Frage: alles nachmachen

Hallo Herr Dr. Posth, hatte Ihnen schon mal vor einiger Zeit gepostet, daß meine Tochter anderen Kindern alles nachmacht. Mittlerweile ist sie 3 Jahre und 4 Monate alt und es hat sich nichts geändert. Sie geht seit Juni in den Kindergarten. Seit September geht das Nachbarsmädchen in die gleiche Gruppe, sie ist genauso alt wie meine Tochter. Ihr macht sie wirklich grundsätzlich alles nach - jeden Luftsprung, jeden Seufzer etc. Heute sagte mir die Erzieherin, daß sobald sie, also die Erzieherin, anfängt mit dem Nachbarsmädchen zu schimpfen weil sie irgend etwas nicht weggeräumt hat oder dergleichen, meine Tochter anfängt zu heulen! Ich war wirklich perplex! Zudem betonte auch sie, daß meine Tochter dem Nachbarsmädchen alles nachmacht und das Nachbarsmädchen sozusagen die Anführerin wäre! Was sie sagt wird gemacht und meine Tochter lässt sich das gefallen. Ich verstehe nach wie vor nicht warum sie das macht. Meine Tochter ist sehr zurückhaltend, sie sagt morgens noch nicht mal der Erzieherin "Guten Morgen" wenn diese sie begrüsst sondern senkt sogar den Kopf nach unten und macht dabei eine sehr merkwürdige Gesichtsmimik, die nur schwer zu beschreiben ist wenn man es nicht gesehen hat! Auch anderen Erwachsenen gegenüber verhält sie sich so. Nun gut, möchte nochmals auf die Nachahmerei zurückkommen. Wäre es nicht auch Aufgabe der Erzieherin dort ein wenig einzuschreiten, sprich: sie von der Nachahmerei wegzubringen und die Führung des Nachbarsmädchen ein wenig zu unterbinden? Und wie verhalte ich mich am besten - ich habe ihr bisher immer wieder gesagt, sie solle anderen Kindern und vor allem dem Nachbarsmädchen nicht alles nachmachen aber ist das der richtige Weg, sie immer wieder darauf aufmerksam zu machen oder verschlimmert das eher noch alles? Außerdem noch ein weiteres Problem: Vor gut 1 1/2 - 2 Jahren hatte sie eine extreme Selbstbefriediungsphase, die dann von heute auf morgen verschwand. Seit gut 2 Wochen hat sie den "Spaß" daran wieder entdeckt. Sie macht es allerings Gott sei Dank nur zuhause, habe ihr auch gesagt, daß es etwas ganz persönliches ist, daß man nur zuhause macht. Nun gut, allerdings tut sie es nun in jeder freien Minute! Sie sitzt auf dem Boden, die Beine wie Froschbeine nach aussen gestreckt und reibt mit dem Schritt über den Boden. Ich versuche sie so oft und so gut wie möglich abzulenken. Doch verlasse ich den Raum nur für einen Moment ist sie wieder dabei! Es ist nun aber auch so, daß ich nicht ständig nur bei ihr sitzen kann, ich habe auch schon mal Dinge im Haushalt etc. zu tun. Als ich gestern die Küche sauber gemacht habe, was fast eine Stunde gedauert hat, war sie die ganze Zeit nur am "juckeln"!! Ist das noch "normal"? Wenn ich sie morgens zum Frühstück an den Tisch rufe muß ich mir den Mund fusselig reden weil sie einfach nicht kommen will, da sie ja gerade wieder dabei ist sich selbst zu befriedigen und es scheinbar so schön ist, daß sie nicht aufhören will... es gibt morgens unzählige Situationen. Oft endet es dann in Geheule ihrerseits weil ich einfach etwas lauter werde! Aber was soll ich machen, morgens ist die Zeit halt begrenzt und ich kann einfach nicht auswarten bis sie endlich mit ihrer Selbstbefriedigung fertig ist! Wie verhalte ich mich in solchen Situationen? Wie verhalte ich mich generell? Bin im Moment etwas überfordert weil es mich mittlerweile ganz einfach nervt sie nur noch "juckelnd" auf dem Boden zu sehen! Vielleicht haben Sie ein paar hilfreiche Tips für mich, wäre Ihnen wirklich sehr dankbar! Gruß Sandra

Mitglied inaktiv - 12.12.2003, 21:11



Antwort auf: alles nachmachen

Liebe Sandra, auch in Ihrem "Fall" muß ich etwas allgemeiner werden. Ihre Tochter scheint bisher sehr wenig Selbstbewußtsein entwickelt zu haben. In ihr überwiegt noch stark das Gefühl der Scham. Sie besitzt auf der anderen Seite wenig Stolz auf ihre Leistungen oder sich selbst ganz allgemein. Daher "versteckt" sie sich, wenn sie von Fremden oder Erwachsenen und vielleicht auch älteren Kindern angesprochen wird, und daher schlüpft sie gerne in die Rolle der von ihr bewunderten Freundin. Das geht offenbar so weit, daß sie sich selbst kritisiert fühlt und weint, wenn eigentlich die Freundin abgemahnt wird. Das Rollenspiel wird jetzt altersgemäß übrigens typisch für Ihre Tochter werden. Um sich selbst positive Attribute (s. Langtext über das emotionale Bewußtsein, Teil 2u.3) zu verschaffen und sich damit aufzuwerten (rein gefühlsmäßig), wählt sie die Selbstbefriedigung, die sie für sich offenbar wiederentdeckt hat. So etwas gilt sicherlich auch für viele andere Kinder, die sich so früh selbstbefriedigen. Als Mutter und Vater müssen Sie dafür sorgen, daß Ihre Tochter eine starke Selbstaufwertung durch Ihre Signale bekommt. Das geht nicht mit einfachem Lob (Triple P, etc.). Um ein Lob annehmen zu können und bei sich "einzubauen", muß erst einmal ausreichend Selbstbewußtsein vorhanden sein. Also es muß ein fruchtbarer Boden dafür vorhanden sein. Den müssen Sie jetzt schaffen und das geht nur durch einfühlsame Zuwendung, Verständnis, Akzeptanz von Trotzerscheinungen als Selbstverteidigung und zur jeweiligen Situation passende Anerkennung. Das Kind muß verstehen können, warum und wofür es die Anerkennung bekommt. Sonst fehlt das Erlebnis dazu und die Anerkennung wird theoretisch und selbstfremd, wie z.B. irgendwelche aufwendigen Geschenke, die außer jeder Reihe gemacht werden. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 13.12.2003