Hallo Dr. Posth,
Ihr Forum ist super.Es ist wirklich großartig wie Sie sich auf jede Frage einlassen und diese so kompetent und umfangreich beantworten. Ich habe das nirgendwo anders so gesehen, eher das Gegenteil ist der Fall da wird dann nur schnell und allgemein abgefertigt.Ich habe nun auch noch eine Frage.Im 8-9 Lebensmonat unseres Sohnes wird mein Mann Elternzeit für 2 Monate nehmen.Kann das hinderlich sein für die spätere Loslösung wenn er sich in dieser Zeit intensiv einbringt?Verwirrt es den Kleinen dann nicht, wenn mein Mann später wieder arbeiten muss.Kann ich den Stand als primäre Bezugsperson verlieren?Oder sind wir beide das?(Mein Mann bringt sich schon immer sehr ein/lassen nie schreien/er übernimmt Abends wickeln und baden usw.)Ist das nicht irgendwie eher von Nachteil wenn er 2 Mon. vollste Aufmerksamkeit von beiden Seiten bekommt und dann ist der Papa später nur wieder Abends da?Wie am besten verhalten während der Zeit?Viele Grüße und lieben Dank! Anna
von
a_n_n_a
am 03.10.2011, 12:59
Antwort auf:
Papa nimmt Elternzeit kann das hinderlich sein für die spätere Loslösung?
Stichwort: Bindungsverwirrung
Liebe Anna, solche Modelle, wie geteilte Elternzeit oder auch Rollentausch, wenn der Vater das erste Jahr übernimmt und die Mutter das zweite, sind ja noch ziemlich neu, zumindest in unserer westlichen Hemisphäre. Wie sich das auf die Kinder im Einzelnen auswirkt, ist also wenig untersucht, und wahrscheinlich gibt es nur Beobachtungen an Einzelfällen. Was man aber ziemlich sicher weiß ist, dass die Kinder, auch schon die älteren Säuglinge, ein Art Rollenzuweisung für die Eltern vornehmen, d.h. sie steuern bei einem bestimmten Bedürfnis immer den einen gewünschten Elternteil an und verweigern sich, wenn der andere kommt. Ausnahmen machen sie, wenn der gewünschte Elternteil definitiv nicht verfügbar ist. Damit entgehen sie der so genannten Bindungsverwirrung.
Wenn sich im "deutschen Modell" der Vater die 2 Monate Elternzeit am Ende nimmt, vorverlegt er höchstens die Loslösungphase etwas, was aber sicher kein Problem ist. Oder er leitet sie schon einmal ein, auch wenn sie dann wieder unterbrochen wird. Alles, was der Vater im ersten Lebensjahr zuwendungsaktiv mit seinem Kind tut, kommt der Beziehung zugute. Es stimmt natürlich, dass es verwirrend für das Kind ist, wenn der Vater dann plätzlich wieder wenig verfügbar ist und jetzt die Mutter die primäre Bindungsgefühle reaktiviert. Aber der Vater bleibt ja bei der Sache und ist abends und wochenends usw. frür sein Kind da. Da wird er dann mit Beschlag belegt. Allein erziehende Mütter haben ein viel größeres Problem.
Es ist nun einmal so, dass die Sozialpolitik diesen Dingen noch überhaupt keine Rechnung trägt, die meisten Politiker haben von Bindungstheorie noch nichts gehört. Also müssen Eltern die Angebote so geschickt nutzen, wie es für alle Beteligten am besten ist. Herzliche Dank auch für Ihr großes Lob. Um so persönlich und tiefgreifend auf die Probleme der Eltern mit ihren Kindern antworten zu können, muss man seine Sache schon gut verstehen und sich viel Mühe geben. An beidem haperts ein bisschen bei den vielen anderen. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 07.10.2011