Frage im Expertenforum Impfen an Prof. Dr. med. Ulrich Heininger:

Impfen ja oder nein

Prof. Dr. med. Ulrich Heininger

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Leitender Arzt Infektiologie / Vakzinologie
Stellvertretender Chefarzt

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Frage: Impfen ja oder nein

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Können Sie mir sagen welche Impfungen für Babys und Kleinkinder wirklich notwendig sind und auf welche man eher verzichten kann oder soll? Ich bin absolut kein Impfgegner, möchte meine Kinder aber auch nicht den jeweiligen Gefahren einer Impfung aussetzen wenn diese nicht unbedingt notwendig ist. Warum soll man z.B gegen Masern Mumps und Röteln impfen wenn diee Kinderkrankheiten dann trotzdem ausbrechen können, wenn viell. auch nicht so stark wie ohne Impfschutz. Vielen Dank für Ihre Antwort!


Prof. Dr. med. Ulrich Heininger

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Guten Abend, es gibt keine kurze Antwort, die Ihre Frage nach den "wichtigen" Impfungen ausreichend beleuchten kann. Deshalb möchte ich Ihnen einige Informationen zu den allgemein in Deutschland empfohlenen Impfungen geben in der Hoffnung, Sie davon überzeugen zu können, dass jede der 10 Impfungen ihre Berechtigung hat. Ferner jetzt schon der Hinweis auf weiterführende Informationsquellen: http://www.rund-ums-baby.de/gesundheit_baby/impfen/ www.kinderärzte-im-netz.de Handbuch Kinderimpfung, Hugendubel-Verlag Als allgemeine Vorbemerkung zu Ihrer Frage bezüglich Masern, Mumps und Röteln: die zweimalige (! das ist wichtig, denn nach einer Impfdosis ist der Schutz tatsächlich nicht gesichert) Impfung schützt zu nahezu 100% vor diesen Krankheiten und insbesondere vor deren Komplikationen. Einen besseren Schutz kann man sich fast nicht vorstellen. Nun zu den 10 Krankheiten, gegen die wir Impfungen allgemein empfehlen: Die Diphtherie beginnt mit einer einfachen Angina, kann sich aber rasch zu einer lebensbedrohenden Krankheit entwickeln. Im Rachen bilden sich Membranen, welche die Atemwege belegen und die Atmung erschweren oder verunmöglichen. Im Gegensatz zu dem, was man immer wieder hört, ist die Diphtherie nicht besiegt. In Europa ist sie in verschiedenen Ländern des Ostens wieder aufgetaucht, in denen der Impfstoff nur noch ungenügend zur Verfügung stand. Wichtig ist, dass man sich regelmässig gegen Diphtherie impfen lässt, um geschützt zu bleiben. Die Wundstarrstarrkrampf-bakterien finden sich überall, im Boden, im Staub, im Mist etc. Wundstarrkrampf kann man durch eine ganz einfache Verletzung, z.B. schon durch einen kleinen unbemerkten Stich bekommen. Nach einigen Tagen greift das Gift der Starrkrampfbakterien die Nerven an und verursacht schmerzhafte und gefährliche Muskelkrämpfe. Es kann die Atmung blockieren und trotz bester medizinischer Versorgung zum Tode führen. Die Impfung gegen Wundstarrkrampf ist das einzige Mittel, um sich gegen diese sehr gefährliche Krankheit zu schützen. Glücklicherweise ist die Impfung ausserordentlich wirksam. Das Virus, das die Kinderlähmung (Poliomyelitis) verursacht, greift das Nervensystem an. Es kommt nur beim Menschen vor. Die Muskeln werden schwach oder sogar für immer gelähmt. Dank konsequentem Impfen ist die Kinderlähmung in den meisten europäischen Ländern seit 20 Jahren verschwunden und verschwindet nach und nach in allen Ländern der Welt, welche die Impfung konsequent durchführen. Trotzdem kann das gefährliche Virus auch in eine gut durchgeimpfte Bevölkerung eingeschleppt werden und in ungeimpften Gemeinschaften zu Kinderlähmung führen. Der Keuchhusten kann lang andauernde Hustenanfälle verursachen, die bis zum Ersticken führen können. Die Krankheitserreger des Keuchhustens finden sich überall, in allen Schulen, Kindergärten und Kinderkrippen. Keuchhusten ist sehr ansteckend und kann vor allem bei Säuglingen sehr gefährlich werden: Er kann Lungenentzündung, Krämpfe und irreversible Schäden im Hirn verursachen oder selten sogar tödlich sein. Glücklicherweise können wir den Keuchhusten bei Kindern durch eine Impfung verhindern oder sehr stark abschwächen. Der gut verträgliche Impfstoff erlaubt es, auch ältere Kinder, Jugendliche und sogar Erwachsene durch eine Auffrischimpfung zu schützen. Die Haemophilus influenzae-Bakterien (Hib) bewohnen den Rachen der Säuglinge und Kleinkinder. Wenn diese Bakterien ins Blut gelangen, bevor das Kind Abwehrstoffe gebildet hat, in der Regel vor dem fünften Lebensjahr, können sie schwere Hirnhautentzündungen, Infektionen der Knochen und der Gelenke verursachen, die mehrwöchige Krankenhausaufenthalte nötig machen. Eine Entzündung des Kehldeckels kann zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Vor der Einführung des Impfstoffes im Jahre 1990 waren jedes Jahr tausende von Kindern von dieser schweren Krankheit betroffen. Der Impfstoff ist so wirksam, dass die Krankheit heute praktisch nur noch bei ungeimpften bzw. ungenügend oft geimpften Kindern vorkommt. Ab dem Alter von 11 Monaten wird dann auch die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln empfohlen. Warum? Die Masern beginnen als Erkältung, gefolgt von Fieber und dem typischen Hautausschlag. Da die Masern ausserordentlich ansteckend sind, waren sie lange Zeit sehr häufig. Aus diesem Grund werden sie allgemein nicht gefürchtet. Dabei können sie gefährlicher sein als viele Menschen annehmen. Lungenentzündung, Mittelohrentzündung, Krämpfe oder eine Entzündung des Gehirns, die auch chronisch werden kann, können den Verlauf komplizieren. Da die Impfdisziplin hinsichtlich Masern ungenügend ist, gibt es jedes Jahr tausende von ungeimpften Kindern. Entsprechend muss mit Masernepidemien gerechnet werden. Auch heute sterben noch Kinder an Masern, auch bei uns. Beim Mumps werden hauptsächlich die Speicheldrüsen betroffen. Er kann die Ursache einer Hirnhautentzündung sein, welche häufig zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens führt. Mumps kann auch die Bauchspeicheldrüse oder in sehr schmerzhafter Weise die Hoden befallen. Eine Sterilität ist allerdings zum Glück nur selten die Folge. Röteln verursachen leichtes Fieber, Schwellung der Lymphdrüsen im Nacken, Schmerzen in den Gelenken und den typischen Hautausschlag mit kleinen hellroten Flecken. Röteln allein sind meistens eine harmlose Erkrankung. Sie sind aber für schwangere Frauen sehr gefährlich. Sie können den Embryo töten oder beim Kind während den ersten drei Monaten der Schwangerschaft schwere Missbildungen am Herzen und Hirn verursachen und es blind und taub machen. Hepatitis B ist eine ernsthafte Infektionskrankheit, die durch ein Virus verursacht wird, das gezielt die Leber angreift. Eine Folge der geschädigten Leber kann die gelbe Hautfarbe sein, weshalb die Hepatitis auch Gelbsucht genannt wird. Sie wird hauptsächlich durch ungeschützten Geschlechtsverkehr und durch Kontakt mit Blut (Drogenkonsum, Tätowierungen etc.) übertragen. Bei 5-10% der Angesteckten entwickelt sich eine chronische und dauerhaft ansteckende Erkrankung. Viele dieser Menschen wissen aber gar nicht, dass sie das Virus in sich tragen und somit andere Personen anstecken können. Das Virus kann sehr lange Zeit im Körper bleiben und die Leber schädigen. Dies kann zu Leberschrumpfung (Leberzirrhose) oder Leberkrebs führen. Auch bei der Hepatitis ist das Vorbeugen viel einfacher als das Heilen. Die Impfung bietet einen sehr guten und vermutlich lebenslang anhaltenden Schutz. Und schliesslich die Windpocken. Sie sind eine sehr häufige Krankheit, die nicht immer banal verläuft, sondern auch Komplikationen mit sich bringen kann, wie zB bakterielle Infektionen von Haut und Gelenken, Blut, Hirnbeteiligung usw. Wer sein Kind dagegen impfen lässt, schützt es mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dieser Krankheit und den möglichen Folgen (einschliesslich der im späteren Alter oft auftretenden Gürtelrose). Alles Gute!


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