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Frühchen - Forum für frühgeborene Babys

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Geschrieben von CPMan am 13.09.2015, 10:43 Uhr

Erfahrungsbericht Frühgeburt

Es ist Freitag, sieben Uhr morgens. Es ist die letzte Ferienwoche, es ist warm, am nächsten Mittwoch geht die Schule wieder los, in meinem Hinterkopf spuken schon Lehrerkonferenz und Nachprüfungen. Anna greift im Halbdunkel nach meiner Hand und drückt sie.
„Ich habe Bauchschmerzen“, sagt sie.
Eigentlich nichts Ungewöhnliches, schließlich befindet Anna sich in der 31. Woche ihrer ersten Schwangerschaft. Ungewöhnlich ist nur, dass sie jetzt Bauchschmerzen hat, denn die ersten sieben Monate sind so unkompliziert verlaufen, dass man meinen könnte, Anna sei gar nicht schwanger. Bis auf den Bauch natürlich.
Wir liegen noch eine Weile im Bett herum, vielleicht hat Anna ja nur etwas Falsches gegessen. Tags zuvor waren wir in Düsseldorf, bei einer Freundin und haben beim Italiener etwas zu essen bestellt, dann noch Wassermelone gegessen, in der Hitze, und Kuchen, der schon einen Tag im Kühlschrank gelagert hatte.

Als wir schließlich aufstehen, ist der Schmerz immer noch da, wird stärker. Anna und ich beschließen, zum Frauenarzt zu fahren. Lieber kein Risiko eingehen, sicher ist sicher. Um neun macht der Frauenarzt seine Praxis auf, wir sind zehn Minuten vorher da. Bevor wir den Arzt persönlich treffen, gibt Anna eine Urinprobe ab und wird an ein CTG angeschlossen, um die Herztöne des Kindes und eventuelle Wehen aufzuzeichnen.
Alles in Ordnung, sagt die Arzthelferin und Anna und ich atmen durch. Dem Kind geht es gut, das sind schon mal gute Neuigkeiten. Wahrscheinlich hat Anna doch nur etwas Falsches gegessen.

Schließlich werden wir zum Arzt vorgelassen. Groß, kräftig, warmer Händedruck, angenehme Stimme, man fasst sofort Vertrauen. Anna legt sich auf das Bett und der Arzt verteilt wie häufig zuvor das Gel für den Ultraschall auf dem Bauch. Auf einem größeren Monitor kann ich alles sehen. Mit ‚alles’ meine ich die üblichen grauen Schatten, die dem Arzt so viel sagen und mich meistens an einen kaputten Fernseher erinnern.
„Keine Auffälligkeiten“, sagt der Arzt, „dem Kind geht es gut. Ich tippe auf eine kleine Magenverstimmung“.
Ich merke, wie wir alle die Vermutung durch unser weiteres Reden zur Gewissheit werden lassen. Das italienische Essen, die Wassermelone, der alte Kuchen. Irgendwas davon wird’s wohl gewesen sein. Da es mir gut geht, ist es wohl wahrscheinlich, dass es das Essen war, denn das hatte nur Anna.
Flugs wird Buscopan gegen die Bauchschmerzen verschrieben, als wir draußen sind, geht Anna in die Apotheke und ich zum Bäcker, Brötchen holen. Beim Bäcker denke ich latent schon wieder an Schule, die Nachprüfung meines Schülers liegt fertig in der Schublade, die Kollegen, die mitprüfen, sind informiert, alles klar soweit.

Wir fahren nach Hause, Anna nimmt das Buscopan, sitzt mit mir am Frühstückstisch, reibt sich den Bauch, hofft auf Schmerzlinderung.
„Du, ich glaub ich leg mich mal hin“, sagt sie, steht auf und geht ins Schlafzimmer. Ich bleibe zurück, lese Zeitung, lasse den Morgen und den beginnenden Tag verstreichen, schlürfe Earl Grey und esse Brötchenhälften.

Gegen dreizehn Uhr wird Anna unruhig, der Magen will nicht aufhören zu rumoren. Ein konstanter Schmerz pocht seit sechs Uhr morgens, Anna wird nervös, das Buscopan erweist sich als wirkungslos. Sie bricht zwei, drei Mal, aber es kommt nicht viel. Nur gelbe, gallertartige Masse.
Anna will ins Krankenhaus. Du übertreibst, will ich anmerken, sage aber nichts, denn ich stecke nicht in diesem Körper und Anna ist eigentlich ziemlich taff.

Anna informiert telefonisch ihre Beleghebamme, die ist zwar unterwegs und macht Hausbesuche, will aber gegen fünfzehn Uhr im Krankenhaus sein und nach dem Rechten sehen.

Wir laufen zum Krankenhaus, da es keine fünf Minuten zu Fuß entfernt ist. Anna geht langsam, denke ich, Anna atmet ein bisschen schwer.

Im Krankenhaus fahren wir direkt hoch in den siebten Stock zum Kreißsaal. In einem der Zimmer nimmt eine Schwester unsere Daten auf, Anna sitzt, blasser werdend auf dem Sofa und muss sich irgendwann plötzlich übergeben. Die Krankenschwester hat so praktische Nierenschälchen aus Pappe, da kann Anna alles hinein spucken und hinein kotzen. Das macht sie auch, zwei, drei Mal, aber immer kommt fast nichts. Der Magen verkrampft, es tut weh, Anna hat aber kein Fieber.

Die Assistentin geht, irgendwann kommt, glaube ich, eine richtige Ärztin, sie wirkt nett, stellt Anna schon gestellte Fragen, die Anna brav alle beantwortet. Auch diese Ärztin geht von einem Infekt aus, ich denke, was meint sie mit Infekt? Magen-Darm!?

Verschiedene Schwestern und vielleicht auch Ärztinnen kommen und gehen, ich bleibe bei Anna. Zwischendurch informiere ich einen Kollegen per sms, der uns für den Abend zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen hatte. Parallel dazu sage ich einer Freundin ab, die aus Bremen zu Besuch kommen wollte. Irgendwann gegen fünf Uhr kommt die Hebamme.
„Liebe Anna, du hast einen Infekt“, sagt sie und klatscht die Hände zusammen. Die Hebamme, ich habe sie vorher einmal getroffen, wirkt nett, erfahren. Also ein Infekt. Gut, was machen wir?
Die Auszubildende der Hebamme kommt, während die eigentliche Hebamme verschwindet, auch die Auszubildende stellt schon gehörte Fragen. Anna beantwortet alles lieb und geduldig.

Anna kauert auf dem Sofa, ihr ist kalt, wir holen eine Decke. Anna sitzt da, ein Schälchen in der Hand, jemand kommt und nimmt ihr Blut ab, jemand anderes kommt und macht nochmal ein CTG. Alles gut, das Kind ist gesund, das Herz schlägt regelmäßig, keine Anzeichen von Wehen. Anna bekommt eine Infusion: Vomex. Anna wird leicht übel davon, sie erbricht nochmal, kniet auf allen Vieren auf dem Boden, uriniert auf den Boden, weil der Druck auf die Harnblase so stark ist, schämt sich, aber wieder kommt nichts aus dem Mund, der Magen verkrampft sich nur und ein Brechreiz jagt den nächsten, aber der Magen entleert sich nicht.

Irgendwann holt man ein richtiges Krankenbett, Anna wird darauf verfrachtet und ich fahre sie gemeinsam mit der Hebamme in ein Isolierzimmer auf der 7. Etage. Das Zimmer ist ziemlich heiß und stickig, das Fenster lässt sich nur einen Spalt breit öffnen und die Tür sollen wir nicht aufmachen, weil Anna ja vielleicht einen ansteckenden Magen-Darm Virus hat und der soll sich nicht auf der Station verbreiten, schließlich sind da überall schwangere Frauen mit schwachem Immunsystem. Anna und ich nicken brav. Wir werden tun, was die sagen.

Es kommt eine Schwester der Station und bringt eine neue Infusion, ich habe keine Ahnung, was es diesmal ist, aber kein Vomex, glaube ich. Anna, die Angst vor der Nacht hat, fragt die Schwester, ob ich die Nacht bei ihr bleiben kann.
„Das ist kein Problem“, sagt die Schwester. Anna atmet erleichtert auf. Ich denke, dass ich eigentlich keine Lust habe, eine Nacht auf diesem Zimmer in einem Krankenbett zu verbringen, sage das aber natürlich nicht.

Anna bittet mich, von zuhause ein paar Sachen zu holen, frische Wäsche, Zahnbürste, was zu lesen, ein Handtuch. Eine andere Schwester kommt rein, sie zieht einen Mundschutz und Handschuhe an und wirft sich einen Schutzkittel eher achtlos über. Wegen der Ansteckungsgefahr, sagt sie, und ich bin leicht irritiert, weil ich nichts trage und die Schwestern vorher meistens auch nicht. Aber gut, denke ich, die werden wissen, was die tun.

Ich gehe kurz nach Hause und ich wundere mich, wie viel Zeit vergangen ist, es ist schon fast acht Uhr abends. In der Wohnung packe ich schnell alles zusammen und laufe wieder zurück zum Krankenhaus. Als ich wieder in der Station ankomme, ist Anna allein auf dem Zimmer. Diese Hitze, denke ich, aber draußen ist es auch nicht viel besser. Ich zeige Anna, was ich mitgebracht habe, ich mache das wie Mary Poppins, die eine Überraschung nach der anderen aus ihrer Tasche holt.

Die Schwester kommt zurück, sie zieht keinen Schutzkittel an, bleibt im Türrahmen stehen und sagt, ich könne jetzt doch nicht hier schlafen, wieder wegen der Ansteckungsgefahr oder was weiß ich, der Grund wirkt irgendwie vorgeschoben. Ich füge mich, denn ich war ja eh nicht so angetan von der Idee, Anna ist enttäuscht, sie hat wirklich ein bisschen Angst vor der Nacht. Ihr geht es nicht wirklich schlecht, aber auch nicht richtig gut. Tja, so eine Magengeschichte ist immer lästig.

„Aber die Ärztin kommt doch noch?“, sage ich, weiß aber selbst nicht so genau, welche Ärztin ich meine, irgendeine mit Verantwortung halt.
„Ja, natürlich, die kommt noch“, sagt die Schwester.

Ich bleibe bei Anna. Eine Stunde vergeht, zwei Stunden vergehen, niemand kommt. Anna und ich reden wenig. Ich halte ihre Hand, streichle ihr über den Kopf, stehe auf, setze mich wieder hin, klage über die stickige Luft. Gegen elf Uhr, als auch ich nicht mehr glauben mag, dass ‚die Ärztin’ noch kommt, verabschiede ich mich von Anna. Ich schaue nochmal zur Station, aber da sind schon ganz andere, neue Schwestern, die ich den ganzen Tag noch nicht gesehen habe.

Auf dem Nachhauseweg denke ich an Anna und ich überlege, wie viele verschiedene Personen sich heute um uns gekümmert haben. Bei zehn höre ich auf zählen, denn ich bin zuhause angekommen.

Die Nacht wird unruhig. Ich schlafe ein, wache auf, ich döse, ich schlafe ein, dann wird es hell, ich stehe auf, lege mich wieder hin, schlummere, döse, schlafe ein.

Als ich wieder aufwache, ist es schon neun Uhr. Ich frage mich, wie es Anna geht, ich rufe bei ihr im Krankenhaus an, ich habe mir die Telefonnummer ihres Bettes gemerkt und ihr Handy hat sie ja auch.

Sie geht ans Telefon und klingt zunächst ganz normal. Die Nacht war nicht toll, aber erträglich, es ist immer noch heiß und stickig in dem Raum, Anna hat Hitzewallungen, es ist nicht ganz klar, woran es liegt. Ich sage, dass ich sobald wie möglich komme, ich will noch eine Wäsche anstellen, damit sie frische Sachen für die nächsten Tage hat.

Ich trödele ein bisschen, es wird doch eher spät, so um halb zwölf bin ich erst bei Anna. Als ich zur Tür hereinkomme, bin ich erst einmal beruhigt, sie hängt immer noch am Tropf, Schmerzmittel, Kochsalzlösungen, Nahrungsersatz, was weiß ich schon. Auf einem Tisch liegt das Essen, es sieht unappetitlich aus und man fragt sich, ob das Essen mit den Ärzten abgestimmt wurde, denn bei einem Magen-Darm Virus würde ich das nicht essen, es sieht viel zu mächtig aus. Aber Anna hat eh keinen Appetit. Ich bin auch wieder einfach so reingegangen, obwohl draußen ein Schild hängt, dass alle Besucher anweist, sich erst bei der Station zu melden. Aber tags zuvor war ich ja auch die ganze Zeit bei Anna, schutzlos, falls sie einen Magen-Darm Virus hat, müsste ich ihn schon längst haben, denke ich, aber irgendwie ist es mir mittlerweile egal.

So sitzen wir da, wartend, schmorend in der Ungewissheit. Anna sagt, dass eine Ärztin da war, vielleicht die Chefärztin, Anna weiß es nicht mehr genau, ich vergesse zu fragen, was für eine Untersuchung sie gemacht hat, später soll nochmal ein CTG gemacht werden. Wir reden ein bisschen, Anna döst ein, wacht wieder auf, lächelt, döst wieder ein. Irgendwann kommt eine Ärztin, eine junge Frau, auf ihrem Schild lese ich ‚Assistenzärztin’, sie sieht jung und ungelenk aus und irgendwie flößt mir das kein Vertrauen ein. Sie untersucht Anna, vielleicht auch nicht, ich weiß es schon nicht mehr. Die Blutwerte sind normal, irgendein Wert ist etwas hoch, ein Entzündungswert, oder so?

Die Assistenzärztin verschwindet, wir sind wieder allein. Warten, warten. Es ist heiß und stickig. Ich weiß nicht, ob es Anna gut geht oder schlecht. Später, Tage später, denke ich, Anna will ja immer, dass es allen gut geht, vielleicht ging es ihr schlechter als sie zugeben wollte um niemanden zur Last zu fallen.

Es wird Nachmittag, es wird Abend, ich weiß nicht mehr, irgendwann gehen wir kurz raus, um frische Luft zu schnappen, niemand stoppt uns, wir fragen uns, ob wir das überhaupt dürfen, denn schließlich ist Anna ja ansteckend, vielleicht hat sie ja Magen-Darm, aber wir halten es beide in dem Zimmer nicht mehr aus. Wir fahren runter, laufen ein bisschen herum, dann fährt Anna alleine wieder hoch, ich gehe nochmal nach Hause, bleibe dort zwei Stunden, dann laufe ich wieder ins Krankenhaus. Als ich auf Annas Zimmer komme, sagt sie, sie habe einen Rüffel bekommen, weil sie ohne Mundschutz und Handschuhe das Zimmer verlassen hat. Ich bleibe bis zehn Uhr bei ihr, wir spielen Qwirkle, gucken Schlag den Star, dann Die Vermessung der Welt, dann gehe ich nach Hause.

Sonntag. In der Früh laufe ich wieder zum Krankenhaus. Anna ist bereits aufgewacht, wieder weiß ich nicht, ob es ihr gut geht. Sie isst immer noch nichts, hat bisher aber kein oder kein hohes Fieber, aber die Bauchschmerzen sind noch da. Wieder kommen Schwestern und Assistenzärztinnen vorbei, manche Gesichter erkenn ich wieder, manche sehe ich zum ersten Mal. Bei einigen habe ich das Gefühl, dass sie Annas Akte gar nicht kennen, sie fragen nach CTG und Blutwerte, lest doch erst einmal die Akte, denke ich, sage aber nichts.

Immer noch scheint da großes Rätselraten zu sein, keine will verlässlich sagen, was es ist, ich merke, wie ich unruhiger werde. Ich überlege, wen ich anrufen kann. Zunächst rufe ich Annas Eltern an, um mit Ihnen weitere mögliche Schritte zu bestimmen, aber die sind im Urlaub, ans Handy bekomme ich sie nicht, immer geht die Mailbox an. Dann rufe ich die Hebamme an, schließlich ist sie verantwortlich für Anna. Auch hier geht zunächst niemand dran, ich spreche auf die Mailbox. Ich sage, dass ich nicht weiß, was wir tun sollen, dass ich beunruhigt bin, dass ich Rat brauche.

Ein paar Minuten später ruft die Hebamme zurück, sie ist gerade bei Hausbesuchen, kann also nicht kommen, aber sie will im Krankenhaus anrufen und der obersten Chefin Bescheid sagen, dass sie sich kümmert. Ich bedanke mich und gehe wieder zurück zu Anna.

Wieder sitzen wir in dem heißen, stickigen und schmucklosen Raum, später erfahre ich, dass unsere Etage die einzige im Haus ist, die noch nicht renoviert wurde und auch keine Klimaanlage hat.

Irgendwann kommt eine Ärztin, die ich auch noch nicht vorher gesehen habe, ich frage, welche Vermutungen es gibt, welche Krankheitsbilder möglich sind, wieder heißt es, wahrscheinlich ein Infekt, ich frage, warum ich dann noch nicht krank bin, die Ärztin zuckt bloß mit den Schultern. Ich frage mich laut, wieso einige Schwestern und Ärztinnen die Schutzmaßnahmen, d.h. Mundschutz, Kittel, Handschuhe peinlich genau beachten und andere eben nicht, wieder zuckt die Ärztin mit den Schultern. Sie sagt, dass man im Moment nichts anderes tun kann, als nach dem Ausschlussprinzip vorzugehen, man sucht nach Beweisen für ein Krankheitsbild, wenn man nichts findet, überlegt man sich was anderes und guckt danach. Bevor sie geht, fragt sie mich noch, warum ich die Hebamme angerufen habe und nicht zur Station gegangen bin, ich antworte nicht wirklich. Ich kenne das Protokoll nicht und es ist mir auch egal.

Wieder warten und verharren wir in diesem Zimmer, mir geht das alles zu langsam, ich werde ungeduldig, warum tut denn keiner was, denke ich, sage es aber nicht. Anna scheint geduldiger zu sein, immer noch klammern wir uns wohl an die Hoffnung, es sei eine Magenverstimmung.

Der Abend kommt, Tropf, CTG, schlechtes Essen, alles geht seinen gewohnten Gang. Einmal entscheiden wir uns, wieder frische Luft zu schnappen, diesmal informieren wir vorab die Schwestern, die sagen, mit Mundschutz und Handschuhen wäre das kein Problem. Ich muss fast lachen über die widersprüchlichen Handhabungen unserer Isolierung. Wir schnappen etwas frische Luft draußen, Anna läuft langsam, alles strengt sie an, aber sie hat etwas mehr Farbe.

Abends gucken wir den Tatort, diesmal aus München, eigentlich nicht schlecht, aber es kommen Schwestern rein, die machen Lärm und die Kopfhörer funktionieren nicht richtig gut.

Als ich mich von Anna verabschiede, verabreden wir uns für den nächsten Nachmittag, denn vormittags ist die Lehrerkonferenz angesetzt, ich muss da hin, neue Stundenpläne abholen, mit Kollegen sprechen, Organisatorisches regeln, die schriftliche Nachprüfung meines Schülers abholen und die für den nächsten Tag angesetzte mündliche Prüfung kurz mit den Prüfern besprechen.

Montag. Die Lehrerkonferenz beginnt um zehn Uhr, ich weiß nicht mehr, ob ich Anna vorher anrufe oder nicht. Ich spreche mit ein paar Kollegen, wie waren die Ferien?, wo warst du?, was hast du für einen Stundenplan?. Einigen Kollegen, die Freunde sind, erzähle ich von Annas Zustand und ernte besorgte Gesichter. Dann beginnt die Konferenz, sie rauscht eher an mir vorbei, als dass ich sie wirklich mitbekomme, ich merke, da ist eine große Ungewissheit, ein Sorge, die ständig in meinem Hinterkopf bohrt und meine Konzentration schwächt.

Nach der Konferenz fahre ich kurz nach Hause, dann geh ich wieder ins Krankenhaus zu Anna. Schon als ich in den Raum komme, merke ich, wie mir ganz anders wird. Anna liegt unter dem Laken, zusammen gekauert wie ein Embryo. Ihre Reaktion auf meine Ankunft ist eher verhalten, da war die Reaktion an den Tagen zuvor stärker. Mein Sorgenpegel steigt.
„Hey“, sage ich, „was ist los?“
Anna ist kurzatmig, man merkt, dass sie kaum Luft kriegt, sie sagt, Ärzte wären da gewesen, sie hätten Wasser in der Lunge festgestellt und Fruchtwasser wäre auch nicht mehr so viel da. Nicht bedrohlich wenig, aber eben auch nicht viel. Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet, ich weiß nur, dass mich diese Ungewissheit, dieses Warten und diese Symptome, die in Wellen zu kommen scheinen, langsam zermürben. Ich fühle mich hilflos, später vergleiche ich das mit dem Fliegen, dort steigt man in ein Flugzeug und vertraut sein Leben einem Piloten an, den man nicht sieht, und im Krankenhaus geht man auf ein Zimmer und vertraut sein Leben Ärzten an, die man nicht kennt. Manche wirken kompetent, sind es vielleicht aber gar nicht, manche wirken inkompetent, sind es aber vielleicht gar nicht.

Irgendwann kommt eine Ärztin vorbei und sagt, dass ein Internist bald käme, der sich alles mal anschauen möchte. Jetzt wird eine Herzmuskelschwäche ins Spiel gebracht, ein Ultraschall des Herzens soll erfolgen, aber erst am nächsten Tag, vorher geht es nicht. Herzmuskelschwäche, sagt Anna, das kann sie nicht glauben, in ihrer Familie gibt es so etwas nicht. Herzmuskelschwäche, denke ich, und mache mir wieder Sorgen, denn das ist schon eine andere Nummer als ein Magen-Darm Infekt.
„Sie sind ein Kuckuck“, sagt die Ärztin noch, bevor sie geht und meint damit, dass Anna wohl eigentlich auf der Entbindungsstation falsch sei, denn dem Kind geht es ja gut, es ist wohl etwas, das mit der Schwangerschaft nichts zu tun hat.

Später am Nachmittag kommt der Internist, er trägt normale Jeans und ein Hemd, er wirft sich einen Kittel über, zieht Handschuhe und Mundschutz an. Er wirkt zuverlässig, ich mag seine Art zu sprechen und er weckt mein Vertrauen. Gleichzeitig frage ich mich, ob ich nicht einfach ein Chauvi bin, der junge Frauen automatisch für weniger kompetent hält als ältere Männer. Die Ärztinnen und Schwestern reden immer in so einem mitfühlenden Ton, der mich langsam ankotzt, denke ich. Aber irgendwann denke ich auch, dass ich nicht mehr weiß, was ich denken soll.
Der Internist tastet Anna ab, hört sich ihre Lunge an, fragt nach Schmerzen. Ich weiß nicht einmal, ob Anna noch unter der Wirkung des Paracetamol ist und so vielleicht gar keine Schmerzen spürt. Auch das frage ich mich später noch, ob das Paracetamol die Schmerzen so unterdrückt hat, dass Anna gar nicht sagen konnte, wo es ihr wehtat. Der Internist jedenfalls wagt auch keine Diagnose, er kündigt Tests für den nächsten Tag an. Wir bedanken uns artig, und ich merke wieder, dass mir alles zu langsam geht.

Wieder verbringe ich den Abend wohl bei Anna, ich weiß nicht mehr, wie wir die Zeit verbracht haben, viel laufen konnte Anna jedenfalls nicht mehr, denn ihr Atem war zu flach und alles war zu anstrengend. Irgendwann küsse ich Anna auf die Stirn und gehe nach Hause und sage, dass es morgen später wird, weil ich bei einer Nachprüfung Protokoll führe und bei einer anderen selber prüfen muss. Ich will aber vorher, so um acht Uhr dreißig, wenn ich schon in der Schule bin, bei ihr anrufen, um zu hören, wie es ihr geht.

Dienstag. Ich stehe früh auf, denn heute beginnt die Schule quasi wieder. Mit dem Duschen und dem kargen Frühstück lasse ich mir dann aber doch mehr Zeit als beabsichtigt, so dass ich mich spontan dazu entschließe, mit Annas Wagen zur Schule zu fahren und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Als ich in der Schule ankomme, sind da schon Kollegen, die auch Nachprüfungen durchführen müssen. Ich spreche mit einigen, gehe kurz ins Sekretariat, dann auf Toilette. Als ich auf der Toilette bin, versuche ich Anna auf dem Handy zu erreichen, doch sie nimmt nicht ab. Ich versuche es dann mit ihrer Zimmertelefonnummer im Krankenhaus, aber auch da nimmt niemand ab. Ich merke, wie ich unruhig werde, dann aber beruhige ich mich selbst. Sie haben sie bestimmt für die Untersuchungen abgeholt, überlege ich, wahrscheinlich ist sie gerade bei dem Internisten und lässt ihr Herz per Ultraschall untersuchen.

Ich gehe wieder hoch, auf dem Flur stehen schon die Mütter mit ihren Kindern, die gleich geprüft werden. Ich grüße im Vorbeigehen, fühle aber, wie ich selbst schon neben mir stehe.

Zehn Minuten später sitze ich im Prüfungsraum mit dem Vorsitzenden und der Kollegin, die prüfen wird. Der Schüler kommt rein, setzt sich hin und die Prüfung beginnt. Ich führe Protokoll, versuche mich so gut es geht, zu konzentrieren, denke aber auch schon an meine eigen Prüfung und vergleiche meine Themen mit denen der Kollegin. Nach zehn Minuten geht plötzlich die Tür auf und der Kollege, der die Stundenpläne macht kommt rein und geht auf mich zu.
„Geh du mal raus, ich führe das Protokoll für dich weiter“, sagt er.
Ich bin irritiert, tue aber, was er sagt. Er setzt sich hin, ich packe ein paar Sachen zusammen, dann gehe ich hinaus. Draußen vor der Tür steht die Sekretärin, ich schaue sie an und frage nur: „Anna?“
Sie nickt und ab da gerate ich sofort in Panik. Ich merke, wie mir die Tränen in die Augen schießen, ich fühle etwas Flaues im Magen, die Knie werden weich, aber ich haste gleichzeitig den Flur entlang. Ich sehe meinen Schüler, den ich gleich prüfen musste, ich will ihm etwas sagen, aber ich bringe keinen Ton heraus. Ich laufe ins Lehrerzimmer, hole meine Tasche und meine Jacke, die Sekretärin läuft mir hinterher und bietet an, mich zu fahren. Ich weiß nicht, was ich tun soll, ich sage ‚Okay’, dann laufe ich nochmal ins Prüfzimmer, um irgendetwas zu holen.

Keine Minute später sitze ich neben der Sekretärin im Auto und wir fahren los. Ich starre durch die Windschutzscheibe, ich kann nicht sprechen, die Sekretärin fährt, regt sich über den Verkehr auf, sie fährt so schnell sie kann, ich muss ihr den Weg sagen, sie legt ihre Hand auf meinen Arm, versucht mich zu beruhigen. Tausend Gedanken rasen durch meinen Kopf, ich habe die schlimmsten Befürchtungen, sie sind beide tot, denke ich, sie sind beide tot.

Als wir nach einer gefühlten Ewigkeit vor dem Krankenhaus ankommen, hetze ich hinaus und auf den Haupteingang zu. Ich fahre mit dem Aufzug in den siebten Stock und renne erst einmal in das Zimmer, in dem wir die letzten vier Tage verbracht haben. Als ich in der Tür stehe, sehe ich nur Annas Sandalen und Papierservietten und Flüssigkeit auf dem Boden. Das Bett ist weg. Ich laufe zur Station und frage nach Anna.

„Die liegt im Kreißsaal“, heißt es nur lapidar und ich laufe wieder los. Ich stürme in den Kreißsaal hinein und nehme im Flur kurzzeitig zwei Rettungssanitäter mit einem Inkubator wahr, bringe sie aber noch nicht mit mir in Verbindung, und als ich mich im Kreißssaal identifiziere und nach Anna frage, kommen eine Assistenzärztin, die ich schon einmal gesehen habe und ein Arzt, den ich, glaube ich, noch nicht gesehen habe, auf mich zu. Sie bitten mich in das Wehenzimmer und sagen, ich solle mich hinsetzen.

Ich setze mich hin und der Arzt erklärt mir, dass Anna morgens mit höllischen Schmerzen aufgewacht sei und man sie sofort in den OP gebracht habe. Man habe eine Notsektion machen müssen, man habe sich dazu entschlossen, weil man sonst nicht hätte sehen können, was das Problem sei. Man habe dann zuerst das Kind geholt, das sich wohl irgendwie in der Gebärmutter verkeilt habe, und jetzt operiere man Anna, man vermute, dass das Problem beim Blinddarm läge.

Irgendwann, kurze Zeit später kommt ein Arzt rein und bestätigt die Theorie. Anna hatte einen Blinddarmdurchbruch und eitriges Sekret sei wohl in den offenen Magen geraten.

Ich fange aufgrund dieser Informationsflut an zu weinen, zu schluchzen, ich versuche mich zu fassen, ich atme ein, ich atme aus, alles fiel zu schnell. Ich versuche weiter, mich selbst unter Kontrolle zu kriegen, doch stattdessen hyperventiliere ich weiter, halte mir die Hände vors Gesicht, möchte schluchzend losheulen, zwinge mich, es nicht zu tun.

Die Ärzte helfen mir auf, nehmen mich am Arm und führen mich wortlos in einen anderen Raum. In dem Raum stehen ein Arzt und einige Schwestern mit blauen Kitteln um einen Brutkasten herum in dem ein kleines, blutbeflecktes, lebendes Etwas liegt:

Marlene.

Angesichts dieses Bildes versagen mir wieder die Beine, die Augen öffnen ihr Schleusen und die Tränen fließen. Seit zwanzig Jahren habe ich nicht mehr geweint und jetzt, in wenigen Minuten, hole ich das alles auf.
„Weinen Sie doch nicht“, sagt der Arzt, ein großer Mann in schwarzer Jeans und weißem Hemd. Er sagt noch etwas, aber ich kann mich beim besten Willen nicht dran erinnern.
Man macht mir Platz, stellt mich an den Brutkasten und ich sehe Marlene zum ersten Mal aus der Nähe. Sie ist verkabelt, ein Schlauch wurde an ihrer Nase befestigt. Ich weine und weine. Ich atme und atme und atme. Meine Knie sind weich. Meine Stimme ist zittrig.

Ein paar Minuten stehe ich glaube ich so da, vielleicht länger, vielleicht eine halbe Stunde sogar, ich habe jegliches Gefühl für Zeit verloren.

Dann wird Marlene auf den Flur hinausgefahren, ich hinterher, mit dem Arzt. Man verfrachtet Marlene in den mobilen Inkubator, die zwei Männer vom Rettungsdienst werden das Kind in die Neonatologie eines nahe gelegenen Krankenhauses fahren, dort ist man auf Frühgeburten spezialisiert und kann sich besser um Marlene kümmern. Ich muss entscheiden, ob ich mitfahren oder bei Anna bleiben will, ich bleibe, denn Anna bekommt eher mit, dass ich nicht da bin, wenn sie aufwacht, Marlene wird es mir jetzt und auch später wohl kaum zum Vorwurf machen.

Man führt mich wieder ins Wehenzimmer, ich setze mich, der Kinderarzt vom anderen Krankenhaus setzt sich dazu, er erzählt mir tausend Dinge, die alle durch meinen Gehörgang purzeln und sich in ihm dann in Luft auslösen. Stunden später sind bestenfalls einige Schlüsselwörter noch im Kopf, mehr nicht. Irgendwann kapieren der Arzt und die Assistenzärztin, dass es das Beste ist, mich einmal allein zu lassen und gehen hinaus.

Dann bin ich da, alleine mit meinen Gedanken, leicht verheult und irgendwie nicht ganz klar im Kopf, meine Gedanken sind ein riesiges Paket, das ich weder greifen, noch heben, noch öffnen kann.

Ich will Annas Familie informieren und versuche es zuerst bei Annas Eltern, aber wieder geht nur die Mailbox ran, ich versuche es anschließend bei Annas Bruder, der geht ran und spricht leise, er ist wohl bei der Arbeit. Ich sage ihm, was passiert ist, und wie meine Sprache versucht, das Geschehene in Worte zu fassen, realisiere ich ein wenig, wie dramatisch ich das alles finde. Ich muss Luft holen beim Sprechen, ich muss Sätze neu beginnen, ich muss ein Schluchzen unterdrücken, aber ich kriege die Botschaft irgendwie vermittelt. Annas Bruder kümmert sich darum, die Eltern zu informieren. Anschließend versuche ich meine eigenen Eltern und meine Schwester zu informieren, meine Eltern erreiche ich nicht, meine Schwester nur per Mailbox. Ich hinterlasse eine Nachricht und schreibe anschließend ein paar SMS.

Ich setze mich wieder hin und konzentriere mich aufs Atmen. Langsam, aber sicher werde ich ruhiger.

Ich habe zwischenzeitlich viel Wasser getrunken, gerade so, als befänden sich die Sorgen in meinem Bauch und als könne ich sie mit dem Wasser überfluten. Ich muss auf die Toilette. Ich verlasse den Kreißsaal und gehe den Gang hinunter. Ich gehe an Menschen vorbei, einige unterhalten sich ganz normal, zwei Schwestern scherzen sogar miteinander und ich finde das plötzlich so pietätlos, obwohl ich weiß, dass sie natürlich nichts von meinem Zustand ahnen, für sie geht da gerade irgendein Mann vorbei.

Auf dem Klo halte ich mir die Hände vors Gesicht, ich spritze mir Wasser ins Gesicht, versuche, einen klaren Kopf zu bekommen. Ich laufe wieder zurück in den Kreißsaal in das Wehenzimmer. Ich nehme mein Handy und versuche ein paar Nummern anzurufen. Ich versuche es bei meiner Schwester, bei meinen Eltern, bei Annas Eltern, glaube ich. Ich setze mich wieder hin, irgendwann kommt der Kinderarzt und sagt mir ein paar Dinge zu Marlene. Ich kann sie im anderen Krankenhaus besuchen kommen, jederzeit. Ich nicke.

Dann, irgendwann, geht die Tür zum Wehenzimmer auf und vor dem Zimmer stehen ein paar Schwestern um ein Krankenbett herum. Anna liegt in dem Bett. Ich sehe nur ihren Schopf, die dunklen Haare, ich gehe auf das Bett zu, beuge mich über sie und könnte sofort wieder losheulen. Anna erwacht gerade aus der Vollnarkose, sie ist schon wieder bei Bewusstsein, aber man merkt sofort, dass sie noch benommen ist. Sie spricht langsam und gedehnt, sie schaut mich selig an und sagt ‚Du bist da’ oder etwas ähnliches. Ich sage ‚Du machst Sachen’ oder irgendetwas ähnlich Banales. Die Schwestern fahren das Bett ins Wehenzimmer, eine der Hebammen ist dabei, sie bleibt für die folgenden zwei oder drei Stunden fast unentwegt bei uns.

Einmal kommt eine Schwester rein und sagt mir, dass Anna noch sehr benommen ist, und dass ich mich nicht wundern soll, wenn sie die gleichen Fragen stellt und meine Antworten wieder vergisst. Anna bekommt das mit und versucht, die Situation ein wenig aufzulockern. Sie zeigt auf mich und fragt ‚Wer ist das?’ , ‚Wer ist dieser Mann?’ und versucht dabei ein Lächeln. Ich bin so gerührt, dass ich sofort wieder weinen könnte, aber irgendwie beruhigt mich das auch. Überhaupt merke ich, wie der Schock langsam nachlässt und wie auch meine Atmung langsam wieder regelmäßig und normal wird.

Wir verbringen noch ein oder zwei Stunden in dem Wehenzimmer, ich streichle Anna über den Kopf, wir reden ein bisschen, aber das Reden strengt sie an, also verharren wir schweigend und warten auf die Entscheidung der Ärzte. Irgendwann wird dann klar, dass Annas Zustand noch nicht stabil ist und sie zur Sicherheit zur Beobachtung auf die Intensivstation gebracht werden soll.
Zur Sicherheit. Zur Beobachtung. Diese beiden Begriffe sollen sicherlich signalisieren, dass man fest davon ausgeht, dass Anna nicht wirklich gefährdet ist, aber das Wort ‚Intensivstation’ allein jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken. Gleichzeitig denke ich an Marlene, die ganz allein in einem anderen Krankenhaus in der Neonatologie ebenfalls auf der Intensivstation liegt und wieder steigt da dieses Gefühl absoluter Hilflosigkeit in mir auf.

Mit der Hebamme und einer Schwester nehmen wir den Bettenaufzug und fahren ins Erdgeschoss hinunter. Wir schieben das Bett durch sterile Flure, überall Ärzte, kaum Patienten. Vor einem grünen Schild und einer großen Milchglastür halten wir, eine Schwester klingelt an der Tür, dann, kurze Zeit später wird die Tür von innen geöffnet und wir fahren in einen großen, abgetrennten Bereich hinein, der viele Räume hat, auf denen jeweils zwei Patienten liegen. Im Vorbeigehen werfe ich einen Blick in die Räume. In den meisten Betten liegen alte, komatös wirkende Patienten, mit Schläuchen, die aus Mund und Nase kommen und Elektroden, die mit Computern verbunden sind, die wiederum auf Bildschirmen die Herzfrequenz, die Atemfrequenz und die Sauerstoffsättigung des Blutes anzeigen, so meine ich jedenfalls. In einem Zimmer jedoch liegt ein junger, muskulös wirkender Mann, eine junge Frau, vielleicht seine Freundin sitzt bei ihm, sie sieht uns vorbeigehen und nickt mir kurz zu. Wir kommen an einer langen Schaltzentrale vorbei, Ärzte und Schwestern sitzen hier vor einem Haufen Computer und überwachen damit die Patienten. Ein paar Bildschirme piepen.
Anna wird zu einem sehr alten Mann gestellt, sein Mund ist offen, seine Augen starren an die Decke, und ich glaube, er bekommt nur am Rande mit, dass Anna jetzt zu ihm ins Zimmer kommt. Wir kriegen einen Fensterplatz und ein Vorhang erspart mir und Anna den doch recht deprimierenden Blick auf den alten Mann neben uns.
Anna ist immer noch benommen, aber so langsam wird sie ruhiger und entspannter. Während ein Pfleger sie an die Geräte anschließt und ihren Katheter und die Drainage kontrolliert, halte ich ihre Hand und versuche, sie mit sanften Streicheleinheiten zu beruhigen.

Langsam merke ich, wie bei mir die Anspannung nachlässt und die Verarbeitung dessen, was geschehen ist, einsetzt. Tausend Fragen gehen durch meinen Kopf: Warum wurde die Blinddarmentzündung nicht rechtzeitig erkannt? Welche Folgeschäden entstehen jetzt für Marlene? Wie hat Annas Körper den Eingriff überstanden? Warum kommt niemand und klärt mich auf?

Ich möchte Anna am liebsten nicht verlassen, gleichzeitig frage ich mich, wie es Marlene wohl geht. Gegen halb sieben kommt ein Pfleger und sagt mir, dass die Besuchszeiten auf der Intensivstation jetzt leider vorbei seien und ich gehen müsse. Ich nicke und bleibe dennoch erst einmal sitzen. Als er wieder kommt, schaut er mich schweigend an, nicht einmal vorwurfsvoll, aber ich kapiere es trotzdem. Ich stehe auf, küsse Anna auf die Stirn, drücke ihre Hand ganz fest und kündige mich für den nächsten Tag in der Frühe an. Ich sage ihr, dass ich Marlene noch besuchen will. Sie nickt nur, fast, als wolle sie sagen: Marlene, wer ist Marlene?

Ich verlasse das Krankenhaus und steuere direkt auf die U-Bahn Haltestelle zu. Ich fahre mit der 108 zum Hauptbahnhof, steige in die U17 um und fahre bis zur Schule, wo Annas Auto steht. Das Schulgebäude liegt jetzt, am Abend, verlassen da, lediglich am Lehrereingang steht jemand. Ich kann nicht erkennen, wer das ist, also warte ich hinter einem Baum, bis die Person weg ist, denn ich habe absolut keine Lust, einem Kollegen die ganze Geschichte zu erzählen.
Als ich im Auto die Straßen hinunterfahre, kommt mir alles so surreal vor. Die Menschen gehen alle ihren Leben nach, keiner wirkt irritiert oder geschockt. Wisst ihr denn nicht, was passiert ist, denke ich, weiß aber gleichzeitig, dass sie es nicht wissen können und dass es ihnen, selbst wenn sie es wüssten, wohl ziemlich egal wäre.

Ich fahre erst nach Hause, um die Kamera zu holen, dann fahre ich in die Klinik, in der Marlene in einem Trakt für Frühchen in einem Kasten aus Plexiglas liegt. Ich erinnere mich, dass der Kinderarzt am Morgen gesagt hat, ihre Station befände sich im vierten Stock, also nehme ich den Aufzug und drücke auf die Vier. Auf der Etage finde ich mich nicht gleich zurecht, die Stationen haben Frauennamen, sie heißen ‚Monika’, ‚Elisabeth’ oder ‚Johanna’. Schließlich komme ich an der Intensivstation für Frühchen an. Man muss klingeln und warten bis jemand kommt. Als eine Schwester die Tür aufmacht, erkläre ich in kurzen, abgehackten Worten wer ich bin und was ich möchte. Die Schwester antwortet, dass im Moment Übergabe sei, dass die Schwestern der Nachtschicht die Arbeit der Spätschicht übernähmen und ich daher im Moment nicht zu meiner Tochter könne. Ich müsse eine Stunde warten.

Ich schlucke meinen Ärger hinunter und fahre mit dem Aufzug zurück ins Erdgeschoß, um frische Luft zu schnappen. Draußen gehe ich auf eine Sitzbank zu und setze mich zwischen einige Patienten. Erst als ich sitze, merke ich, dass fast alle rauchen und ziemlich kaputt aussehen. Ich fühle mich unwohl und denke an Marlene, die mich nicht gleich mit Zigarettenrauch in Verbindung bringen soll. Also stehe ich nach zwei Minuten auf und wandere sinnlos um das Gelände herum. Während die Zeit die letzten Tage an mir vorbei zu rasen schien, habe ich jetzt plötzlich das Gefühl, sie sei stehen geblieben.

Nach einer mir unendlich lang erscheinenden Zeit fahre ich wieder hoch in die vierte Etage und werde diesmal auch in die Intensivstation für Frühgeburten eingelassen. Ein Assistenzarzt erklärt mir im Vorraum die Hygienevorschriften, ich wasche und desinfiziere meine Hände über dem Waschbecken, dann gehe ich gemeinsam mit dem Assistenzarzt durch eine Glastür und dann stehen wir in einem abgedunkelten Raum mit ungefähr acht Inkubatoren. An jedem Inkubator ist auch ein Bildschirm der die Herzschlagfrequenz, die Sauerstoffsättigung des Blutes und die Atemfrequenz misst. Auf allen Inkubatoren liegt eine Decke, die an den Seiten hochgeklappt werden kann. Ich stelle mich neben den Arzt, der dann die Decke nach oben klappt.

Marlene liegt auf ein weißes Laken gebettet, eine weiße Decke spannt sich recht eng über ihren winzig kleinen Brustkorb, ihre kleinen Ärmchen lugen hervor. Auf ihrem linken Handrücken befindet sich ein großes Stück Mullbinde, mit einem Pflaster fixiert. Auch auf ihrem kleinen Gesicht sind zwei Pflaster längs und quer über ihre Nase gespannt, sie fixieren auch etwas, aber ich kann nicht sehen, ob sie intubiert ist oder ob sie bei ihrer Atmung nur unterstützt wird. Ein Millimeter dünner Schlauch schwebt über ihr. Auf dem Gesicht sind noch ein paar Kratzer und Schrammen zu sehen, sie sieht mitgenommen aus. Ihre Augen sind noch zu, sie sieht so klein und hilflos aus, dass ich wieder anfangen könnte, zu weinen. Stattdessen versuche ich, dem Assistenzarzt schlaue Fragen zu stellen, die alle denselben Kern haben: Wird meine Tochter gesund werden, ganz gesund? Und obwohl es die normalste Frage der Welt ist, habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich jetzt schon nach ihrer Gesundheit frage, weil es insinuiert, dass ich auf keinen Fall ein körperlich oder geistig behindertes Kind will weil ich für ‚so etwas’ keine Liebe empfinden könnte. Darüber hinaus sind diese Fragen ohnehin sinnlos, denn es gibt auch im Kern immer nur die gleiche Antwort: Eine Garantie gibt es nicht, jedes Frühchen entwickelt sich anders, es sieht aber gut aus und wir wollen das Beste hoffen und optimistisch bleiben.

Nach knapp fünf Minuten voller ärztlicher Fachtermini, die ich trotz meines wissenden Nickens bestenfalls nur halb verstanden habe, lässt der Assistenzarzt mich mit meiner Tochter allein. Ich lehne mich über den Inkubator, rücke mit dem Gesicht ganz nah an das Plexiglas, umschlinge den gläsernen Kasten fast mit meinen Armen und starre konsterniert auf mein Kind. Minute um Minute verrinnt, bis fast eine Stunde vergangen ist, in der ich wieder und wieder versuche, die Dinge zu begreifen, letztendlich aber erfolglos. Irgendwann hole ich die Kamera raus und drehe einen dreiminütigen Film von Marlene, die einfach nur so da liegt und ich gelange zu der Überzeugung, nie wieder so etwas Spannendes vor die Linse zu bekommen.

Gegen zehn Uhr fahre ich schweren Herzens nach Hause. Dort angekommen sitze ich noch eine halbe Stunde wie ein Zombie vor dem Fernseher. Heute kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen, was ich geguckt habe. Ich weiß aber noch, dass ich auf dem Weg ins Bett an einem Kalender vorbeigehe und das Datum sehe. Und ich weiß, dass dieser Tag und dieses Datum für immer unauslöschlich in meiner Erinnerung haften bleiben wird.

 
19 Antworten:

Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von lisi3 am 13.09.2015, 16:22 Uhr

Es tut mir leid, dass ihr diese Erfahrung machen musstet.Wie geht es Anna und Marlene jetzt? Erholt sich Anna langsam?
Hier im Forum haben viele schwierige Geburtssituationen erleben müssen. Aus eigener Erfahrung kann ich dir berichten, dass die Verarbeitung im Laufe der Jahre besser wird, je mehr Abstand man hat, umso leichter kann man damit umgehen. Mir hilft es dann auch alles, wie du es getan hast, niederzuschreiben und die Gedanken dabei zu ordnen.
Ich möchte euch ein wenig trösten, in der 31. Schwangerschaftswoche sind die Kinder schon recht gut entwickelt. Natürlich wünscht man ihnen einen optimaleren Start, aber die Chancen, dass alles gut wird und Marlene gesund heranwachsen kann, stehen gut. Die Kinderärzte und Krankenschwestern bereiten natürlich auch auf den schlimmsten Fall vor, sie müssen natürlich aufklären, aber die Kinder, die jenseits der 30 Ssw. geboren werden, sind wirklich schon sehr weit.
Ich wünsche deiner Familie und dir alles Gute!

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von niccolleen am 13.09.2015, 16:27 Uhr

Auch wenn unsere Geschichte komplett anders gelaufen ist, sie war aehnlich dramatisch und ich kenne auch sehr gut, das draengende Gefuehl, das alles irgendwann niederschreiben zu muessen. Nach den ersten Tagen und Wochen nur STichworte, und dann ich glaub 2 Jahre spaeter dann alles in einen Bericht. Jetzt nach 6 1/2 Jahren und einem zweiten, reifgeborenen Kind, bin ich noch immer ein gutes Stueck davon entfernt, alles verdaut und verarbeitet zu haben.

Alles Gute fuer euch, viel Kaenguruhen, viel Naehe, viel Durchsetzungsvermoegen,
niki

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gut geschrieben - vor allem mal Vatersicht

Antwort von Ellert am 13.09.2015, 16:28 Uhr

Man vergisst nur zu leicht wie es einem Vater ergeht in der Situation
der nicht nur Angst hat um sein Kind sondern auch noch um seine Frau -
Mütter werden immer "bemitleidet" und getröstet
Väter wird das Starksein auferlegt...

dagmar

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von Arstin am 14.09.2015, 22:33 Uhr

Danke für deinen Erfahrungsbericht. Seltenst hört man die Geschichte aus der Sicht der Väter. Ich hoffe deinen beiden Lieben geht es Gut und das sich Anna verlegen lassen konnte. Mein Lebensgefährte hat sich mit anderen Väter ausgetauscht und es tat Gut zu hören das andere auch so geschockt waren.

Manche Pflegerinnen auf der Station haben doch schon einen gewöhnungsbedürftigen Ton drauf (Anhand der Stationen im KH und der Bahnlinien tippe ich mal das Ihr im Ellis seid). Vorallem beim ersten Besuch dort. Nur nicht unterbuttern lassen und nachfragen wenn etwas nicht klar ist oder man nicht einverstanden ist.

Ich wünsche euch alles Gute.

LG Arstin

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von Schnuffzt am 16.09.2015, 19:24 Uhr

Ich möchte niemanden zu nahe treten u.auch nicht behaupten,das der AP ein Fake ist, aber ich persönlich kann es mir schwer vorstellen, das man so viel Zeit u.Energie f.so einen langen u.ausführlichen Text aufbringen kann während das eigene Kind auf der Frühchenstation liegt u.die Frau auf der Intensiv. Da hätte ich persönlich andere Sachen zu tun. Alles Gute aber f.Deine Frau u.Dein Kind.

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von bienchen222 am 16.09.2015, 20:29 Uhr

Es könnte ja sein dass die Geburt schon länger zurück liegt und er es jetzt erst, vielleicht nach Jahren, hier aufschreibt.

Der Text hat mich sehr berührt, auch wenn ich so etwas zum Glück nicht durch machen musste.

Ich wünsche der Familie alles alles Gute und hoffe dass sich Mama und Tochter gut erholen!

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von Schnuffzt am 16.09.2015, 22:44 Uhr

Das könnte natürlich sein. Aber warum wird dann ein so ellenlanger Bericht nicht mit einem Satz wie “heute geht es meiner Tochter und meiner Frau gut“ beendet. Wäre ein schöner Abschluß gewesen u.ich habe mi denText auch ganz durchgelesen.

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mein Mann....

Antwort von fünf-kleine-hüpfer am 17.09.2015, 14:08 Uhr

hat sich in die Arbeit geworfen und sogar ehrenamtliche Termine wahrgenommen als ich mit unsren drei Frühchen in der Klinik war.

Er meint, er wäre sonst zuhause verrückt geworden...

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von CPMan am 18.09.2015, 17:14 Uhr

Manchmal wünschte ich mir, dass ich mir das alles bloß eingebildet hätte, aber es ist die Wahrheit. Ich bin aber im Schreiben tatsächlich ein wenig geübt und für mich war das Schreiben ein Weg, alles zu verarbeiten und die Gedanken zu sortieren. Ich bin auch relativ schnell wieder in die Schule zur Arbeit gegangen um mir nicht die ganze Zeit Sorgen machen zu müssen und um den Kopf wieder frei zu kriegen für andere Dinge. Sonst, fürhcte ich, wäre ich auch durchgedreht.

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von bienchen222 am 18.09.2015, 20:36 Uhr

Und wie geht es deiner Frau und deiner Tochter inzwischen?

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von CPMan am 19.09.2015, 11:38 Uhr

Meine Frau ist schon länger wieder zuhause und es geht ihr gut. Meine Tochter ist noch immer im Krankenhaus, auch ihr geht es gut. Sie hat nur noch ein kleines Problem mit der Sauerstoffsättigung im Blut, vor allem wenn sie trinkt. Wir hoffen aber, dass wir sie nächste Woche mit nach Hause nehmen können.

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Re: mein Mann....

Antwort von CPMan am 19.09.2015, 11:41 Uhr

Kann ich sehr gut nachvollziehen.

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von bienchen222 am 19.09.2015, 21:21 Uhr

Schön das freut mich wenn es den beiden besser geht. Alles Gute für euch!

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Re: mein Mann....

Antwort von Yanla am 21.09.2015, 21:33 Uhr

Danke für deine Geschichte (Fach Deutsch und was noch?)

Und außerdem: Herzlichen Glückwunsch zu Eurer kleinen Marlene!
Ich hoffe ganz fest für euch, dass ihr sie bald nach Hause nehmen könnt.
Mir hat damals erstmal gar nichts geholfen. Und dann irgendwann die Aussage: Sieh es halt so, dass du das kleine Kindlein ein bisschen früher kennen lernen durftest.

Deine Geschichte hat gar nichts mit mir zu tun und doch so viel:
der Blinddarm war es in Schwangerschaft 2 (wurde allerdings schnell erkannt, 7. Monat), das Frühchen in Schwangerschaft 3. Das Schuljahr war noch gar nicht vorbei, die Abschlussfeier und die Konferenz waren noch eingeplant und dann war mein Leben auf einmal von so ganz anderen Prioritäten bestimmt. Dass ich alles aufschreiben musste, um irgendwann wieder einen klaren Kopf zu bekommen, war schnell klar. Auf der Neugeborenenintensiv war genügend Zeit, meine 2 größeren Kindern mussten irgendwie ohne mich klar kommen. Irgendwann gab es mich dann zumindest abends für die beiden.
Eine Anna gibt es bei uns auch....

Ist alles schon 4 Jahre her und eigentlich gut verarbeitet und abgehakt. So eine mitreißende Geschichte wie deine zeigt aber, dass es doch nur gut unter der Oberfläche verpackt ist und jederzeit wieder hochkommen kann.

Dennoch: es war eine wahnsinnige Zeit, emotional aufwühlend und fürchterlich anstrengend.
Danach war mir immer bewusst, dass Frühchen heißt, normale Entwicklung ist nicht automatisch gebucht. Mir war aber genauso bewusst, dass mir das nicht mehr so bedeutsam war wie vorher. Bei diesem Kind hab ich mir so viele Sorgen gemacht und so viele Tränen geweint. Und das alles in so wenigen Wochen. Es ist dann bei mir daheim gewesen, hat getrunken, mich nachts geweckt, war auf meinem Arm, hat gelacht und mir Freude gemacht. Egal welche Entwicklung kommen sollte, es war bei mir und dafür war ich dankbar.

Jetzt ist mein kleines Frühchen ein aufgewecktes, plapperndes, fröhliches Wesen.

Ich wünsche euch von ganzem Herzen alles Gute!
Yanla

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Re: mein Mann....

Antwort von CPMan am 22.09.2015, 22:06 Uhr

Hallo Yanla,

vielen Dank für deine Anteilnahme und deine tröstenden Worte. Mich interessiert deine Blinddarmgeschichte. Im 7. Monat sagst du: Haben Sie das Kind dann auch geholt oder nur den Blinddarm? War der nur entzündet oder hattest du einen Durchbruch?

Marlene ist seit gestern zuhause und wir versuchen uns Schritt für Schritt daran zu gewöhnen, uns nicht allzu viele Sorgen zu machen. Ist aber nicht so einfach wie man denkt.

Gruß,

CPMan

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Re: mein Mann....

Antwort von Yanla am 23.09.2015, 15:28 Uhr

Hallo,

schön, dass Eure kleine jetzt daheim ist! Auch wenn man anfangs noch gestresst ist, weil man nach jedem Schnauferer horcht und kein Monitor mehr da ist, auf den man sich verlassen kann. Aber im Krankenhaus hätte sie euch sicher nicht gehen lassen, wenn es nicht ok wäre.
Eine schöne Zeit daheim als kleine Familie!

Wegen meinem Blinddarm damals:
Nein bei mir wurde das Kind nicht geholt, sondern nur der Blinddarm. Das ist wohl nicht so problematisch, Anästhesie wird auf Schwangerschaft angepasst und der Schnitt etwas anders gesetzt und größer gemacht, weil das Kind im Weg liegt und der Operateur den Blinddarm quasi erstmal suchen muss. Den schiebt wohl jedes Kind woanders hin.
Es wurde hier vor Ort im Kreiskrankenhaus gemacht, das keine Neugeborenenintensiv hat. Ich hab mir damals keine Gedanken darüber gemacht, ob so etwas im Hintergrund da sein sollte, die Ärzte hatten da aber auch keinen Zweifel.

Es ging allerdings alles wahnsinnig schnell. Ich hatte 2-3 Tage das Gefühl einer Zerrung im Bauch, hab mir dabei aber nichts gedacht, weil es in der Schwangerschaft ständig irgendwo ziept. Sonntag morgen hatte ich dann ziemlich Bauchschmerzen, die sich im Laufe des Vormittags verschlimmerten, so dass ich auch nicht mehr gut laufen konnte. Mein Mann ist selbst Chirurg und hat den Blinddarm als Möglichkeit im Kopf.

Wir sind dann mittags im Krankenhaus aufgeschlagen, ich war mir ziemlich sicher, dass es nichts ist, was mit dem Kind zu tun hatte. Wurde trotzdem erstmal in den Kreißsaal geschickt und musste auf den Frauenarzt warten. Nachdem der alles gynäkologische ausgeschlossen hat, wurde die Diagnose vom chirurgischen Oberarzt relativ schnell bestätigt. Und dann ging es sehr schnell.
Ich hatte gerade noch Zeit, bei meiner Kollegin anzurufen, mit der ich am nächsten Tag ins Schullandheim fahren wollte, und dann lag ich schon auf dem OP-Tisch.

Nach der OP verlief alles normal (außer dass eben die Narbe deutlich größer und mitten am Bauch war), nach 3 Tagen konnte ich heim. Den Rest der Schwangerschaft hatte ich allerdings Probleme mit längeren Belastungen. Entbinden konnte ich normal, da nach 2 Monaten die Narbe so gut verheilt war, dass keine Gefahr mehr Bestand, dass etwas während der Geburt nachgibt.
Insgesamt war für mich die ganze Sache sehr undramatisch, weil alles so rasant ging und ziemlich schnell klar war, was das Problem ist und dass das gut zu beheben ist. Zum Sorgen um das Kind machen blieb letztlich keine Zeit.

Eine Bekannte von mir hatte einen Blinddarmduchbruch im 4. Monat. Der wurde wohl auch wegen der Schwangerschaft zu spät als das erkannt, was er war. Es war alles wohl etwas knapp (vor allem für die Mutter), aber die Schwangerschaft blieb letztlich unbeeinträchtigt.

Ich wünsche euch alles Gute!

LG Yanla

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Re: mein Mann....

Antwort von niccolleen am 24.09.2015, 20:18 Uhr

:-) Wir waren das erste Mal nach einer Woche auf der Notambulanz, war natuerlich nichts, aber man macht sich am Anfang weiss ich was fuer Sorgen und kann vieles noch nicht einschaetzen. Dort haben sie gemeint, wir haben eh recht lang durchgehalten, die meisten Fruehcheneltern in der Situation sind innerhalb der ersten 3 Tage schon wegen irgendeinem Problem oder Zweifel in der Ambulanz...

lg
niki

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von SabrinaO1981 am 04.10.2015, 1:09 Uhr

Das hast du sehr schön und ausführlich geschrieben.

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Re: Erfahrungsbericht Frühgeburt

Antwort von CPMan am 05.10.2015, 15:41 Uhr

Danke!

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