Frage: Milcheiweißallergie und Stillen

Hallo liebe Experten, bei meiner Tochter, fast 11 Monate alt, besteht der Verdacht auf eine Kuh- Milchallergie. Im Alter von 4 Monaten ist sie nach einem Aptamil Fläschchen kollabiert und im Alter von 8 Monaten, als sie den Milchbrei mit Kuhmilch bekommen hat, hat sie schwallartig mehrmals gebrochen. Gleicher Verlauf wie beim 1 Mal nur ohne Ohnmacht. Im Blut ist nichts nachweisbar was auf eine Allergie schließt. Beide Male mussten wir den Rettungsdienst rufen und waren in der Klinik. Die Ernährungsberatung der Klinik ist sich bezüglich der Milchallergie sicher und drängt auf die Gabe eines Milchersatzes wie Althera oder ähnliches, damit mein Kind ausreichend mit Kalzium versorgt wird. Sie sagt, dass Stillen nach Bedarf nicht ausreichend sei. Der Kinderarzt dagegen sagt, dass es nicht erforderlich sei ihr einen Milchersatz zu geben. Er sehe auch die Milchallergie als nicht bestätigt an und sagt, ich soll ihr einfach mal wieder Milch geben. Dies werde ich aber unter keinen Umständen im Selbstversuch machen. 2x Notarzt reicht. Mein Kind wird seit einigen Wochen nachts nun auch stündlich wach und beruhigt sich auch nur an der Brust. Dies ist auch der schnellste Weg, dass wir nachts alle schnell wieder weiter schlafen können. Der Kinderarzt sagte mir heute sehr vehement, dass das eine Erziehungssache sei, sie nachts gar keine Milch bräuchte, ich sie verwöhne und sie nur wach werde, weil sie meine Nähe wolle. Ich soll mal ans Abstillen denken... Würde ich ihr außerdem den Abend Milchbrei geben, wäre sie satt und würde schlafen. Nun meine Fragen. 1. Ich stille, trotz Beikost, bei Bedarf, d.h 1x am Tag und ansonsten nachts . Reicht dies oder ist tatsächlich Althera erforderlich? Kann ich den Kalziumbedarf nicht durch die Ernährung anderweitig abdecken ohne dieses Chemiezeug wie Althera? 2. Bin ich tatsächlich Schuld daran, dass mein Kind nachts stündlich wach wird und an die Brust will? Verziehe ich sie damit tatsächlich? Wie könnte ich das Durchschlafen hinbekommen? Abstillen will ich auf gar keinen Fall, vorallem da ich ihr ja keine Kuhmilch geben kann. Zu erwähnen ist, dass sie bei uns im Bett schläft, Familienbett, da sie seit ihrer Geburt noch nie alleine schlafen konnte. Wir hatten auch einen sehr schwierigen Start und sie kam 4Wochen zu früh per Kaiserschnitt. Vorweg vielen Dank für Ihre Rückmeldung. LG Dohach

von Dohach am 27.01.2020, 16:11



Antwort auf: Milcheiweißallergie und Stillen

Liebe Dohach, ein Baby muss eine gewisse Reife erreichen, um längere Zeit schlafen zu können. Wann dieser Zeitpunkt erreicht wird, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Eine Flasche mit künstlicher Säuglingsnahrung (oder ein Abendbrei) verbessern das Schlafverhalten nicht (das wurde in Studien nachgewiesen). Es gibt nicht wenige Kinder, die dann sogar noch weniger schlafen. Auch wenn das Kind am Tag viel isst, schläft es nicht besser, denn es wacht ja nicht nur wegen dem Hunger auf, sondern sucht Nähe und Geborgenheit! Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die auch mit 12 Monaten noch nicht so weit sind. Gerade wenn ein Kind so auf Kuhmilch reagiert, ist es doch GUT, wenn es möglichst lange mit Muttermilch versorgt wird! Mit sieben bis neun Monaten braucht das Kind noch mindestens drei Milchmahlzeiten, mit zehn bis zwölf Monaten noch mindestens zwei. Wird das Kind ausreichen häufig gestillt, braucht es keine andere Milchnahrung und auch keinen Milchbrei oder Flaschennahrung. Man kann eine Faustregel aufstellen, dass ein Baby mit sieben Monaten eine bis zwei zusätzliche Beikostmahlzeiten ergänzend zur Muttermilch bekommt, mit acht Monaten zwei bis drei, mit neun Monaten zwei bis vier, mit zehn Monaten vier und mit zehn bis zwölf Monaten drei bis fünf. Daneben kann und darf es so oft gestillt werden, wie es möchte. Nach dem ersten Geburtstag benötigt ein (ungestilltes) Kind etwa 350 ml Milch (oder etwas mehr als einen kleinen Joghurt) und 20 g Käse, um seinen Milchbedarf zu decken. Das heißt, dass ein Kind keineswegs zwingend Milch trinken muss und es ist sogar möglich, dass sich der Mensch nach dem Abstillen ganz milchfrei ernährt. Der Mensch ist ja ohnehin das einzige Säugelebewesen, das nach dem Abstillen noch weiter Milch einer anderen Art auf seinem Speiseplan stehen hat und auch beim Menschen gibt es eine ganze Reihe von Kulturen, die milchfrei und dennoch gesund leben. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen, tragen oder singen. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!! Sehr empfehlenswert ist von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder." Dein Kind kann nicht "verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere: "Das Kind wird verwöhnt und verzogen. "Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit der herumziehst". So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird. Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird? Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, läßt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!" Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt? Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen: Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen. Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden. Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen. Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste. Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: „Tragen") Also, ganz klar: Sie machen nichts falsch. Ganz liebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 27.01.2020



Antwort auf: Milcheiweißallergie und Stillen

Liebe Frau Welter, vielen Dank für die ausführliche Antwort und Ihre einfühlsamen Worte. Sie haben mich wieder beruhigt und bestärkt, in dem was ich tue. LG Dohach

von Dohach am 28.01.2020, 13:34



Antwort auf: Milcheiweißallergie und Stillen

Vielen lieben Dank, die Rückmeldung bedeutet mir viel!!! Biggi

von Biggi Welter am 28.01.2020