Mitglied inaktiv
hallo, ist es möglich, dass man zu wenig muttermilch haben kann, um sein Kind ohne zufüttern satt zu bekommen?
Liebe Alexa, etwa 98 % aller Frauen können stillen, vorausgesetzt, sie bekommen die richtigen Informationen, werden korrekt unterstützt und wollen stillen. Der Umkehrschluss von dieser Aussage lautet: zwei Prozent aller Frauen können tun und lassen was sie wollen, können die beste Unterstützung der Welt erhalten und werden dennoch nicht (voll) stillen können. Gründe für eine zu geringe Milchbildung oder gar ein Ausbleiben der Milchbildung können in unterentwickeltem Drüsengewebe, aber auch bei Stoffwechselproblemen liegen (so hat eine Schilddrüsenunterfunktion möglicherweise einen gravierenden Einfluss auf die Milchbildung). Auch extrem starke Blutungen nach der Geburt können dazu führen, dass die Frau eine Art Hypophyseninfarkt erleidet und keine oder nur sehr wenig Milch bilden kann (Sheehan Syndrom). Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist auch das Stillmanagement in der Zeit unmittelbar nach der Geburt. Nicht immer, lässt sich alles, was in diesem Zeitraum nicht optimal gelaufen ist, wieder korrigieren. Es gibt die "Prolaktin Rezeptoren Theorie", die besagt, dass das häufige Saugen des Babys in den ersten Tagen der Stillperiode die Entwicklung der Prolaktinrezeptoren im Brustdrüsengewebe fördert. Bleibt die Förderung dieser Entwicklung durch zu wenig Stimulation aus, ist es nicht immer möglich die Milchmenge später entsprechend zu steigern. Im Tierversuch ist diese Theorie bereits belegt. Ein ganz anderer Gesichtspunkt, der keinesfalls so augenscheinlich ist, ist die Psyche der Frau. Wenn wir eine Frau mit Stillproblemen vor uns sehen, kennen wird nur sehr selten die Geschichte dieser Frau. Wir wissen in der Regel nicht, ob sie zum Beispiel als Kind oder Jugendliche missbraucht wurde und deshalb die Nähe, die das Stillen unwillkürlich mit sich bringt, nicht ertragen kann. Diese Frau will vielleicht wirklich stillen, versucht auch vieles und schafft es nicht, weil ihre Psyche es nicht zulässt. Leider ist dieser letzte Punkt viel häufiger die Ursache für Stillprobleme, als wir es uns oft vorstellen. Auch andere psychische Ursachen sind nicht gerade selten. Bei vielen Frauen ist es aber nach wie vor so, dass es schlicht und ergreifend an der mangenden Betreuung und falscher Information liegt. So wird zum Beispiel immer noch geraten, dass stillende Frauen extrem viel trinken müssten, um die Milchbildung zu fördern, obwohl bewiesen ist, dass eine zu hohe Flüssigkeitszufuhr zu einer Verringerung der Milchmenge führen kann. Es wird immer noch viel zu wenig Augenmerk auf das korrekte Anlegen und richtige Saugen des Kindes gelegt, beides Faktoren, die nicht nur wegen der wunden Brustwarzen sondern auch für die optimale Stimulation der Brust extrem wichtig sind. Viele Frauen werden immer noch angehalten das Stillen sowohl was die Häufigkeit als auch die Zeit an der Brust betrifft einzuschränken obwohl letztlich der wichtigste Faktor für die Milchbildung das häufige Anlegen bzw. Anregen der Brust ist. Ich hoffe, meine Antwort ist dir jetzt nicht zu ausschweifend geworden. LLLiebe Grüße Biggi
Mitglied inaktiv
Liebe Biggi Welter, vielen Dank für die ausführliche Antwort! :-) Ich habe eine Tochter, die mittlerweile 9 Jahre alt ist, mit der damals das Stillen nicht geklappt hatte. Es ist wohl wahrscheinlich, dass ich seinerzeit zu wenig Infos bekommen und/oder gesucht habe. Ich hatte mir damals in der Schwangerschaft keinerlei Gedanken darüber gemacht, dass es überhaupt Schwierigkeiten beim Stillen geben könnte! Vielleicht war ich selbst da auch zu unwissend. Jetzt bin ich zum zweiten mal schwanger (erst im 3.Monat) und möchte mich diesesmal besser vorbereiten. (Damals wurde mir übrigens gesagt, dass es bei manchen Müttern mit dem Stillen eben nicht klappt! - woraufhin ich dann keine weiteren Versuche, die Muttermilch zu fördern, unternommen hatte. Ich musste auch nicht extra abstillen, denn die milch versiegte dann einfach von alleine - es war ja vorher schon fast nichts da!) Ich hoffe, dass ich nicht zu den 2% der Mütter gehöre, bei denen es trotz ausreichender Infos und Hilfestellungen nicht geht!!! Was kann ich denn sonst noch unternehmen, wenn's dann soweit ist - damit ich dann von Anfang an alles richtig mache? Liebe Grüße, alexa
Liebe Alexa, die beste Vorbereitung auf das Stillen besteht darin sich so gut wie möglich zu informieren. Wunden Brustwarzen und anderen Stillproblemen kannst Du am besten dadurch vorbeugen, dass Du dich informierst. Wunde Brustwarzen entstehen in über 80 % der Fälle durch falsches Anlegen oder Ansaugen. Es ist extrem wichtig, korrekt anzulegen. Deshalb ist es entscheidend, dass Du dich möglichst gut über das Stillen und die grundlegenden Dinge wie korrektes Anlegen und Ansaugen, das Prinzip von Angebot und Nachfrage, Stillen nach Bedarf usw. informierst. Ganz wichtig ist dass Du weißt, wie korrekt angelegt ist und woran Du erkennst, dass dein Baby richtig ansaugt und effektiv an der Brust trinkt. Hierzu bietet sich neben dem Lesen der entsprechenden Literatur (z.B. „Stillen Rat und praktische Hilfe für alle Phasen der Stillzeit“ von Marta Guoth Gumberger und Elizabeth Hormann, „Das Handbuch für die stillende Mutter“ von der La Leche Liga, „Stillen einfach nur stillen“ von Gwen Gotsch, das erste bekommst Du im Buchhandel, die beiden letzteren im Buchhandel, bei der La Leche Liga oder jeder LLL Stillberaterin) der Besuch einer Stillgruppe an. In einer Stillgruppe triffst Du nicht nur andere stillende Mütter, sondern Du lernst auch gleich eine kompetente Ansprechpartnerin kennen, für den Fall, dass es nach der Geburt zu Stillproblemen kommen sollte. Wenn Du mir deinen Wohnort mit Postleitzahl angibst, suche ich dir gerne die nächstgelegene LLL Stillberaterin heraus. Ansonsten sollte darauf geachtet werden, dass die Brustwarzen und der Brustwarzenhof beim Waschen nur mit klarem Wasser abgespült wird. Seife oder gar Alkohol (wird manchmal immer noch zum Abreiben der Brustwarzen empfohlen) trocknen die Haut aus und machen sie anfälliger für wunde Brustwarzen. Wenn deine Haut sehr trocken ist und auch die Haut der Brustwarzen sehr trocken ist, kannst Du sie ganz sparsam und dünn mit hochgereinigtem Lanolin einreiben (gibt es unter dem Handelsnamen Purelan, Lanosin oder Lansinoh in der Apotheke). Hochgereinigtes Lanolin muss vor dem Stillen nicht abgewaschen werden, aber bitte wirklich nur hauchdünn verwenden. Während der Schwangerschaft bewirken Hormone, dass die Brust sich auf die Stillzeit einstellt. Die Haut wird geschmeidiger und elastischer, um sich der Brustentwicklung anzupassen, während Brustwarzen und Brustwarzenhof sich vergrößern und die schützende Pigmentierung zunimmt. Die Montgomerydrüsen, kleine Erhebungen am Brustwarzenhof, sondern eine pflegende und schützende Substanz ab, die die Brustwarzen und den Brustwarzenhof vor Austrocknung und Abschuppung schützt. Daher ist sind Abhärtungsmaßnahmen wie Rubbeln mit Frotteetüchern und dergleichen nicht sinnvoll, denn dabei würde diese Schutzschicht entfernt. Viele Frauen machen gar nichts zur Vorbereitung, andere finden es angenehm ihre Brust in den letzten Wochen der Schwangerschaft zu massieren. Als Grundregel gilt: sei liebevoll mit Deiner Brust und tue nichts, was Dir unangenehm ist. Ganz kurz kann man die wichtigsten Punkte für den Grundstein einer erfolgreichen Stillbeziehung auf die folgenden Schlagworte zusammenfassen: Bald stillen oft stillen uneingeschränkt stillen keine Flüssigkeit oder andere Nahrung dazugeben außer bei medizinisch begründeten Fällen. Das Baby sollte so bald wie möglich nach der Geburt zum ersten Mal angelegt werden und dann jederzeit und ohne zeitliche Einschränkung an die Brust dürfen, wenn es das will. Bei eher schläfrigen Kindern oder Babys mit verstärkter Neugeborenengelbsucht muss die Mutter unter Umständen den Takt angeben und dafür sorgen, dass das Kind mindestens acht bis zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden an der Brust trinkt. Tee, Glukoselösung oder Wasser sind überflüssig und vor allem bei einer eventuell verstärkten Neugeborenengelbsucht sogar kontraproduktiv. Das Bilirubin (der gelbe Farbstoff, der für die Gelbfärbung der Haut bei der Neugeborenengelbsucht verantwortlich ist) wird nur zu zwei Prozent über den Urin ausgeschieden, der Rest wird durch den Darm ausgeschieden. Daher ist es unsinnig, die Gelbsucht „ausschwemmen" zu wollen. Wichtig ist, dass der Darm mit Nahrung versorgt wird und die Verdauung angeregt wird, das Mekonium möglichst rasch ausgeschieden wird. Das Kolostrum, die wichtige erste Milch wirkt abführend und begünstigt damit die Ausscheidung des Bilirubins. Der Organismus eines Neugeborenen ist auf viele, kleine Mahlzeiten eingestellt. Sein Magen hat etwa die Größe eines Teebeutels. Kleine Mengen an Muttermilch sind also absolut richtig und in Ordnung. Wichtig ist, dass dein Baby ab dem zweiten, dritten Tag mindestens drei bis vier Darmentleerungen hat und ausreichend Urin ausscheidet. Eine Gewichtsabnahme von etwa sieben Prozent des Geburtsgewichtes innerhalb der ersten Tage ist normal, bis zehn Prozent sind bei einem ansonsten gesunden Kind tolerierbar. Spätestens mit drei Wochen sollte dein Baby sein Geburtsgewicht wieder erreicht haben. Milchbildungstee ist nicht notwendig und es hat keinen Sinn ihn bereits während der Schwangerschaft zu trinken. Wenn überhaupt Milchbildungstee getrunken wird, dann bitte auch nicht mehr als höchstens zwei bis drei Tassen täglich, da mehr zu Bauchproblemen beim Kind führen kann. Erkundige dich doch auch einmal, vielleicht gibt es in deiner Nähe ein stillfreundliches Krankenhaus, dort verläuft der Start der Stillbeziehung oft sehr viel besser und es gibt echte und gute Unterstützung nach der Geburt. Ich wünsche dir schöne restliche Schwangerschaftswochen, eine gute Geburt und diesmal eine problemlose und schöne Stillzeit. Solltest Du noch Fragen haben, bin ich gerne für dich da. LLLiebe Grüße Biggi Welter
Mitglied inaktiv
Liebe Biggi, vielen Dank für deine ausführlichen und vor allem hilfreichen Antworten!!! meine Plz ist 35390 (giessen). Falls dir auch bekannt ist, welches Krankenhaus hier in Giessen stillfreundlich ist, wäre mir das ebenfalls eine sehr große Hilfe. Ansonsten erkundige ich mich natürlich selbst bei den entsprechenden Krankenhäusern. Noch eine andere Frage: ist es sinnvoll, sich schon in der frühen Schwangerschaft um eine Hebamme zu kümmern (das wurde mir nämlich geraten) und wenn ja, warum? Was mache ich denn mit einer Hebamme, wenn das Kind noch lange nicht auf der Welt ist?! Liebe Grüße, alexa
Liebe Alexa, ich denke schon, dass es hilfreich sein kann, wenn man die Hebamme schon bald kennen lernt. So kennst Du die Frau schonmal, hast eine Vertrauensperson und bestimmt gibt es auch in der Schwangerschaft genügend Fragen, wo Du dann froh bist, wenn Du einen Ansprechpartner hast. Du kannst dich an Frau GOLDBACH Monika, Tel.: 0661 45363, sie kann dir sagen, wer die nächste Beraterin für dich ist. In deiner Nähe gibt es kein stillfreundliches Krankenhaus, Du kannst einmal unter www.stillfreundlich.de nachschauen. LLLiebe Grüße Biggi
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