Frage: Ängstliches Kind

Hallo Dr. Posth, Philipp ist 25 Monate alt und zählt wohl zu den ängstlichen Kinder. Er ist für sein Alter schon recht fit (sagte zumindest die Ärztin bei der U7), spricht schon in ganzen Sätzen und hat eine blühende Phantasie. In letzter Zeit entwickelt er aber Ängst, die ich sehr komisch finde. So fragt er z.B. beim Zubettgehen, ob keine Mann kommt, oder ob niemand im Schrank ist. Ich verstehe nicht, wie er auf solch Sachen kommt, wir haben ihm diesbezüglich auch nie offensichtlich Angst gemacht. Auch träumt er in letzter Zeit schlecht, wacht Nachts auf und weint, fragt mich dann z.B. nach dem alten Casettenrecorder(den wir einen Tag zuvor in den Müll geschmissen hatten da er kaputt war) und fragt :Der macht nichts?!. Können wir ihm da irgendwie helfen oder ist dies ein ganz normaler Entwicklungsschritt, den alle Kinder durchleben? Wie reagiere ich am Besten (einfach nur beschwichtigen oder doch eher ernst nehmen und darauf eingehen? Viele Grüße Tina

Mitglied inaktiv - 18.09.2006, 20:27



Antwort auf: Ängstliches Kind

Stichwort: magische Phase Liebe Tina, es gibt im Leben des Kleinkinds ein Stadium, das man die magische Phase nennt. In dieser Phase werden häufig Gegenstände animiert, d.h. sie erhalten in der Phantasie des Kindes einen lebendigen Charakter und damit Kräfte, die sonst nur Menschen besitzen. Menschen werden auch Gegenständen zugeordnet in der Form, daß die Funktion des Gegenstandes mit menschlichem Verhalten verbunden wird. Nehmen Sie den Schrank: Der Schrank besitzt einen Hohlraum, in dem man Sachen unterbringt. Aber man kann auch einen Menschen darin unterbringen (Darüber gibt es bestimmte Witze!). Das Kind empfindet genau solche Dinge und klettert selbst in den Schrank hinein, um das auszuprobieren. Nun spielt dem Kind das Gehirn einen Streich: Nicht es selbst, sondern ein fremder Mensch könnte in dem Schrank sitzen und wenn das Schrankholz in der Zimmerwärme nachts auch noch knackt, denken sogar Erwachsene, ein Mensch säße vielleicht darin. So entstehen Ängste, wenn der Boden ohnehin angstbereit ist. Das Trauma mit dem weggeschmissenen Casettenrecorder ist die Angst des Kindes, von der Mutter verlassen zu werden, denn plötzlich besitzt der Recorder ein Seele und "weint" im Mülleimer, oder ist böse und will sich wehren (der machts nichts?). Diese Phase muß eigentlich als Entwicklungsfortschritt gelten, wird aber später von rationalen Überlegungen abglöst. Nur in den Künsten bleiben solche Elemente des Fühlens und Denkens erhalten (z.B. im Surrealismus). Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 22.09.2006