Schilddrüsenüberfunktion-Auswirkung auf Stillen

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Schilddrüsenüberfunktion-Auswirkung auf Stillen

Hallo, bei mir wurde ein TSH-Wert von 0,02 festgestellt. Das entspricht ja einer Schilddrüsenüberfunktion. Ich stille voll.Mein Sohn ist nun 8 Wochen alt und gedeiht bisher gut. Kann ein Funktionsstörung der Schilddrüse das Stillen beeinflussen? Vieler liebe Grüße Cassia

von Cassia am 07.08.2013, 10:26



Antwort auf: Schilddrüsenüberfunktion-Auswirkung auf Stillen

Liebe Cassia, bleib ganz ruhig, eine Schilddrüsenüberfunktion kann auch in der Stillzeit behandelt werden. Ich zitiere aus "Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit" Schaefer, Spielmann, Vetter 7. Auflage 2006: Thyreostatika Erfahrungen. Zu den Thyreostatika zählen Carbimazol (z. B. Carbimazol Hexal®), Propylthiouracil (z. B. Propycil®), Thiamazol (= Methimazol, z.B. Favistan®) und Natriumperchlorat (Irenat®). Carbimazol wird zu Thiamazol als aktivem Metaboliten verstoffwechselt. Carbimazol und Thiamazol besitzen einen M/P-Quotienten von etwa 1. Unter täglich 40 mg Carbimazol wurden Konzentrationsspitzen des Methimazol von 0,72mg/l Milch gemessen (Cooper 1984). Daraus errechnet sich eine relative Dosis für Carbimazol von maximal 27% für Jen gestillten Säugling, im Durchschnitt sind jedoch nur 2-10% der jewichtsbezogenen Dosis anzunehmen (Übersicht in Bennett 1996). Unter 5 mg/Tag Thiamazol konnten maximal 65 µg/l Milch gemessen werden. Ein Säugling erhält demnach täglich bis zu 9,8 µg/kg. Das entspricht etwa 12% der mütterlichen Dosis pro kg Körpergewicht. Im Plasma eines gestillten Zwillingspärchens wurde Thiamazol mit 45 und 53 µg/l im subtherapeutischen Bereich gefunden. Die Kinder zeigten keine Symptome, ihr Schilddrüsenstatus war unauffällig (Rylance 1987). Von 46 gestillten Kindern, deren Mütter einen Monat lang 20 mg Methimazol und von 42, deren Mütter zunächst 30 mg täglich einnahmen und dann bis auf eine Erhaltungsdosis von 5-10 mg reduzierten, wiesen alle gleich bleibend normale T3-, T4- und TSH-Werte auf (Azizi 2002). Nicht nur altersentsprechende Schilddrüsenparameter, sondern auch eine normale psychomotorische Entwicklung bis zum Alter von 49 bis 86 Monaten wurden beobachtet (Azizi 2003). Bei Behandlung mit 400 mg Propylthiouracil wurden in der Muttermilch maximal 0,7 mg/l gefunden. Das sind für den Säugling in 24 Stunden höchstens 0,1 mg/kg, also 1,5% der mütterlichen gewichtsbezogenen Dosis. Der M/P-Quotient liegt bei 0,1 (Kampmann 1980). In älteren, methodisch unzureichenden Untersuchungen wurden M/P-Werte von 12 beschrieben. Eine neuere Untersuchung an elf Kindern, deren Mütter täglich 300-750 mg einnahmen, erbrachte erhöhte TSH-Werte bei zwei Kindern 7 Tage nach der Geburt. Diese normalisierten sich jedoch trotz gleich bleibender oder erhöhter mütterlicher Dosis. Es wurde kein Zusammenhang zwischen der mütterlichen Dosis und dem mütterlichen Schilddrüsenhormon fT4 einerseits und dem kindlichen TSH andererseits gefunden. Die Autoren sehen auch bei der höchsten Tagesdosis kein Risiko für das gestillte Kind (Momotani 2000). Natriumperchlorat ist ein Reservethyreostatikum. Es blockiert die Schilddrüse durch Verdrängung des Iod und wird bei szintigraphischen Untersuchungen anderer Organe mit radioaktiv markiertem Iod verwendet. Durch Perchlorat wird auch der Iodtransport in die Brust gehemmt (Janssen 2001), denn das laktierende Brustgewebe kann Iod anreichern. Erfahrungen zur Stillzeit liegen nicht vor. Empfehlung für die Praxis: Propylthiouracil ist Thyreostatikum der ersten Wahl in der Stillzeit. Thiamazol und Carbimazol können auch eingenommen werden, insbesondere wenn die tägliche Erhaltungsdosis 10 mg nicht überschreitet. Wenn Thiamazol oder Carbimazol in einer höheren Dosierung gegeben werden, oder die Dosis von Propylthiouracil im oberen therapeutischen Bereich liegt, sollten nach etwa 3 Wochen die Schilddrüsenparameter des Säuglings kontrolliert werden. Schilddrüsenhormone dürfen nicht zusammen mit Thyreostatika gegeben werden, da hierdurch eine höhere Dosierung der Thyreostatika erforderlich wird. Natriumperchlorat soll in der Stillzeit nicht genommen werden. Sollte die Ärztin/Arzt nähere Informationen benötigen, können sie sich an die Beratungsstelle für Embryonaltoxikologie in Berlin Tel.: 030 303081111 wenden. Das Team um Dr. Ch. Schaefer hat dort einen speziellen Beratungsdienst für Ärzte zu Medikamentenfragen und Fragen zu Diagnoseverfahren in Schwangerschaft und Stillzeit eingerichtet. Gute Besserung und LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 07.08.2013