Thema:
Zu viele Erinnerungen...
Es ist eine schwierige Zeit für mich jetzt. Ich weiß oft nicht weiter, ich bin so voller Zweifel und Unsicherheit, und dabei bin ich dabei, mir ein neues Leben aufzubauen, überhaupt EIN LEBEN. Ein ganz normales, nichts Besonderes, sondern einfach nur eine eigene Wohnung für die Kinder und mich, eine Arbeit, eine Kinderbetreuung.
Zwischendurch meine ich, dass es gut läuft, freue mich, weil es uns gut geht, und dann...
Und dann kommen dunkle Tage, mal nur gräulich durchschimmernd, mal gewittersturmdunkel, und mal pechschwarz. Wenn ich in alte Muster verfalle und vergesse, dass ich etwas wert bin. Wenn ich denke, ich bin keine gute Mutter und kann den Kindern nichts (oder nicht genug) bieten. Wenn ich denke, ich verdiene es nicht, es so gut zu haben. Oder wenn da etwas auftaucht in den Umzugskartons (oh ja, davon habe ich noch einige unausgepackte), was Erinnerungen hochsteigen lässt. Wie es war, damals, in einem anderen Leben, damals, als man es gar nicht "Leben" nennen konnte. Wie es war, als mein Ex noch nicht mein Ex war. Wie es war, als mein Ex schon mein Ex, aber noch am Leben war. Und wie es war, als er nicht mehr am Leben war.
Und ich habe Angst. Ich habe immer noch Angst, wenn ich mir denke, es war so furchtbar knapp. Beinahe wäre ich bei ihm geblieben. Dann wäre ich jetzt noch da. Dann wäre ich jetzt noch ohne Leben. Und ab und zu habe ich Angst, vielleicht sei er doch gar nicht tot, vielleicht hat die Polizei einen Fehler gemacht und er ist in Wirklichkeit aber am Leben, und dann kommt er und findet uns und dann ist alles wieder so, wie es war. Natürlich weiß ich, dass es Quatsch ist. Und ich wünschte ihm auch, dass er am Leben bleibt, und jetzt wünsche ich ihm, dass er zumindest keine Schmerzen mehr hat, nicht mehr leiden muss.
Und ich wünsche uns, und mir, dass es uns gut geht, dass wir glücklich sein können, dass wir ein normales Leben haben.
von
Ivdazo
am 26.12.2020, 06:30
Hallo liebe AP,
wenn du leider so schreckliche Erlebnisse hattest mit deinem Ex, dann sind wiederkehrende Existenzängste und Co., denke ich mal, ganz normal.
Vielleicht solltest du dir, um alles aufzuarbeiten, Hilfe durch einen Psychologen o.ä. Person holen, damit deine "Verstimmungen" nicht stärker werden und du deine Kinder nicht mehr richtig versorgen kannst. Und natürlich auch für dich, um wieder mehr Selbstbewußtsein zu erlangen und zu sehen, was du alles geleistest hast.
Vielleicht hilft dir auch ein ermutigender Spruch am Spiegel und/ oder autogenes Training. Ich meine irgendetwas, was DIR gut tut und bei dem du mal für mindestens 30 Minuten Zeit hast nur für dich, um Kraft zu tanken.
Lg Seerose
von
seerose1979
am 26.12.2020, 09:21
Hallo,
ich finde es sehr authentisch und ehrlich von Dir, wie Du Deine Gefühlslage beschreibst. Deshalb wollte ich gern einen Gedankenanstoß geben. Ich finde es jetzt wichtig, dass Du einmal genau hinschaust, wo Deine negativen Gefühle eigentlich herkommen. Klar, auf den ersten Blick scheinen sie von den schlechten Erinnerungen zu kommen. Aber das stimmt nicht ganz. Dass Du Dich oft noch schlecht fühlst, liegt nicht nur an Deinem Ex und an dem, was er alles getan oder nicht getan hat. Sondern die Ursache für all das liegt viel früher, schon VOR der Begegnung mit Deinem Ex.
Weil Du schon damals ein nicht sehr starkes Selbstwertgefühl hattest, hast Du Dir auch einen Mann ausgesucht, der nicht gut für Dich war. Wo andere Frauen früh Reißaus genommen hätten, hast Du vermutlich viele Warnschilder übersehen. Das passiert oft, zum Beispiel, wenn man unbewusst schlechte Muster aus der Kindheit wiederholt. Der eigene Vater, die eigene Mutter hat einen vielleicht oft auch schon abwertend oder lieblos behandelt, und dann sucht man sich einen Mann, der auf andere Weise dasselbe tut. Weil man unbewusst glaubt, man verdiene es nicht besser.
Es ist deshalb wichtig zu verstehen, dass die Ursachen für Deine Beziehungs-Misere nicht im Außen lagen und dass sie auch kein Zufall waren. Sondern dass es innere Muster in Dir selbst waren, die sich im Außen manifestiert haben. Das ist auch der Grund, warum es Dir immer noch oft schlecht geht, obwohl Dein Ex ja gar nicht mehr da ist. Die inneren, dunklen Muster sind eben teilweise trotzdem noch aktiv, weil sie älter sind, als Eure Beziehung.
Das zu erkennen, ist eine große Chance. Denn nur so kannst Du jetzt endlich bewusst neue, helle Muster aktivieren, die Dir gut tun. So kannst Du auch außen ein immer zufriedeneres, freieres Leben führen. Und nur so wirst Du Dir eines Tages einen Mann wählen können, der wirklich gut für Dich ist und Dir gut tut.
Wenn Du allmählich ein helles, gesundes Selbstwertgefühl in Dir wachsen lässt, wirst Du Menschen anziehen, die dazu passen. Du wirst keinen Mann brauchen, um glücklich zu sein, sondern Du wirst in Dir selbst genug Halt und Stärke haben. Und genau deshalb wirst Du keine falsche Wahl mehr treffen. Sondern es wird dann eines Tages einer kommen, der Dich wirklich auf gesunde Weise lieben kann.
Und verliere nicht den Mut durch dunkle Stimmungen. Jeder Mensch hat neben all den Verbiegungen durch seine schlechten Erfahrungen immer auch einen hellen Kern in sich. Der kann nicht beschädigt werden, durch gar nichts. Er ist manchmal verschüttet, aber er ist immer da. Auch in Dir. Man muss sich also nichts einreden oder sich verbiegen oder versuchen, irgendwie einen neuen Menschen aus sich zu machen. Man braucht einfach nur das Helle, Heile, Intakte und Gesunde in sich wiederzuentdecken, das immer da ist. Dann verlieren die alten Schatten ihre Macht.
Das geht nicht von jetzt auf gleich, aber es kommt. Vielleicht übst Du ein wenig das Bild eines hellen Samenkorns in Deiner Seele, dass jetzt schon seit einiger Zeit kräftig keimt und sich immer mehr dem Licht und der Freude entgegenreckt. Gerade jetzt an Weihnachten, dem Lichtfest, ab dem die Tage wieder länger werden und bald ein neues, junges Jahr beginnt, geht das besonders gut. Das neue Jahr ist ein unbeschriebenes Blatt, das darauf wartet, dass Du schöne Dinge darauf malst. Jeden Tag ein kleines Detail.
Alles Liebe und noch einen schönen zweiten Weihnachtstag 
von
Windpferdchen
am 26.12.2020, 11:17
Danke Euch für die aufbauenden Worte!
Hilfe vom Psychologen habe ich schon in Anspruch genommen, jetzt im Moment nicht, bis Corona etwas nachlässt. Ist natürlich sinnvoll, da ich viele Baustellen habe, auch noch aus meiner Jugend, vielleicht sogar aus der Kindheit.
Ich weiß auch, dass mir im Moment der verstärkte Kontakt zu meiner Mutter so gar nicht gut tut, aber leider kann ich ihn nicht pausieren, das würde viel mehr Stress (Schuldzuweisungen etc. etc. etc. etc.) bedeuten, als ich Kraft habe. ich halte es so oberflächlich, wie ich es schaffe, und bin froh, dass ich noch andere Leute um mich habe, die mich nach jedem Kontakt zu meiner Mutter wieder auffangen können, sonst wäre ich längst durchgedreht. Sie meint es ja gut auf ihre Art und Weise, aber sie kann nicht verstehen, und wird wohl nie verstehen können, dass es nicht immer hilfreich ist, das zu sagen, was man für die Wahrheit hält; und dass es einen Unterschied gibt zwischen konstruktiver Kritik und destruktiver Kritik.
Was meine Männerwahl angeht, nun, ich kenne die Gründe für meine Partnerwahl, und ich arbeite daran, aber ich will sie nicht wirklich ehrlich im Internet ausbreiten, auf der anderen Seite ist es weder höflich noch hilfreich, hier Halbwahrheiten zu schreiben, also lasse ich es. Rein objektiv und emotionslos betrachtet, war meine Beziehung gar nicht schlimm, es gäbe wahrscheinlich Millionen Frauen weltweit, die mich darum beneidet hätten. Für mich war es aber das absolut Falsche.
von
Ivdazo
am 26.12.2020, 14:17
