Kunderella
Sehr geehrter Herr Professor Heininger, erst ein Mal vielen Dank für Ihre Aufklärungsarbeit und das ausführliche eingehen auf Fragen in diesem Forum. Seit einiger Zeit verfolge ich mit großem Interesse die "Grabenkämpfe" zwischen Impfbefürwortern und Impfgegner, auch die Beiträge - insbesondere die alten, als Drittantworten noch zulässig waren - habe ich mit großem Interesse gelesen. ich selbst habe meine Kinder nach StiKo-empfehlung impfen lassen und habe dennoch begonnen, mich wieder mit dem Thema zu befassen, weil eine gute Freundin von mir sich wahrlich verrückt gemacht hat wegen des Themas impfen und wir wilde Diskussionen hatten, weil sie ihr Kind nach viel Recherche und Lektüre eventuell nicht oder nicht so früh impfen lassen wollte. Zuerst nahm ich die völlige Gegenposition ein, aber nach und nach verstand ich, weshalb sie so empfand und viele Impfskeptiker wohl auch (das merkt man auch an den Beiträgen hier im Forum deutlich) Ich denke daran, dass wir im Google-Zeitalter leben, ist nicht zu rütteln und es ist ein Fakt, dass inzwischen alle Menschen Zugang zu einer riesigen Fülle an Informationen haben, die ungefiltert auf sie einprasseln und deren wissenschaftliche Relevanz und angebliche Quellen oft mehr als fragwürdig sind - etwas, was sich auch nicht immer auf den ersten Blick erkennen lässt. Zudem sind wir eben auch nur Eltern und keine studierten Mediziner, ich denke aber, da die Situation so ist, wie sie ist und auch das Interesse seitens der Eltern da ist, sollten sie so umfassend wir möglich und relativ neutral aufgeklärt werden. Das ist aber gerade etwas, was nicht passiert. Von "hobby-impfpromovierten Müttern" verständlicherweise schon etwas genervte Mediziner nehmen fast ausschließlich von Anfang an eine stark wertende Haltung ein (wie gesagt, verständlicherweise, sie wollen ja, dass die Kinder geimpft werden, weil es nach heutigen Erkenntnissen für die Kinder das Beste ist und sie sehen mit Sorge, dass stellenweise eine gewisse "Impfmüdigkeit" um sich greift) und vertreten auf den ersten Blick eine Extremposition, die aber faktisch nicht haltbar ist, denn natürlich gibt es auch beim Impfen wie in allen Bereichen der Medizin, unerwünschte Nebenwirkungen oder bei Impfmitteln trotz des Zulassungsprocedere vielleicht seltene Reaktionen, die aus den Studien nicht vorhersehrbar waren. Es gibt durchaus einige Kinderärzte, die bereits auf Nachfragen nach eventuellen Nebenwirkungen von Impfungen sehr empfindlich und vehement reagieren, auch Aussprüche wie " wer seine Kinder nicht impfen lässt, gehört ins Gefängnis / begeht Körperverletzung" usw. sind nicht selten. Die Meinungen mögen vielleicht nicht ganz ungerechtfertigt sein, aber auf diese Weise ausgedrückt sind sie psychologisch nicht sehr geschickt, um nicht zu sagen völlig kontraproduktiv. Auch sonst wünschte man sich als Elternteil (der ja das Beste für sein Kind will und dem wir nach der Rechtsauffassung in unserem Staat auch zutrauen, im Normalfall zu entscheiden, was das ist, Voraussetzung hierfür ist aber eine gute Informationsbasis der Eltern) weniger Meinung und mehr Fakten, oder zumindest reine Fakten wertungsfrei und erst am Ende eine Meinung (zu der man dann als vernüngftig denkender Elternteil selbst kommen würde). Ich glaube nicht, dass es Impfskeptiker überzeugt, wenn gleich so heftig Position betrieben wird, ich denke aber, die Ärzte könnten mehr Vertrauen in die Urteilskraft der Eltern legen und es sollte die Pflicht eines jeden Kinderarztes und auch des RKI bzw. der StiKO sein, die Eltern so umfassend und medizinisch korrekt und dennoch auf einem verständlichen Niveau aufzuklären, dass als zwingende Konsequenz aus diesen Informationen im Normalfall nur die Entscheidung pro Impfung (im Regelfall) gefällt werden kann. Denn wie Sie so oft schreiben, diese überzeugenden Fakten gibt es natürlich, mit etwas Mühe kann man sie auch für einen nicht in Statistik versierten Menschen aufbereiten und zwar nicht nur die Vorteile, sondern auch die Risiken, so minimal sie auch sein mögen, denn mit diesen nicht sehr offensiv umzugehen schürt doch nur die sowieso schon vorhandene Glut der Verschwörungstheoretiker (deren monetäre Interessen an der Impfkritik irgendwie in den Foren gar nie zur Sprache kommen) Letzten Endes tragen doch wir als Eltern die Verantwoirtung für das, was mit unseren Kindern geschieht. In der Praxis wird dies wie gesagt oft vernachlässigt, über Komplikationen wird erst bei intensivem Nachbohren geredet. Wieso nicht (ich habe so ein Dokument mal gesehen, allerdings war es im Netz so gut versteckt, dass ich selbst es jetzt nicht mehr wiederfinde) eine Gegenüberstellung für jede Impfung bei der die Krankheit kurz beschrieben wird und dann die möglichen Komplikationen der Krankheit mit ihrer in statistisch beobachteten Wahrscheinlichkeit den Nebenwirkungen der Impfung mit deren Wahrscheinlichkeit statistisch nachprüfbar mit Quellenangabe gegenübergestellt werden. (Wobei hier dann nochmal zwischen tatsächlichen Ursache-Wirkungszusammenhängen und den beobachteten Wirkungen im rein zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen unterschieden werden müsste, aber warum nicht diese höheren Werte darstellen, die eventuell nur zu einem geringen Prozentsatz mit den Impfungen wirklich kausal zusammenhängen, selbst dann sind die Fakten überzeugend. Zumindest in dem Beispiel, dass ich gesehen habe. Problematisch ist nur, dass bei den Komplikationen der Erkrankungen selbst immer die Wahfrscheinlichkeit einer Komplikation im Erkrankungsfall als Kennziffer herangezogen wird, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Krankheit aber unberücksichtigt bleibt - oder bekommen alle ungeimpften Kinder Masern?) Wichtig ist die statistische Nachprüfbarkeit, die Quellenangaben und der wissenschaftliche Hintergrund trotz allgemeinverszändlicher Aufbereitung, ich denke soetwas ist in der heutigen Zeit unerlässlich. Ebenso sinnvoll wäre, bei den Zusatzstoffen auf die Bedenken einzugehen und anhand von Fakten zu überzeugen, weshalb sie gänzlich oder in dieser Dosierung unbedenklich sind, aber auch einzugestehen, welche Nebenwirkungen sie in hoher Konzentration haben können. Geht man darauf nämlich nicht ein, so wirkt es wie "Weisswascherei". Um über die Zusatzstoffe, deren Wirkungen, den Gehalt an Zusatzstoffen in einer Impfstoffdosis und die toxologisch relvante Menge bzw. z.B. im Fall von Aluminiumverbindungen sind die täglich durch Nahrung oder Apfelsaft (!) aufgenommene Menge und der Abbauprozess sowie die Abbaugeschwindigkeit sehr interessant, allerdings wirklich nur für in Recherche ausgesprochen versierte Menschen mit extrem viel Zeit zusammenzusuchen. Auch ein zweites Problem, dass auch hier im Forum immer wieder auftaucht, könnte man mit etwas Informationsarbeit beseitigen. Es geht um die psychologische Komponente der Statistik, ein Problem, das hier immer wieder auftaucht. Für Nicht-Wissenschaftler und Menschen, die sich nicht sehr regelmäßig und ausgiebig mit statistischen Arbeitsweisen befassen, scheinen viele der Annahmen und die Arbeitsweise intuitiv unlogisch. So wie einem in einer Lotterie scheint, nach all den Jahren müssen man ja nun endlich mal gewinnen, so ist es eben auch völlig unverständlich, dass ein gesundheitliches Problem des Kindes am Impfabend nichts mit der Impfung zu tun haben könnte. Hinzu kommt in dem Fall, dass das Ereignis natürlich für die Eltern dramatisch ist und dass es dem Menschen innewohnt, immer eine Erklärung zu wollen und da meist die naheliegendste herangezogen wird (siehe div. Bias-Formen) Man müsste also den Eltern verdeutlichen, wie viele (ungeimpfte) Kinder statistisch gesehen an jedem (beliebigen) Kalendertag die jeweilige Auffälligkeit / Krankheit X zeigen und ihnen dann zeigen, dass sich an diesen Zahlen nichts durch die Impfung ändert, dass es also genauso wahrscheinlich ist, dass das Kind etwas nach einer Impfung bekommt, wie am 15. Juni oder wie am Geburtstag seiner Großmutter (wenn es denn so ist, ansonsten sollte man zeigen, um wieviel (minimal) es wahrscheinlicher ist). Das objektiv zu lesen überzeugt Eltern sicher mehr, als wenn ihnen dann im akuten Fall gesagt wird, sie hätten einfach Pech gehabt (nicht, dass es so gesagt würde, aber es wird so empfunden). Hinzu kommt noch das Problem, das man hat, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit zwar minimal ist, der Schaden im Eintrittsfall (und somit das persönliche Leid) aber immens. So ähnlich wie bei Fukushima: Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis wurde von Experten als beinahe nicht vorhanden eingestuft (ich erinnere mich nicht, wie oft nur in wieviel tausend Jahren soetwas passieren könnte laut Statistik), das Ereignis ist aber so gravierend und leider reicht es eben, wenn es ein Mal eintritt. So natürlich auch bei schwereren Impfschäden. Ich denke absolute Offenheit ist der einzige Weg, Verschwörungstheorien einigermaßen im Zaum zu halten, denn in diesem Bereich gibt es einfach viele zusammenhänge, die Misstrauen wecken. Ohne betriebswirtschaftliche und auch volkswirtschaftliche und politische Grundkenntnisse ist es schwer nachzuvollziehen, warum eigentlich so gut wie alle Studien im Arzneimittelbereich von der Pharmaindustrie teilfinanziert werden und selbstverständlich weckt das zu Recht Misstrauen. Man sollte in dem Zusammenhang auch tunlichst die monetären Interessen der Unternehmen nicht kleinreden, denn die sind faktisch vorhanden, sondern versuchen, durch das Darstellen der Kontrollmechanismen und auch betriebswirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Abwägungen der Unternehmen zeigen, dass es im Normalfall DENNOCH so ist, dass die Studien trotz der Unternehmensinteressen (oder eben gerade deswegen) korrekt und nicht beeinflusst sind. So lange die Menschen die (alle, also auch die "negativen") Informationen nicht übersichtlich, neutral und überzeugend auf einen Blick zu sehen bekommen, so lange werden sie sich nicht als Mündige informiert fühlen, im Internet herumsuchen und dadurch eine wesentlich größere Menge unseriöser oder aus dem Zusammenhang gerissener Informationen nehmen, die aber "verbraucherfreundlich" und verständlich sowie kompakt dargestellt sind. Das kann nicht das Ziel sein. Wäre nicht ein noch-aktiver-informierender und vor allem offensiverer Umgang mit dem ganzen Thema seitens der StiKo / des RKI (mit Einbeziehung der Kinderärzte) eine sinnvolle Möglichkeit, die Impfmüdigkeit in einigen Bereichen etwas einzudämmen und die Bevölkerung ausreichend zu informieren über ein Thema, über das sie ja anscheinend informiert werden möchte? Es schien mir auch hier im Forum das Anliegen vieler Eltern zu sein, vertrauen zu können WEIL man gut informiert wird / wurde und nicht blind vertrauen zu müssen. Sehen Sie da vielleicht eine Möglichkeit?
Hallo Kunderella, danke für Ihre Reflektionen, die ich sehr interessant finde und prinzipiell kenne (bringt die jahrelange Beschäftigung mit dem Thema mit sich...). Ein rekordverdächtig langer Beitrag in diesem Forum, ich bewundere Ihr Engagement. Ich will einen Punkt herausgreifen: "Problematisch ist nur, dass bei den Komplikationen der Erkrankungen selbst immer die Wahfrscheinlichkeit einer Komplikation im Erkrankungsfall als Kennziffer herangezogen wird, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Krankheit aber unberücksichtigt bleibt - oder bekommen alle ungeimpften Kinder Masern?" Das ist richtig, da es hier grosse Unterschiede gibt; zB bekommt bei weitem nicht jeder ungeimpfte Mensch Tetanus, wohingegen die Wahrscheinlichkeit für Masern oder Windpocken im Laufe des Lebens 100% erreichen dürfte. Da dies auch zeitlichen und regionalen Unterschieden unterliegt lässt es sich m.E. nicht besser darstellen als es wurde (zB auch in meinem Handbuch Kinderimpfung). In der Bilanz aber schneiden die Impfungen immer positiv ab - sonst wären Sie nicht zugelassen/empfohlen. Da das Nutzen-Risiko Verhältnis aber nicht zementiert ist, gibt es manchmal Aenderungen in der Bewertung, was zB zur Abschaffung der Tuberkuloseimpfung in Deutschland und zum Wechsel von Poliomyelitis-Schluckimpfstoff zur Injektionsvakzine geführt hat - ein Beleg für die Flexibilität der Behörden und Entscheidungsträger. Zum letzten Abschnitt Ihrer Ausführung: Anstrengungen in diese Richtung gibt es vielfältiger Natur, jedem Recht machen kann man es aber wohl nie und die Ansprüche bzw Erwratungen der Eltern sind recht unterschiedlich. - Aufklärungsbemühungen von offizieller und glaubwürdiger Seite: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: www.impfen-info.de Grundsätzliches aus meiner Sicht: - Impfen ist eine freiwiliige Angelegenheit (wie alles im Gesundheitswesen) - die Sicherheit der IMpfstoffe garantieren die Zulassungsbehörden, aber absolute Sicherheit gibt es nicht - Impfen ist Vertrauenssache - glaubt man den Empfehlungen oder nicht? Nochmals danke und alles Gute!