Frage im Expertenforum Kinderwunsch an Dr. med. Friedrich Gagsteiger:

Behandlung erhöhte Killerzellen

Dr. med. Friedrich Gagsteiger

Dr. med. Friedrich Gagsteiger
Reproduktionsmediziner

zur Vita

Frage: Behandlung erhöhte Killerzellen

Ma Mi

Beitrag melden

Guten Tag Herr Dr. Gagsteiger, ich bin 42 und habe vier erfolglose Inseminationen sowie zwei Embrytransfere hinter mir (1x Frischtransfer 5AA, biochem.  Schwangerschaft,  1x Kryotransfer 4AA ohne weiteres Ergebnis). Auch wenn mir bewusst ist, dass v.a. in meinem Alter eine fehlerhafte Genetik der wahrscheinlichste Grund ist, dass es nicht klappt, wollte ich andere Gründe für mich ausschließen, da mir leider die Zeit etwas davon läuft. Ich habe daher eine Endometrium-Biopsie gemacht, mit dem Ergebnis, dass meine Killerzellen tatsächlich deutlich erhöht sind (CD56+: 612), Plasmazellen waren ok (CD138+: 0). Ich befinde mich nun schon wieder in in meinem nächsten IVF-Zyklus (kommenden Montag ist voraussichtlich Punktion) und nehme seit dem 1. ZT Prednisolon 5mg, ab dem 6. ZT sollte ich auf 10mg steigern. Laut Therapievorschlag soll die Einnahme mit dem 21. ZT enden, also kurz nach Transfer, wenn alles klappt. Ich frage mich nun, wie das Sinn macht, sollte man es nicht länger nehmen, damit der Embryo nicht direkt wieder abgestoßen wird? Und die Dosierung? Zudem bin ich mir unsicher, evtl. Jetzt doch noch Omega3-Infusionen zusätzlich zu machen (lt. meiner Ärztin wäre das 3 Tage vor und 3 Tage nach Transfer, bei SS ggf. weiter). Leider ist es ja nicht umsonst und ich bin hin und hergerissen, ob es medizinisch tatsächlich ratsam ist? Oder das Prednisolon allein doch ausreicht? Haben Sie auch diesbezüglich evtl. einen Rat für mich? Herzlichen Dank im Voraus + viele Grüße, Ma Mi


Dr. Friedrich Gagsteiger

Dr. Friedrich Gagsteiger

Beitrag melden

Guten Morgen,   vielen Dank für Ihre ausführliche Nachricht und Ihr Vertrauen. Gerne gebe ich Ihnen eine Einschätzung, die Ihnen bei der weiteren Entscheidungsfindung helfen kann. Die bei Ihnen durchgeführte Endometriumbiopsie mit Nachweis erhöhter uteriner NK-Zellen (CD56+: 612/mm²) weist tatsächlich auf eine übermäßige lokale Immunaktivität hin, die in bestimmten Fällen mit Implantationsstörungen oder frühen Abgängen assoziiert sein kann. Auch wenn genetische Faktoren ab dem 40. Lebensjahr eine übergeordnete Rolle spielen, ist es in Ihrer Situation absolut sinnvoll, andere mögliche Hemmnisse zu erkennen und gegebenenfalls zu behandeln.   Die Verordnung von Prednisolon zur Modulation der Immunantwort ist ein in vielen reproduktionsmedizinischen Zentren etabliertes Vorgehen, auch wenn die Studienlage hierzu nicht eindeutig ist. Wir beginnen bei erhöhten NK-Zellen in unserer Praxis mit einer Dosis von 5 mg Prednisolon ab Zyklusbeginn und steigern diese im Verlauf der Stimulation schrittweise bis zur Transferphase auf 20 mg täglich. Einige Tage nach dem Embryotransfer reduzieren wir die Dosis wieder, belassen aber in jedem Fall mindestens 10 mg täglich bis zum sicheren Nachweis kindlicher Herzaktivität. Ab diesem Zeitpunkt wird individuell entschieden, ob ein langsames Ausschleichen oder Fortführen sinnvoll ist. Dieses Vorgehen hat sich in der Praxis bewährt und ist gut verträglich.   Zusätzlich setzen wir oft Intralipid-Infusionen ein – eine fetthaltige Immunmodulationslösung mit mild entzündungshemmender Wirkung, die eine Überaktivität von NK-Zellen günstig beeinflussen kann. Diese wird in unserer Klinik zu drei Zeitpunkten gegeben: zum Zyklusbeginn, am Tag der Ovulation und erneut bei positivem Schwangerschaftstest. Im Falle einer bestehenden Schwangerschaft verabreichen wir die Infusionen im Abstand von 14 Tagen weiter – bis zum sicheren Nachweis von Herzaktionen im Ultraschall. Nebenwirkungen sind selten, die Verträglichkeit ist in der Regel ausgezeichnet.   Auch die Gabe von Omega-3-Fettsäuren zur Unterstützung eines immunologischen Gleichgewichts ist sinnvoll. Omega-3-Infusionen können rund um den Transfer eingesetzt werden, wie es Ihre Ärztin vorgeschlagen hat (drei Tage vor und drei Tage nach Transfer sowie ggf. weiterführend bei Schwangerschaft). Alternativ ist auch eine orale Hochdosisgabe (z. B. 2000–3000 mg EPA/DHA pro Tag) eine medizinisch plausible, kostengünstigere Option.   Ergänzend sei erwähnt, dass auch die seelische Ausgewogenheit einen Einfluss auf immunologische Prozesse haben kann. Gerade die Kolleginnen und Kollegen aus der Psychosomatik empfehlen in dieser sensiblen Phase eine möglichst ruhige, zuversichtliche und optimistische Haltung. „Froher Hoffnung zu sein“, wie man es früher genannt hat, ist mehr als ein schöner Ausdruck – es beschreibt einen Zustand innerer Klarheit und positiver Ausrichtung, der nachweislich mit einer günstigeren Regulation immunaktiver Zellen wie den NK-Zellen einhergehen kann. Ambivalenz und anhaltende Unsicherheit hingegen – etwa, ob man „nicht doch besser warten sollte“ oder „es überhaupt der richtige Weg ist“ – können die innere Stabilität und damit auch die körperliche Empfänglichkeit beeinträchtigen. Vertrauen Sie darauf, dass Sie sich gut vorbereitet haben und jetzt das Richtige tun. Zusammenfassend ist es in Ihrer Situation medizinisch nachvollziehbar und aus unserer Sicht sinnvoll, eine immunmodulatorische Begleitbehandlung durchzuführen, wie Sie sie derzeit erhalten. Eine moderate Anpassung der Prednisolon-Dosierung und das gezielte Einsetzen von Intralipid und/oder Omega-3 kann in diesem Zyklus eine gute Ergänzung darstellen. Mindestens genauso wichtig ist jedoch das Vertrauen in Ihren Körper, Ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte – und in den Weg, den Sie gerade gehen.   Ich wünsche Ihnen für die bevorstehende Punktion und den weiteren Verlauf dieses Zyklus viel Kraft, Mut und einen Funken Zuversicht, der Sie innerlich tragen möge.   Mit herzlichen Grüßen Dr. Friedrich Gagsteiger BestFertility Ulm  


Ma Mi

Beitrag melden

Lieber Herr Dr. Gagsteiger, Tausend Dank für Ihre ausführliche Antwort und die netten Worte.  Das mit Zuversicht klappt tatsächlich mal mehr mal weniger gut, natürlich auch abhängig davon, was für Entscheidungen gerade im Raum stehen, man will ja alles richtig machen. Ihre Antworten helfen mir aber auf jeden Fall sehr weiter.  Zwei kleine Fragen hätte ich dazu allerdings nochmal: die Prednisolon-Gabe bzw. Dosierung, v.a. auch bezogen auf das evtl. fortführen in einer SS. Wird das normalerweise mittels Blutwerten überwacht bzw. entschieden? Und nochmal bzgl. des Omega-3, das nehme ich tatsächlich seit einigen Monaten oral ein. Zuerst jedoch in weit geringerer Dosis, seit knapp vier Wochen aber nun tatsächlich 2.000mg täglich in Form von Fischöl. Die hochdosierte Gabe, von der Sie sprechen, wäre ja statt der Infusion. Bestünde die Gefahr einer Überdosierung, wenn ich das Omega-3 in dieser Form wie bislang oral weiter nehme und mich trotzdem für eine Infusion entscheiden würde? Oder gibt es hier keine Bedenken? Ganz herzlichen Dank nochmal und herzliche Grüße, Ma Mi


Dr. Friedrich Gagsteiger

Dr. Friedrich Gagsteiger

Beitrag melden

Guten Tag, herzlichen Dank für Ihre warmen Worte – es freut mich sehr, wenn meine Antworten Ihnen etwas Zuversicht geben konnten, auch inmitten der vielen Entscheidungen, die man in so einer intensiven Phase treffen muss. Zu Ihren beiden Fragen:   1. Prednisolon-Gabe und Überwachung in der Schwangerschaft Die Gabe von Prednisolon im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung oder Frühschwangerschaft erfolgt meist indikationsbezogen, z. B. bei immunologischen Fragestellungen, bei wiederholten Fehlgeburten oder zur unterstützenden Begleitung nach Transfer. Eine Überwachung über Blutwerte ist in der Regel nicht routinemäßig erforderlich, außer: bei höheren Dosierungen (>10 mg täglich über längere Zeit),wenn klinische Nebenwirkungen auftreten (z. B. Blutzuckerschwankungen, erhöhter Blutdruck, Infektanfälligkeit), oder zur Differenzierung bei Verdacht auf Nebenniereninsuffizienz (in ganz seltenen Fällen nach längerer Einnahme). In einer bestehenden Schwangerschaft wird das Prednisolon – sofern indiziert – oft bis zur vollständigen Plazentareife (ca. 10.–12. SSW) weitergeführt und dann ausgeschlichen. Hierbei erfolgt die Entscheidung individuell, aber meist ohne engmaschige Laborkontrolle. Wenn Sie bislang gut damit zurechtkommen und keine Auffälligkeiten auftreten, ist die Weiterführung in niedriger Dosierung meist unproblematisch. 2. Omega-3: orale Einnahme & Infusion – Risiko einer Überdosierung? Zunächst: Großartig, dass Sie bereits hochdosiertes Omega-3 (2.000 mg Fischöl täglich) einnehmen – das ist eine sehr gute Basis! Die Infusionstherapie (z. B. mit OmegaVen®) verfolgt im Vergleich zur oralen Gabe teils einen anderen Wirkmechanismus: Sie dient kurzfristig dem schnellen Aufbau entzündungsmodulierender Lipide (z. B. EPA/DHA) in Geweben und Zellmembranen, während die orale Gabe eher auf langfristige Spiegelanhebung zielt. Zur Frage der Überdosierung: Eine Überdosierung im klassischen Sinn ist sehr unwahrscheinlich, zumal Omega-3-Fettsäuren ein sehr gutes Sicherheitsprofil haben. Selbst in klinischen Studien mit 10.000 mg pro Tag (!) traten nur selten Nebenwirkungen auf, meist in Form von dünnerem Stuhl oder leichten Blutungsneigungen. Eine gleichzeitige Gabe von Infusion + oraler Dosis über wenige Tage bis 1 Woche ist also unproblematisch, wenn keine Blutgerinnungsstörungen bestehen und keine Blutverdünner wie ASS oder Heparin eingenommen werden. Empfehlung: Falls eine Infusion erfolgt, können Sie die orale Einnahme für 1–2 Tage pausieren oder halbieren, aber müssen das nicht zwingend tun – es wäre nur zur Beruhigung gedacht, nicht aus medizinischer Notwendigkeit. Herzliche Grüße und weiterhin viel Kraft und Zuversicht Ihr Dr. Friedrich Gagsteiger


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.