Tapi123
Sehr geehrter Herr Dr Paulus, ich stille und habe nächste Woche meinen 1. Impftermin mit biontech. Wie sicher ist der Impfstoff für mein Kind. Ich lese immer nur es gibt "noch" keine Hinweise für sonstiges. Man geht davon aus...und es ist plausible, dass die Mrna abgebaut wird. Das reicht mir aber nicht. Man weiß ja wohl nicht mal, ob die Antikörper das Kinf schützen, warum ist man sich dann in allem anderen so sicher? Es gibt viele medizinische Fehltritte....u.a. Contagan. Ich habe den Eindruck, jeden Tag ändern sich die Daten. Eine kleine Studie aus Israel mit Stillenden, hat ergeben, dass von 76 gestillten Kindern 7 Fieber ubd Symptome bekamen, ein Kind musste im Krankenhaus behandelt werden. Man sei sich nicht sicher, ob es mit der Impfung zusammenhänge. Die Medizin ist sich nicht sicher, alles könnte, muss aber nicht, es ist denkbar und plausibel. Sicherheit vermittelt das nicht. Danke für Ihre tolle Arbeit! Viele Grüße Pia
Schwangere und Stillende waren bei den klinischen Studien im Rahmen der Zulassung der Corona-Impfstoffe ausgeschlossen. Daher lagen diesbezüglich zunächst keine größeren Erfahrungen vor. Die ersten in Deutschland zugelassene Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 basierten auf der Verabreichung von mRNA (BioNTech/Pfizer, Moderna). mRNA ist grundsätzlich sehr instabil. Durch biochemische Modifikationen wurde die Halbwertszeit, die sonst nur Minuten bis Stunden beträgt, verlängert, so dass die mRNA im Impfstoff wohl mehrere Tage wirksam sein kann. Die im Impfstoff von BioNTech/Pfizer und Moderna enthaltene mRNA wird in Lipid-Nanopartikel gehüllt, damit die mRNA überhaupt in die Körperzellen gelangen kann. Innerhalb der Körperzellen wird die mRNA freigesetzt, um die Produktion viraler Spike-Proteine in Gang zu setzen. Diese Proteine lagern sich an die Zelloberfläche an, wodurch sie eine Antwort des körpereigenen Immunsystems auslösen (Le 2020). Es gibt keinen plausiblen Anhaltspunkt, dass intakte virale Spike-Proteine nach der Impfung über die Muttermilch aus dem mütterlichen Kreislauf auf den Säugling übergehen könnten. Es handelt sich hier nicht um einen Lebendimpfstoff, den man in Schwangerschaft und Stillzeit prinzipiell meiden würde. Vorbehalte für Stillende bestehen grundsätzlich nur bei Lebendimpfstoffen (Anderson 2019). Die verantwortlichen Fachgesellschaften in den USA haben sich eindeutig dafür ausgesprochen, Stillenden den Impfstoff gegen SARS-CoV-2 entsprechend den allgemeinen Priorisierungskategorien anzubieten und nicht grundsätzlich von der Impfkampagne auszuschließen (ACOG 2020, ABM 2020, SMFM 2020a, Chervenak et al 2021). Bei Messungen 4 bis 48 Stunden nach Impfung (BioNTech n=5, Moderna n=1) konnte in der Muttermilch keine mRNA bei sechs Stillenden nachgewiesen werden (Golan et al 2021). Sollten intakte Nanopartikel aus dem Impfstoff in die Muttermilch gelangen, würden sie spätestens im kindlichen Gastrointestinaltrakt nach oraler Aufnahme zerstört. Internationale Empfehlungen sehen keine Notwendigkeit für die Verzögerung eines Stillbeginns, einer Stillunterbrechung oder des Abstillens nach Impfung (WHO 2020). Inzwischen haben sich die deutschen Fachgesellschaften dieser Position angeschlossen (DGGG 2021). Die Antwort des Immunsystems auf Impfstoffe gegen COVID-19 ähnelt der Reaktion des Organismus bei einer COVID-19-Erkrankung (Walsh et al 2020, Jackson et al 2020). Die Milch geimpfter Mütter enthält demnach Immunglobuline gegen SARS-CoV-2, was auch dem Säugling zugutekäme (Pace et al 2020, Gray et al 2021, Kelly et al 2021). Die COVID-19-Impfung von Stillenden mit mRNA-basierten Impfstoffen weist eine gleichwertige Antikörperbildung und ein ähnlich geringes Nebenwirkungsprofil wie in der Schwangerschaft und bei nicht-schwangeren Frauen auf. Die Immunität ist ausgeprägter als nach einer Erkrankung an COVID-19 (Gray et al 2021). Vor allem bei persönlichen, durch Komorbiditäten oder Exposition bedingten Risiken für einen schweren COVID-19-Verlauf wie vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen, Autoimmunerkrankungen und ein geschwächtes Immunsystem sowie Diabetes, Hypertonie und Adipositas überwiegt der potenzielle Nutzen der Impfung die theoretischen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Impfung deutlich. Es gibt Einzelberichte von schweren oder kritischen COVID-19-Fällen bei Kindern unter 12 Monaten (Dong et al 2020, CDC 2020), auch wenn Säuglinge per se keine höhere Infektionswahrscheinlichkeit aufweisen und Infektionen häufig asymptomatisch oder mild verlaufen (Mithal et al 2020, Raschetti et al 2020). Durch Immunisierung der Mutter kann jedoch das Risiko für eine kindliche Infektion minimiert werden. Durch Impfimmunisierung gebildete Antikörper stellen nach Sezernierung in die Muttermilch einen potenziellen Infektionsschutz des Säuglings dar. Es konnten virusspezifische IgA-, IgM- und IgG-Antikörper gegen SARS-CoV-2 in Muttermilch von Frauen mit aktiver oder durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft nachgewiesen werden (Lebrao et al 2020, Gao et al 2020, Lackey et al 2020). Die europäische Gynäkologenvereinigung EBCOG setzt sich in einem Positionspapier dafür ein, dass allen schwangeren und stillenden Frauen eine COVID-19-Impfung angeboten wird. Das „European Board and College of Obstetrics and Gynaecology” (EBCOG) geht davon aus, dass rund 1% der symptomatisch erkrankten Schwangeren auf die Intensivstation müssen und etwa 0,15% an der Infektion sterben. Das Risiko wird durch Begleitumstände wie ein Alter über 40 Jahren, Adipositas, Hypertonie und Diabetes weiter erhöht (Martins et al 2021). Nach eingehender Beratung und Bewertung der vorhandenen Evidenz sprach sich die STIKO am 10.09.2021 für die COVID-19-Impfung von bisher nicht oder unvollständig geimpften Schwangeren ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel sowie von nicht oder unvollständig geimpften Stillenden mit zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs aus. Darüber hinaus empfiehlt die STIKO ausdrücklich allen noch nicht oder unvollständig Geimpften im gebärfähigen Alter die Impfung gegen COVID-19, damit bereits vor Eintritt einer Schwangerschaft ein sehr guter Schutz vor dieser Erkrankung besteht. Die Empfehlung basiert auf einer systematischen Aufarbeitung der inzwischen verfügbar gewordenen Daten zum Risiko von schweren COVID-19 Verläufen in der Schwangerschaft sowie zur Effektivität und Sicherheit einer COVID-19-Impfung bei Schwangeren und Stillenden. Angesichts der hohen Inzidenzen halten wir den Einsatz der Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 unter Nutzen-Risiko-Abwägung auch in der Stillzeit für unbedingt ratsam.