Zwänge Sohn 6 Jahre

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Zwänge Sohn 6 Jahre

Hallo Dr. Nohr, für meinen Sohn (sehr sensibel, denkt sehr viel nach, schon immer starkes Autonomiebedürfnis, Trennungen von mir schon immer schwierig) war der Eintritt in die Schule ein sehr einschneidender Schritt. Er kommt dort gut zurecht, muss aber jeden Morgen von mir hinbegleitet werden, obwohl seine große Schwester mitgeht. Jeden Tag packt er 7 Kuscheltiere in seine Tasche, die ihn oft auch bei anderen Unternehmungen, und sei es nur Einkaufen, im Rucksack begleiten. Mittlerweile sammelt er Papierschnipsel, Blätter, Stöckchen und auch Müll, fängt an zu weinen und reagiert nahezu panisch, wenn er etwas wegwerfen soll. Ich habe versucht, stressfrei damit umzugehen, da Druck bei ihm nur das Gegenteil bewirkt. Trotzdem mache ich mir viele Gedanken. Vor kurzem waren wir in einem Lokal, da wollte er die Zitrone aus seinem Getränk mit nach Hause nehmen, hat sein Essen, obwohl er mehr als satt war, aufgegessen, nur damit nichts weggeschmissen werden muss. Auf Nachfrage erzählt er, dass für ihn alle Gegenstände eine Seele haben und er es dem Papier / der Zitrone etc. nicht antun kann, sie wegzuwerfen. Letztens brach er beim Lesen eines Müllabfuhr-Buches in Tränen aus. Ich mache mir Sorgen, dass das immer schlimmer wird und ihn zunehmend im Alltag einschränkt. Und ich weiß oft nicht mehr, wie ich reagieren soll bzw. ihm helfen kann. Sollen wir uns therapeutische Hilfe holen?

von B-Fox am 12.12.2019, 08:13



Antwort auf: Zwänge Sohn 6 Jahre

Hallo, vor dieser Frage habe ich immer wieder gestanden. Ist es wirklich sinnvoll, therapeutisch mit jemandem arbeiten, der viel mehr von dem wahrnimmt, was in dieser Welt alles schief läuft. Er leidet darunter UND unter der Reaktion der "Dickwandigen". (Der Chef einer psychotherapeutischen Klinik begrüsst die neuen Patienten mit dem Satz" sie müssen wissen, die Kranken sind draussen") Wenn der Alltag Ihres Sohnes durch diese Sorgen und Ängste zu sehr eingeschränkt ist, ist eine therapeutische Unterstützung sinnvoll. Ich würde aber, unabhängig vom Therapieverfahren, jemanden suchen, der/die wertschätzend mit den Wahrnehmungen und Bewertungen Ihres Sohnes umgeht. Es ist ja was sehr Wertvolles, wenn Kinder sensibel und wahrnehmungsfähig sind. Es ist aber ein leidvoller Weg in einer Gesellschaft, die wenig wertschätzend mit den Menschen und der Umwelt umgeht. Es geht also darum, diese Fähigkeit zu erhalten und Ihrem Sohn trotzdem besser zu ermöglichen, mit dieser Realität (und seinen Ängsten) klarzukommen. Dr.Ludger Nohr PS Ich habe sehr gerne mit diesen Kinder gearbeitet, vor allem wenn es uns gelang, dies nicht als Be-Handlung zu verstehen.

von Dr. med. Ludger Nohr am 12.12.2019



Antwort auf: Zwänge Sohn 6 Jahre

Hallo, auch wenn es den Alltag verständlicherweise beschwerlich macht, finde ich es wirklich beeindruckend, wie weit Dein 6-jähriger Sohn mitdenkt und wie sehr ihn so etwas berührt. Das musste ich nur mal loswerden. Viele Grüße und alles Gute!

von Curcuma am 12.12.2019, 21:01



Antwort auf: Zwänge Sohn 6 Jahre

Vielen lieben Dank für die positiven Worte. Das hilft mir sehr, mir nicht ständig den Kopf über Frage „Ist das noch normal?“ zu zerbrechen. Vielleicht können wir so beide wieder entspannen.

von B-Fox am 12.12.2019, 22:08



Antwort auf: Zwänge Sohn 6 Jahre

Hallo, Vielleicht könnt ihr auch darüber sprechen, was aus den Dingen wird, die wir wegwerfen. Wenn die Papierschnipsel zb recyclet werden, kann etwas neues daraus entstehen. Es werden weniger Bäume für neues Papier gefällt (vielleicht das mit den gefällten Bäumen erstmal weglassen). Ihr könntet sogar selbst mal Pappmachee machen und was basteln. Genauso bei Plastik. Lebensmittelreste können kompostiert und als Blumenerde verwendet werden. Falls ihr keinen Garten habt, gibt es sogar so kleine Komposteimer für die Wohnung oder ihr baut eine Wurmkiste und er kann zusehen, wie die Reste wieder zu Dünger werden. Ganz viele Dinge müssen ja nicht wirklich verloren gehen. Es wird etwas neues daraus. Ihr könnt euch die Geschichte des kleinen Papierschnipsels erzählen, der unbedingt Teil eines Buches werden wollte und es auf Umwegen über andere Produkte dann schafft. Ich war als Kind auch ein bisschen so. Oder wahrscheinlich bin ich es immer noch. Viele Grüße Ulli

von Ulli123 am 30.12.2019, 18:32