Benny liebt es, das rosa Kleidchen seiner Schwester anzuziehen, dann klippst er sich ein Haarspängchen in seine kurzen Haare und würde gern spazieren gehen. Sind das vielleicht erste Anzeichen, dass der 3-Jährige sich als Mädchen fühlt?
Müssen wir uns Gedanken über Transsexualität machen?
Genau diese Frage stellen sich Eltern immer wieder: "Mein Tochter ist erst 4 Jahre alt und sagt mir seit ein, zwei Monaten, dass sie lieber ein Junge wäre! Sie hat schon immer lieber Dinosaurier, Ritter, Piraten usw. gemocht anstatt typisches Mädchenzeug", berichtet eine Mama unserem Kinderarzt Dr. Busse. "Mein 2,5-Jähriger kam jetzt schon ein paar Mal, er wäre ein Mädchen und er würde Rosa ganz toll finden und letzte Woche meinte er, dass er auch ein Kleid zum Anziehen möchte. In dem Alter kann er doch eigentlich noch keine Geschlechteridentifikation haben, oder? Sollte man sowas jetzt ernst nehmen oder ignorieren?", fragt eine andere Mama. Eine weitere, deren Sohn am liebsten mit Barbies spielt, hat ähnliche Gedanken und fragt: "Müssen wir uns Gedanken über Transsexualität machen?"
Unsere Expertin Sylvia Ubbens erklärt: "Das Verhalten Ihres Sohnes ist ganz normal. Fast alle Kinder haben Phasen, in denen sie gerne mit Puppen bzw. Mädchen mit Autos spielen. Auch das Verkleiden mit einem für das andere Geschlecht typischen Kostüm gehört für viele Kinder dazu." Kinderarzt Dr. Busse sieht es genauso.
Selbstverständlich muss ein Kind nicht zwangsläufig trans* sein, nur weil es nicht in die stereotype Geschlechterrolle reinpasst. Es gibt zahlreiche Jungen, die zum Beispiel gern mit Puppen spielen, Kleidchen anziehen wollen oder glänzende Augen bei den Glitzer-Schuhen der Freundin bekommen. Neugier und Spielfreude gehören zur kindlichen Entwicklung unbedingt dazu.
Ist das nur eine Phase?
Insgesamt etwa 0,6 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind transidente Menschen, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Transidentität. Die Geschlechtsidentität, also das innere Wissen und Empfinden über die eigene geschlechtliche Zugehörigkeit, ist bei den meisten Menschen identisch mit dem tatsächlichen Geschlecht (cis). Bei manchen Menschen ist dies aber nicht so (z.B. trans oder inter*). In dem Fall wurde ein Kind als Junge geboren und fühlt sich weiblich oder es wurde als Mädchen geboren und fühlt sich männlich. Für Eltern verständlicherweise eine schwierige Situation.
Häufig sind Eltern dann verwirrt und überfordert. Ist das nur eine Phase? Geht das vorüber? Solche Fragen kommen ganz automatisch auf. Das ist ganz normal, deswegen brauchst du kein schlechtes Gewissen zu haben. Bei vielen Trans*personen kommt schon in der frühen Kindheit das Gefühl auf, dass ihr biologisches Geschlecht nicht demjenigen entspricht, mit dem sie sich identifizieren. Bei anderen zeigt sich die Besonderheit auch erst später.
Vergiss bitte nicht: Du hast keinen Einfluss auf die Geschlechtsidentifikation deines Kindes. Eltern können solch eine Entwicklung nicht steuern und nicht verhindern. Man kann niemanden dazu erziehen, bitte schön cisgeschlechtlich und nicht trans* zu sein. Das ist unmöglich. Es gibt also nichts, was Eltern hier für ihr Kind in der Vergangenheit hätten ändern können.
Anzeichen für trans* Kinder
Mögliche erste Anzeichen, dass dein Kind sich nicht identifizieren kann mit seinem Geschlecht könnten folgende Punkte sein, wenn sie über einen längeren Zeitraum auftreten:
- Dein Sohn beharrt darauf, dass es ein Mädchen ist / deine Tochter beharrt darauf, dass es ein Junge ist. Vielleicht sucht er / sie auch einen anderen Namen aus und möchte so angesprochen werden.
- Deine Tochter spielt vorzugsweise mit Jungen, weil sie lieber ein Junge sein möchte / dein Sohn spielt lieber mit Mädchen, weil er gern ein Mädchen wäre.
- Den Sohn liebt es, Röcke und Kleider zu tragen / deine Tochter hasst es, Röcke und Kleider anzuziehen. Dein Sohn mag gern lange Haare haben / deine Tochter wünscht sich einen kurzen Jungenhaarschnitt.
Steh zu deinem Kind und zeige ihm deine Liebe!
Akzeptieren, annehmen, unterstützen - das sind die Dinge, die Eltern in der Situation für ihr Kind tun können. Steh zu deinem Kind und zeige ihm, dass du es lieb hast! So nimmst du ihm schon mal eine große Last ab.
Einen anderen allgemeingültigen Tipp, wie Eltern sich verhalten sollten, gibt es nicht. Jedoch kann es sehr hilfreich sein, mit Experten bzw. Expertinnen, die sich mit der Materie auskennen, zu sprechen. Beratungsstellen sind beispielsweise Trans-Ident e.V. oder Trans-Kinder-Netz. Auch die Universitätskliniken in Hamburg, Münster, Berlin, Frankfurt und München bieten Sprechstunden zu dem Thema an.
Darüber hinaus hilft es dir und deiner Familie sicherlich, mit anderen in der gleichen Situation in Kontakt zu kommen. Dafür gibt es in ganz Deutschland Selbsthilfegruppen, an die du dich wenden kannst. Weiter kann ein Gespräch mit deinem Kinderarzt / deiner Kinderärztin oder einem Psychologen / einer Psychologin sehr unterstützend und informativ sein.
Quellen:
Familie.de: Transgender-Kinder: So könnt ihr euer Kind unterstützen
Regenbogenportal: Geschlechtsidentität und Geschlechtsausdruck
Deutschlandfunkkultur: Geschlechtsidentität: Ich bin doch kein Trend!
transinterqueer.org: Was ist Nicht-Binarität?
genderdings: Wie viele Geschlechter gibt es? 5 wichtige Punkte zum Thema Geschlechtsidentität