Frage: Stillen nur noch Nachts

Guten Tag, meine Frage ist die folgende: Meine Tochter ist 5 Monate alt und verlangt in der Nacht immer noch 1 bis 3 mal die Brust. Zumindest denke ich dass, da sie aufwacht und sich bemerkbar macht und von alleine auch so schnell nicht wieder einschläft. Es sei denn, ich stille sie. Ich höre von anderen Kindern, die schon durchschlafen in dem Alter oder zumindest keine Mahlzeit mehr nachts verlangen. Sollte ich ihr das nächtliche Trinken abgewöhnen und wenn ja, wie? Und zweiter Teil meiner Frage: Ich möchte langsam aber sicher mit dem Abstillen beginnen, allerdings würde ich in der Nacht - falls verlangt - gerne weiterstillen, da mir die Zubereitung einer Flasche nachts zu lange dauert und zu lästig ist. Ist es möglich über einen längeren Zeitraum nur noch 1 bis 2mal täglich sprich nur Nachts zu stillen, so dass noch genug Milch herauskommt oder soll ich es dann lieber ganz bleiben lassen? Und dritte und letzte Frage: Es ist oft so, dass meine Tochter beim Stillen lieber in der Gegend herum schaut, Gegenstände entdeckt und dann unsanft von meiner Brustwarze ablässt, indem sie den Kopf verdreht oder sie versucht mit mir herum zu albern und dreht den Kopf in meine Richtung. Anfangs dachte ich: Ok, dann hat sie wohl keinen richtigen Hunger, aber wenn ich sie dann von der Brust wegnehme, ist das Geschrei groß. Woran kann so etwas liegen? Es ist ruhig im Raum und ich spreche sie auch nicht an. Trotzdem passiert das. Wie kann ich es schaffen, dass Sie sich auschließlich aufs Trinken konzentriert? Vielen Dank im voraus!

Mitglied inaktiv - 26.07.2010, 22:09



Antwort auf: Stillen nur noch Nachts

Liebe sani97, es ist abgesehen von der Anwendung der sehr umstrittenen und von Stillexperten einhellig abgelehnten Schlaftrainingsprogrammen nicht möglich ein Kind an das Durchschlafen zu gewöhnen, ehe es nicht von selbst dazu reif ist. Es ist ja auch nicht möglich ein Kind an das freie Laufen oder das Sprechen zu gewöhnen. All diese Fähigkeiten entwickelt jedes Kind dann, wenn der für das jeweilige Kind richtige Zeitpunkt gekommen ist. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab einem bestimmten Alter nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die mit einem halben Jahr noch nicht so weit sind. So wie manche Kinder bereits mit elf Monaten laufen und andere damit erst mit 16 Monaten beginnen, so entwickeln sich auch alle anderen Dinge bei jedem Kind individuell verschieden und diese Entwicklung lässt sich begleiten, aber nicht beschleunigen. In einem amerikanischen Buch über die Entwicklung von Kindern (Aldrich: „Babys are Human Beeings"‘) habe ich einmal den wichtigen Satz gefunden „Damit Kinder sich gut entwickeln können, sind liebevolle Fürsorge und ein beständiges, direktes Eingehen auf ihre Bedürfnisse so ausgesprochen wichtig". Das steht zwar manchmal im Widerspruch zu unserem „modernen, westlichen" Lebensstil, aber es zahlt sich langfristig aus. Es gib Frauen, die mit einmaligen Stillen innerhalb von 24 Stunden problemlos die Milchmenge weiter bilden, die sie für Ihr Kind benötigen, bei anderen Frauen reicht eine nur mehr ein oder zwei Mal tägliche Stimulation der Brust nicht mehr unbedingt aus, um die Milchproduktion weiterhin auf dem erforderlichen Niveau aufrecht zu erhalten. Wie dies im Speziellen bei Ihnen ist, kann ich nicht beurteilen. Ist Ihre Tochter gerade in einer „Entdeckerphase"? Manche Babys sind bereits so früh extrem an ihrer Umwelt interessiert und haben einfach keine Zeit ordentlich an der Brust zu trinken. Sie könnten ja etwas verpassen von dieser interessanten Welt. Hier hilft es, sich zum Stillen in eine ruhige, eventuell abgedunkelte Umgebung zurückzuziehen, so dass es wenig gibt, was das Kind ablenken könnte. Bei Babys, die sich beim Stillen überstrecken und aufbäumen hat es sich bewährt sie zu „bündeln". Dazu wickeln Sie das Kind gut in eine Decke ein, so dass seine Schultern nach vorne geneigt und die Arme unterhalb der Brust gekreuzt sind. So kann es den Kopf nicht zurückwerfen. Bei manchen Babys bewährt es sich, wenn die Decke unten offen bleibt, so dass die Füße frei bleiben. Wenn Sie Ihr Baby auf diese Weise eingepackt haben, sieht es wie ein „C" aus, mit dem Kinn auf der Brust und angezogenen Beinchen. Häufig reicht diese Maßnahme aus, das Baby zu beruhigen und es trinkt dann besser an der Brust. Manche Babys brauchen anscheinend das Gefühl umhüllt und gehalten zu sein. LLLiebe Grüße, Biggi

von Biggi Welter am 27.07.2010



Antwort auf: Stillen nur noch Nachts

Danke für die ausführliche Antwort. Da hilft wohl tatsächlich nur Geduld mit dem Durchschlafen. Wollte mich auch nur vergewissern, dass es nicht grundsätzlich falsch ist, ein 5 Monate altes Kind so oft nachts zu stillen. Eine kleine Nachfrage noch: An manchen Tagen - vorallem an sehr heißen Tagen - hat meine Kleine ein scheinbar unbändiges Verlangen nach der Brust - vielleicht auch zum Trösten. Ich habe sie manchmal fast anderthalbstündlich anlegen müssen. Da ich gehört habe, dass man ein Kind nicht mit Muttermilch überfüttern kann, denke ich das ist an manchen Tagen ok, oder? Ich bemühe mich grundsätzlich sie nur alle drei Stunden zu stillen, aber manchmal ist das wie gesagt nicht möglich - gerade wenn sie sehr quengelig ist. Ich nutze die Brust also quasi auch, um sie zu beruhigen. Hoffe, das ist ok?

Mitglied inaktiv - 27.07.2010, 14:04



Antwort auf: Stillen nur noch Nachts

Liebe sani97, Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt. Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am Besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte. Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das „Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch. Die Statur der Kinder ist genetisch festgelegt und bei einem Kind das nach Bedarf gestillt wird, ist nicht zu befürchten, dass dadurch der Grundstein für ein späteres Problem mit Übergewicht gelegt wird. Im Gegenteil, Stillen schützt vor Übergewicht. Das heißt jedoch nicht, dass nicht auch ein gestilltes Baby zwischendurch wie ein kleiner uddha aussehen kann. Im Gegensatz zur (industriell) stark weiterverarbeiteten Nahrung enthält Muttermilch keine leeren Kalorien. Es gibt keinen Beweis dafür, dass ein gestilltes Kind, das rasch zunimmt, als Erwachsener Gewichtsprobleme haben wird. Im Gegenteil es gibt mehrere Untersuchungen, die zeigen, dass Stillen eindeutig vor Übergewicht schützt und dass dieser Schutz nicht nur im Kindesalter sondern auch beim Erwachsenen anhält. Das Fett, das sich in der relativ passiven Phase vor dem Krabbelalter möglicherweise ansammelt, stellt einen Vorrat für die sehr aktive Phase dar, in der das quirlige Krabbelkind keine Zeit zum Essen haben will. Im Alter von ein bis zwei Jahren werden die Kinder, die schnell zugenommen haben, gewöhnlich von alleine schlanker. Gerade Kinder, die nach Bedarf gestillt werden, behalten ein gutes Gefühl dafür, wann sie satt sind, denn sie entscheiden ja selbst, wann und wieviel sie trinken. Also keine Sorge, durch das Stillen nach Bedarf wird sicher nicht den Grundstein für spätere Gewichtsprobleme gelegt. LLLiebe Grüße Biggi Welter

von Biggi Welter am 27.07.2010