunden, weil er vermutlich so klein war. Ich glaube, es war ein neuroendokriner Tumor, bin mir aber nicht sicher. Als wir uns das letzte Mal sahen, durfte sie nach der Chemo nach Hause gehen. Ich war ich schon schwanger, habe aber nur noch Bürokram erledigt. Sie sah mich, umarmte mich und gab mir einen Kuss, ich weiß nicht mehr, ob auf die Haar oder die Wange. Ein paar Wochen später kam Corona und ich wurde ins Beschäftigungsverbot geschickt, weil kein Platz mehr für mich da war. Es war vermutlich also im 3./4. Monat. Sie starb vorgestern an einer Sepsis nach den Chemos. Ich denke jetzt an sie, bin traurig. Aber ich denke plötzlich auch daran, dass wir kurz nach einer Chemo Körperkontakt hatten. Damals war mir das überhaupt nicht als bedenklich für mein Baby aufgefallen. Ich weiß auch nicht, ob ich an dem Tag noch geduscht habe oder die Haare wusch, wo sie hin küsste. Ich weiß noch, dass es sehr warm war, weil die Station generell sehr war ist, weil die Heizkörper nicht auf die starke Sonne vormittags reagieren und wir beide ein wenig verschwitzt waren. Daher mache ich mir Sorgen, wegen des Schweißes, der spürbar war und dem Speichel beim Kuss. In meinem Kopfkino bin ich mir hinterher bestimmt tagelang bis zum Haarewaschen immer mal mit den Händen durch die Haare gefahren und habe danach etwas gegessen oder meine Großen (damals 4 und 2 Jahre alt) angefasst bzw. Essen gemacht. Sind die Mengen, die so ausgeschieden werden groß genug, um Schaden verursachen zu können? Blöderweise muss ich auch daran denken, wie oft ich auf Station unter Studenten oder Schülern sehe, dass Chemos an- und abgehängt werden ohne Handschuhe oder ohne diese auszuziehen, bevor die Türklinken angefasst werden oder die Akten, die ich dann auch mal in der Hand habe. Vielleicht habe ich so doch einiges abbekommen, obwohl ich schwangerschaftsbedingt nur Schreibkram und Büroarbeit erledigt habe und eigentlich keinen Patientenkontakt hatte.
von Hettie am 25.09.2020, 11:49