Innenrotationsgangstörung

Dr. med. Jan Matussek Frage an Dr. med. Jan Matussek Chefarzt für Kinderorthopädie und Kindertraumatologie am Klinikum Emil van Behring, Berlin

Frage: Innenrotationsgangstörung

Hallo, meine Tochter ist 4,5 Jahre alt und hat seitdem sie laufen kann, einen nach innen gerichteten Gang. Der eine Fuß ist dabei mehr betroffen als der andere. Wenn sie müde ist, scheint es mehr aufzutreten als in Phasen, in denen sie tobt bzw der Körper angespannt ist. Der Kinderarzt meinte, dass sich das häufig von allein gibt. Wie waren dann dennoch beim Orthopäden, der eine Innenrotationsgangstörung diagnostizierte. Er verschrieb Krankengymnastik, sowie Einlagen und eine Nachtschiene. Die Maßnahmen (Schiene nur sehr selten getragen) haben nur minimal Besserung gebracht. Im Moment wächst sie wieder sehr und das Gangproblem scheint wieder mehr aufzutreten. Die Krankengymnastin sagte, es käme aus der Hüfte und hat mit der zu geringen Körperspannung zu tun. Müssen wir noch mehr Druck machen und zusehen, dass wir das mit noch mehr Übungen in den Griff bekommen oder gibt sich das irgendwann von allein? Bis zu welchem Alter sollte die Gangstörung behoben sein? Was sind die Konsequenzen, wenn man das nicht in den Griff bekommt? Rückenschmerzen? Danke und viele Grüße

von Jupiter am 08.04.2020, 21:33



Antwort auf: Innenrotationsgangstörung

Sehr geehrte Eltern, liebe Familie, InnenRotations-Gang Bilder besonders bei Mädchen Sind ein häufiges Thema von Sorgen der Eltern. Dementsprechend sehen auch wir in unserer Sprechstunde viele Familien, die Kinder in dieser Altersgruppe mit dem von Ihnen beschriebenen Phänomenen vorstellen. Die gute Nachricht ist, dass nur in den aller seltensten Fällen hier Interventionsbedarf besteht. Gerade bei Mädchen hat die Innenrotationsstellung der Beine beim Gehen ihre Ursache im Bereich der Hüftgelenke. Selten sind einmal Jungen betroffen. Gerade, wenn nach einem langen Tag abends die Müdigkeit einschlägt, nimmt die Einwärtsdrehung weiter zu. Und damit hat die Krankengymnastin recht, wenn sie sagt, dass die Körperspannung eine Triebfeder der Korrektur ist. Nun kann man nicht von allen Kindern zu jedem Zeitpunkt des Tages erwarten, dass sie sich mit voller Körperspannung bewegen. Man kann auch nicht erwarten, dass der Trainingszustand der Muskulatur bei allen Kindern gleich ist. Und so sind deshalb kräftige Gesäßmuskeln , wie sie dann später bei lauffreudigen und bewegungsfreudigen Kindern auftreten, der physiologische Motor für die AußenRotation beim Gehen. Ihr viereinhalb jähriges Töchterchen hat aber dennoch jetzt erst einmal nicht eine krankhafte Entwicklung zu befürchten. In der Kinder-Orthopädie gilt die Faustregel, dass relevante Gang-Störungen vor Abschluss der ersten Lebens-Dekade nur beobachtet werden. Lagerungsschienen haben keinerlei wissenschaftlich bewiesenen Sinn, und ich würde sie in diesen Fällen nicht verordnen. Einlagen wiederum sind ebenfalls umstritten bei diesem klinischen Phänomen: Man könnte nachvollziehen, dass Einlagen, die die Sohlen mit Druckpunkten stimulieren, zur Körperspannung beitragen können. Das müssen aber dann Einlagen in SonderBauweise sein, die vom Techniker speziell gebaut und angefertigt werden. Eine einfache flache Kopie-Einlage hat überhaupt keine Wirkung: Hierunter versteht man Einlagen, die letztlich etwas das Längsgewölbe anheben, aber keinerlei Druck-Punkt-Wirkung im Sohlenbereich erzielen. Mit dem erreichen des vor pubertären Wachstum Schub es sind bei gut 90-95 % aller Mädchen die die vermehrten InnenRotationsgang-Bilder ausgewachsen, d.h. sind verschwunden. Die 5 % der Kinder, bei denen dann später doch Behandlungsbedarf besteht, litten meistens bereits im Säuglingsalter an einer Hüftdysplasie, also an einer Hüftunreife, die mit diesem Gangbild einhergehen kann, aber nicht muss. Im Fazit würde ich zuwarten und mir zunächst einmal keine großen Sorgen machen. Die VerOrdnungen ihres Hausarztes waren sicherlich auch dem Wunsch gezeitigt, Ihnen etwas anzubieten, um die Zeit der Sorge zu überbrücken. Letztlich richtet die Natur das Gangbild nach der Funktionalität und der Muskulatur aus. Dementsprechend sollte Ihr Kind sportlich gefördert werden, um die Hüftumgreifende Muskulatur zu stärken. Das sollte alleinig ausreichen, um zur Normalität zu kommen. Ab dem zehnten Lebensjahr ungefähr werden dann bei starken Störungen im Gehen Röntgenbilder veranlasst und gegebenenfalls bei starker Abweichung von der Norm auch operative Maßnahmen vorgeschlagen. Die Wahrscheinlichkeit von 5 % , dass es dazu kommt, ist allerdings gering. Mit freundlichen Grüßen Ihr Jan Matussek

von Dr. J. Matussek am 13.04.2020