Frage: Friedensengel oder Opfer?

Sehr geehrter Herr Dr. Posth, mein Sohn (4 1/4) laesst sich von anderen Kindern seiner KIGA-Gruppe, die rauher sind als er, viel gefallen und weint eher als sich verteidigt (vor allem koerperlich). Als ich ihn neulich gefragt habe, ob er ein Maedchen, das ihn sehr piesakte, nicht einmal zurueckschlagen wolle, hat er gemeint, er wolle nicht, da er sonst in die Ecke muesse. Ich sagte ihm, dass es vielleicht manchmal wert sein koenne, eine kleine Bestrafung in Kauf zu nehmen, um eine dumme Situation zu bereinigen, aber er besteht darauf, nicht zurueckzuschlagen. Ist das bedenklich? Ich habe etwas Angst, dass er zu einem "Opfer" wird. Zum Umfeld: Mein Sohn geht gerne in den KIGA, meist muss ihn die Kigaertnerin sogar auffordern, mir doch noch Tschuess zu sagen, so beschaeftigt ist er ab der ersten Minute. Er ist dort insgesamt sehr beliebt, selbst das "schlagende" Maedchen wollte eigentlich erreichen, seine Freundin zu sein. Was macht man? Danke Michaela

Mitglied inaktiv - 18.06.2007, 10:39



Antwort auf: Friedensengel oder Opfer?

Stichwort: Moralentwicklung Liebe Michaela, es ist ein Irrtum zu meinen, man müsse sein eher defensives Kind um seiner selbst willen zu mehr Offensivität anleiten. Defensive Strategien können im sozialen Gefüge genauso erfolgreich sein wie offensive. Nur kommt Defensivität in der Gesellschaft generell schlechter weg, und zwar immer mit dem Argument, ein solches Kind laufe Gefahr, dauerhaft Opfer zu sein. Dagegen muß man sehen, daß offensive Kinder keineswegs durchweg erfolgreich im sozialen Miteinander sind, sondern viel eher Gefahr laufen, abgelehnt und ausgegrenzt zu werden. Wie Sie an den Sympathiebekundungen im Ki-ga für Ihren Sohn ersehen, ist es in seinem Fall offensichtlich auch so. Aber ein defensiv agierendes Kind ist auch nicht gleich ein Friedensengel. Es ist einfach nur geschickt genug, auch mit versteckten Strategien sich zu behaupten und sich seine Vorteile zu verschaffen. Das gelingt ihm deshalb, weil es mit sich im Reinen ist. Die Angst vor Strafe hat Ihr Sohn auch gerade deswegen als Rechtfertigung für sein Handeln vorgebracht. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 20.06.2007