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Zum Thema Finanzpolitik und Lindner als Finanzminister...

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... ist ein Gastbeitrag von zwei führenden Ökonomen in der ZEIT erschienen, den ich für Interessierte (Daffy, Jana, tonib, aber vielleicht auch noch andere) hier einkopiere (ist auf Deutsch hinter einer Bezahlschranke verborgen): "Es wäre ein Fehler, ihm seinen Wunsch zu erfüllen" Christian Lindner wäre als Finanzminister ungeeignet – dafür aber ein guter Minister für Digitales, meinen die Wirtschaftswissenschaftler Ein Gastbeitrag von Joseph E. Stiglitz und Adam Tooze 27. Oktober 2021 DIE ZEIT Nr. 44/2021, 28. Oktober 2021 434 Kommentare Exklusiv für Abonnenten Christian Lindner: Christian Lindner möchte gern – ebenso wie Robert Habeck – Finanzminister einer Ampel-Regierung werden. Christian Lindner möchte gern – ebenso wie Robert Habeck – Finanzminister einer Ampel-Regierung werden. © Michael Kappeler/dpa "Es wäre ein Fehler, ihm seinen Wunsch zu erfüllen" – Seite 1 Read the English version of this article here. Joseph E. Stiglitz ist Wirtschaftsnobelpreisträger und früherer Chefökonom der Weltbank. Adam Tooze ist Professor an der Columbia University in New York und Direktor des European Institute. Zwei Dinge haben die Koalitionsverhandlungen in Berlin bislang deutlich gemacht: Eine Ampel ist die Regierung, die Deutschland gerade braucht. Die drei Parteien halten das Gleichgewicht zwischen Bewahrung und Fortschritt. Sie können sich bei Themen wie Sprache, Einwanderung und Bürgerrechten problemlos verständigen. Aber wie von vielen bereits befürchtet, ist der kleinste gemeinsame Nenner der drei Parteien in der Tat klein. Was das Sondierungspapier zum Thema Klima zu sagen hat, klingt beunruhigend schwach, dasselbe gilt für die Versprechungen zur Digitalisierung. Auch die Aussagen zur Europapolitik sind nicht verheißungsvoll. Die Ampelkoalition scheint zum Erfolg verdammt, aber es besteht das Risiko, dass es eine schwache Regierung wird, die Schwierigkeiten hat, die Herausforderungen zu meistern, mit denen sie es zu tun haben wird. Umso wichtiger ist die Frage, wer die Spitzenpositionen besetzt. Starke Minister und Ministerinnen mit gutem Personal können etwas bewegen. Den besten Beleg dafür liefert Olaf Scholz selbst in seiner Rolle als Bundesfinanzminister. Remaining Time -0:00 Olaf Scholz - "Damit wir es schnell hinbekommen, unabhängig zu werden" Der Kanzlerkandidat der SPD hat zur Bewältigung von Energiewende und Kohleausstieg die Bedeutung von Gas betont. Der Wandel sei ohne neue Gaskraftwerke nicht möglich. © Foto: Hauke-Christian Dittrich/picture alliance/dpa Unter Scholz wandelte sich das Ministerium von einem Hemmschuh in einen Motor des Wandels. Lange überfällige Investitionen der öffentlichen Hand stiegen endlich spürbar an, vor allem aber war Scholz im Jahr 2020 bereit, die Kassen zu öffnen und durch ein umfassendes staatliches Hilfsprogramm die Folgen des Corona-Schocks für Wirtschaft und Gesellschaft abzumildern. Scholz und seiner Truppe sollte die Zukunft des Ministeriums sehr am Herzen liegen, denn sie haben dort viel bewirkt. Und den Grünen sollte klar sein, dass eine ernsthafte Klimapolitik unmöglich ist, ohne das Finanzministerium zu kontrollieren. Es ist der zweitwichtigste Posten der Regierung, und als zweitgrößte Partei sollten die Grünen ihn besetzen. Mit Robert Habeck als Minister und Sven Giegold als Staatssekretär verfügen die Grünen über ein plausibles Führungsduo. Newsletter “Was jetzt?” – Der tägliche Morgenüberblick Starten Sie mit unserem sehr kurzen Nachrichten-Newsletter in den Tag – von Montag bis Samstag. Das Finanzministerium ist deshalb so wichtig, weil es im Gegensatz zu allen anderen Ministerien technische und politische Macht sowie nationale und internationale Aufgaben in sich vereinigt. Deutschland hat einen Außenminister, aber man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Nach dem Amt des Bundeskanzlers ist der Posten des Finanzministers derjenige, der für Deutschlands tagtägliche Außenbeziehungen die größte Bedeutung hat. Das ist durchaus gewollt. Würde Deutschland beschließen, bei der Verteidigungspolitik in der ersten Liga mitspielen zu wollen, lägen die Dinge anders. Aber Deutschland hat sich dafür entschieden, an allererster Stelle eine Wirtschaftsmacht zu sein, deshalb ist das Finanzministerium so wichtig – und zwar auf drei Ebenen: der europäischen, der globalen und der transatlantischen. Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 44/2021. Hier können Sie die gesamte Ausgabe lesen. Mit Blick auf Europa gilt: Die Euro-Zone ist unvollendet. Es gibt eine gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Haushaltspolitik. Die demokratische Legitimierung durch das Parlament ist unvollständig. Es fehlt offenbar der politische Wille, dieses Konstrukt durch eine Ergänzung der europäischen Verträge zu vervollständigen. Ob Europa funktioniert, hängt von der Qualität des politischen Managements im Tagesgeschäft ab. Historische Fortschritte werden durch geschickte Improvisationen ermöglicht. Unter Wolfgang Schäuble hatte das Berliner Finanzministerium im Rest Europas den Ruf, mit seinem Beharren auf strengen Sparvorgaben die Krisentendenzen der Währungsunion zu verschärfen. Unter Scholz entspannte sich vieles. Als 2018 den Populisten in Italien der Durchbruch gelang, hielt sich Scholz mit vorschnellen Kommentaren zurück. Als 2019 bei der Arbeitslosenversicherung und der Bankenunion Fortschritte nötig wurden, lieferte Berlin die richtigen Impulse. Und 2020 stabilisierte der Wiederaufbaufonds die europäische Wirtschaft und öffnete gleichzeitig die Tür zu einer gemeinsamen Haushaltspolitik. Er wurde in weiten Teilen im Bundesfinanzministerium verhandelt. Zum Thema: Christian Lindner und Robert Habeck: Er oder er Weitere Beiträge Es geht nicht darum, dass Deutschland als Hegemon auftritt. Das hat Europa nicht nötig. Es geht auch nicht darum, dass Deutschland aus altruistischen Gründen heraus Zugeständnisse macht. Deutschland profitiert in großem Maße von seiner Position in Europa. Was Europa benötigt, ist ein deutscher Finanzminister, der weiß, dass es für Länder mit gewaltigem Exportüberschuss wichtig ist, dass es den Handelspartnern gutgeht. Ein Finanzminister, der weiß, dass es bei finanzieller Nachhaltigkeit nicht einzig auf die Höhe der Schulden ankommt, sondern auch auf die Höhe des Bruttoinlandsprodukts. Ein Finanzminister, der weiß, dass Respekt nicht nur für die heimischen Wähler und Wählerinnen reserviert sein sollte, sondern dass er für Finanzverhandlungen auf europäischer Ebene ganz genauso gilt. Lindners Wirtschaftspolitik ist eine Anhäufung konservativer Klischees Die größte Bedrohung für Europas Demokratie ist nicht die Einmischung durch Internet-Trolle oder andere Außenstehende, sondern eine unangemessene und zum falschen Zeitpunkt durchgesetzte Haushaltsdisziplin, die ein Minderheitsbündnis von "Nordstaaten" einer Mehrheit der europäischen Wählerschaft zwangsverordnet. Für Deutschland wäre es katastrophal, sich an die Spitze eines solchen Bündnisses zu stellen, wie es die FDP versprochen hat. Den nationalistischen Populisten in Italien könnte nichts Besseres passieren als eine öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung mit dem deutschen Finanzministerium. Das wäre fatal für Italien, schlecht für Europa und schlecht für Deutschland. Auch auf globaler Ebene ist das Bundesfinanzministerium von zentraler Bedeutung. Deutschlands wohl wichtigste Rolle auf der Weltbühne ist die des Anteilseigners beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. In der Corona-Krise haben beide enttäuscht. Im IWF haben die Europäer zwar zuletzt gemeinsam mit afrikanischen Nationen mehr Engagement gezeigt, doch es muss dringend viel mehr getan werden im Hinblick auf Impfstoffe, einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder und die globale Klimapolitik. Click here! click-licht.de Maytoni Wandleuchte Maytoni Wandleuchte Trame weiß rechteckig Innenleuchte Click here! Jetzt shoppen BRAX Herbstkollektion Entdecken Sie die neue Herbstkollektion 2021! Click here! Optiker finden Testseher gesucht: Testseher zahlen für 2 Premium Gleitsichtbrillen nur 129€ und sparen 70%. Weil die Vereinigten Staaten im IWF über eine Sperrminorität verfügen, ist aber auch eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA bei globalen Finanzthemen essenziell, egal ob es um die Stabilität des Finanzsystems geht oder um die globale Besteuerung von Unternehmen. Seit dem Irakkrieg ist das transatlantische Verhältnis kompliziert. Im Rückblick zollen sogar amerikanische Außenpolitiker Deutschland Respekt dafür, sich bei den Militäreinsätzen in Irak und in Libyen zurückgehalten zu haben. Genau anders liegen die Dinge, wenn es um Finanzen geht. Deutsche Konservative erwecken gern den Anschein, in Sachen Wirtschaftspolitik Vorbild zu sein, das entspricht aber nicht ihrem tatsächlichen Ansehen in der Welt. Bidens Truppe besteht in weiten Teilen aus erfahrenen Kräften der Obama-Ära. Wenn man mit diesen Leuten darüber spricht, welche Erfahrungen sie mit der zweiten Merkel-Koalition gemacht haben, als Schäuble Finanzminister war und Rainer Brüderle Wirtschaftsminister, löst man leicht traumatische Erinnerungen aus. Die Treffen der G20 waren – höflich formuliert – echte Horrorshows. Die Deutschen belehrten die Amerikaner in Sachen Haushaltsdisziplin, dann kehrten sie nach Europa zurück und sorgten dort für Chaos. Die Biden-Leute sind keine Radikalen, sie halten die deutschen Konservativen nur für engstirnig und weltfremd, mit Blick auf die Realitäten der Weltwirtschaft. Europa ist in ihren Händen nicht sicher. Remaining Time -0:00 Energiekrise - Transportbranche fordert Unterstützung durch Politik Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung warnt vor einer Situation wie in England. Fahrermangel und Benzinpreise erschwerten zunehmend die Versorgung. © Foto: Adrian Dennis/AFP/Getty Images Corona hat deutlich gemacht, dass das Schicksal Deutschlands mit dem Schicksal Europas verwoben ist. Ohne Europa gibt es keine bedeutsame Klimapolitik. Und die USA müssen als Partner eingebunden werden. Und wenn Deutschland, wie es im Koalitionspapier so kühn und so zutreffend heißt, ein Einwanderungsland ist, dann ist die globale Wirtschaftspolitik umso wichtiger. Der Marshallplan mit Afrika, den Merkel 2017 ins Leben rief, war die richtige Idee zur falschen Zeit. Deutschland und Europa müssen dringend eine schlüssige Vision für den künftigen Umgang mit dem riesigen Nachbarn im Süden entwickeln. Eine zentrale Rolle kommt dabei Weltbank und IWF zu. Auch hier könnte eine fantasievolle Führung des Bundesfinanzministeriums einen Unterschied machen. Z+: Exklusiv für Abonnenten Kate Winslet: "Frauen wurden zum Objekt gemacht, seit es das Kino gibt" Amin Golmaryami: Endlich frei Sabine Thurau: "Es ist unerklärlich, unfassbar" Mehr Abotexte Jeder weiß, dass auch Christian Lindner den Posten des Finanzministers will. Er hat das zu einem zentralen Wahlkampfthema gemacht. Und genau das ist auch schon der erste Grund, warum es ein Fehler wäre, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Was Deutschland oder Europa am allerwenigsten gebrauchen können, ist ein Finanzminister, der das Ministerium als Plattform ansieht, von der aus er die konservative Haushaltspolitik seiner Partei predigen kann. Das Problem besteht nicht nur darin, dass Lindners Wirtschaftspolitik – sei es bei der Schuldenbremse oder den Haushaltsregeln für Europa – eine Anhäufung konservativer Klischees ist. Viel wichtiger ist, dass es sich um Klischees einer vergangenen Ära handelt, nämlich um die der Neunzigerjahre. Wir leben nicht länger in der Welt, die sie hervorgebracht hat. Sie sind obsolet geworden nach drei Jahrzehnten der Krise auf den Finanzmärkten, in der Geopolitik, im Umweltbereich. In welcher Welt genau wir gerade leben, ist, ehrlich gesagt, unklar. Wer selbstbewusst für sich "Kompetenz" beansprucht, sollte einem suspekt vorkommen. Klar scheint jedoch, dass große Investitionen der öffentlichen Hand von zentraler Bedeutung sind und dass die Lösung nicht darin bestehen kann, in Europa einfach den 1992 ratifizierten Vertrag von Maastricht wiederzubeleben. Das bedeutet nicht, dass die FDP nicht ein wichtiges Segment insbesondere der jungen deutschen Wählerschaft repräsentiert. Sie verkörpert eine politische Energie, die offen ist für Hightech, Modernisierung, Liberalisierung und Unternehmertum. Würde all dies zu einer Art Superministerium für Digitaltechnologie mit dem Auftrag der Modernisierung des Landes gebündelt, wäre das begrüßenswert. Um seiner selbst willen sollte Lindner die unmögliche Aufgabe erspart werden, seine vorsintflutliche haushaltspolitische Agenda auf die finanzielle Situation von heute übertragen zu müssen. Diese Art Crashtest kann sich weder Deutschland noch Europa erlauben. Aus dem Englischen von Matthias Schulz"


Feuerschweifin

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Danke für den Artikel, Hase. Ich habe ihn ganz gelesen und muss ehrlich sagen: Ich finde ihn sehr schlecht. Die Argumentation ist nicht wirtschaftlich, sondern politisch. Von Ökonomen hätte ich jetzt eine weit wirtschaftlichere Argumentation erwartet. Nicht, dass ich ein großer Fan von Lindner als Finanzminister wäre, aber der Artikel baut auf dem Paradigma auf, das Finanzministerium müsste auf jeden Fall grün besetzt werden und argumentiert dann aus diesem Paradigma heraus.


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Nein, der Artikel baut nicht auf dem Paradigma auf, das Finanzministerium müsse grün besetzt sein. Er baut auf der Sichtweise auf, dass mit Lindner ein Rückfall in eine Finanz- und Geldpolitik käme, die nicht mehr zeitgemäß sei. Die Argumente, weshalb man das nicht für zeitgemäß hält, stehen im Artikel und haben mit Deutschlands Rolle auf EU- und internationaler Ebene zu tun - auch mit seiner Rolle im Hinblick auf die EZB. Ich bin, wie bereits hier geschrieben, volkswirtschaftlich zu unbeschlagen, um mir ein wirklich qualifiziertes Urteil erlauben zu können, aber interessant fand ich den Artikel schon. Entsprechende Gegendarstellungen/Kommentare kann man z. B. in der Wirtschaftswoche lesen, aber die zerren gleich wieder das Schreckgespenst des Sozialismus aus der Schublade, was ich weder argumentativ originell noch wirklich überzeugend finde.


Feuerschweifin

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Ich beziehe mich in meiner Aussage zu dem Paradigma auf folgenden Absatz: "Und den Grünen sollte klar sein, dass eine ernsthafte Klimapolitik unmöglich ist, ohne das Finanzministerium zu kontrollieren. Es ist der zweitwichtigste Posten der Regierung, und als zweitgrößte Partei sollten die Grünen ihn besetzen. Mit Robert Habeck als Minister und Sven Giegold als Staatssekretär verfügen die Grünen über ein plausibles Führungsduo." Wie gesagt, auch ich brauche Lindner nicht in dieser Position. Aber die ganze Argumentationskette ist halt weniger wirtschaftlich als politisch. Folgendes von dir sehe ich auch so: " aber die zerren gleich wieder das Schreckgespenst des Sozialismus aus der Schublade, was ich weder argumentativ originell noch wirklich überzeugend finde." Und ich sehe in diesem Artikel hier genau dasselbe Vorgehen, nur dass das Schreckgespenst hier nicht der Sozialismus, sondern der altbacken rückständige Konservatismus ist. Ich meine, beide Schreckgespenster werden einem Artikel, der die wirtschaftlichen Aspekte betrachten will, nicht gerecht. Ja, Verschuldung ist selbstverständlich abhängig vom BIP. Allerdings hat Verschuldung immer Folgen, auch negative wirtschaftliche und soziale. Und darauf geht der Artikel gar nicht ein, und das finde ich für einen Artikel, der die wirtschaftliche Seite beleuchten will, schwach. Wenn es nach mir ginge (was es nicht tut), würde das Ministerium bei der SPD bleiben. Das Finanzministerium in Händen einer Partei, die Politik für Besserverdienende macht (und sowohl die Grünen als auch die FDP sind solch eine Partei) und deswegen auch überproportional von diesen gewählt wird, ist nicht das, was ich mir im Rahmen einer sozialverträglichen Politik wünsche.


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Der Artikel argumentiert finanz- und geldpolitisch, aber nicht bezogen auf Deutschland allein, sondern auf die Finanz- und Geldpolitik Deutschlands iim internationalen Kontext. Dass die Autoren argumentieren, dass die Grünen auch das Finanzministerium besetzen sollten, um ihre Klimaziele zu erreichen, ist - auf nationaler Ebene - finanzpolitisch logisch, denn wenn die FDP das Finanzministerium besetzt, erwarten ein grünes Klimaministerium zähe Verhandlungen um die Finanzierung des Ausbaus von Energietrassen, von ÖPNV, von Ladesäulen, von Subventionen für Firmen, die auf klimagerechtere Produktion umstellen wollen. Denn dafür braucht es Geld, viel Geld, und solche Dinge hätte ein Finanzminister Lindner nicht auf der Prioritätenliste. Wohingegen die bereits in den Sondierungsgesprächen gekippte Vermögens- und Erbschaftssteuer, die Geld in die Finanzkassen gespült hätte, ganz sicher nicht auf dem Mist der Grünen gewachsen sind, sondern auf dem der FDP. Der Teil, was ein anderes finanz- und fiskalpolitisches Modell auf nationaler Ebene letztendlich volkswirtschaftlich für Deutschland und die EU auf lange Sicht bedeuten würde, ist der, für den mir der volkswirtschaftliche und finanzpolitische Horizont fehlt - ich kann schlichtweg nicht ausreichend beurteilen, ab wann eine - für Innovationen zwingend notwendige - Neuverschuldung des deutschen Staates zur unzumutbaren Belastung für kommende Generationen werden würde. Was ich jedoch weiß ist, dass wir aufgrund der konservativen Investitionspolitik der Union auf vielen Gebieten innovationstechnisch um Jahre zurückliegen und das als Wirtschafts- und Exportnation auf keinen Fall noch lange leisten können. Und dass unsere Finanzpolitik international als Bremsklotz wahrgenommen wird, und zwar nicht nur innerhalb der EU, sondern auch von unseren Verbündeten jenseits des großen Teichs. Und das hat nichts mit einem drohenden "Sozialismus" zu tun, sondern mit einer schwäbischen Hausfrauenmentalität, für die Schäuble exemplarisch stand. Hätten wir das in der Corona-Krise beibehalten, wäre unsere Wirtschaft massiv in den Keller gerauscht. Eine Sache verstehe ich nicht: Woher dein Argument kommt (ich habe das hier von dir schon öfter gelesen), dass die Grünen eine Besserverdienenden-Partei seien. So sehr ich deine Beiträge sonst schätze, aber das ist für mich dumpfes Nachbeten von sozialistischer und sozialdemokratischer Wahlpropaganda. Die Grünen setzen sich sicher weniger für die steuerliche Belastung der Gering- bis Mittelverdiener ein als die Linke, aber deutlich mehr als die FDP. Und die Grünen haben angeregt, dass für eine höhere CO2-Besteuerung Rückerstattungen an die geringer Verdienenden geben soll. Das kam nicht von der SPD oder von der FDP. Abgesehen davon sind sowohl unter den Mitgliedern der Grünen als auch unter deren Wählern die Verdienstgruppen ähnlich verteilt wie in der SPD, es gibt einen etwas höheren Anteil an Akademikern, meine ich, aber sind von den Verdiensten her tendenziell eher mittlere bis gehobene Mittelschicht. Der typische Großverdiener wählt Union oder FDP, aus Gründen.


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Ich schiebe noch einen Beitrag von Dirk Specht nach, den er gerade auf seinem Blog veröffentlicht hat, ich schätze ihn seit Corona sehr für seine Analysen, und er hat im Gegensatz zu mir einen sehr guten wirtschaftlichen und finanzpolitischen Überblick, er ist studierter Volkswirt und lehrt VWL als Dozent. Ein traditioneller "Grünen-Wähler" ist er außerdem nicht, er steht traditionell eher der Union nahe, hat sie aber diesmal offenbar nicht gewählt: "Ich kann nur hoffen, dass viele Kommentare zur Geld-, Wirtschafts- und Klimapolitik in SocialMedia nicht repräsentativ sind. Sonst hätte Deutschland ein Wahrnehmungsdefizit, das uns gefährlich werden kann. Noch vor wenigen Wochen kommentierte bei mir per PM ein Vertreter aus dem mittleren Management der deutschen Automobilindustrie, Tesla sei ein mittelständischer Elektroautohersteller mit unterdurchschnittlicher Fertigungskompetenz. Nun, inzwischen hat der Mittelständler eine Bewertung von einer Billion erreicht: https://www.faz.net/.../grossauftrag-tesla-ist-jetzt-eine... Nebenbei bemerkt halte ich die chinesische BYD für viel spannender und die Bewertung von Tesla wäre mir für ein Investment zu hoch. Aber dagegen sind die deutschen Konzerne leider inzwischen wirklich mittelständisch bewertet - und die sind bekanntlich nur die Spitze der ganzen Industrie. Wir haben ein erkennbares Problem und das sollten wir endlich wahrnehmen, statt das Verbrennerliedchen weiter zu singen, ein Tempolimit aus Marketinggründen abzulehnen und die Reichweite von E-Autos zu bemängeln. Diese Debatte passt nicht in die Zeit - weder ökonomisch, noch ökologisch. Die Fokussierung einer unserer Schlüsselindustrien ist von der Technologie (Diesel&Co) bis zu den Produktkompetenzen (Größe, Gewicht, Leistung) nicht mehr zukunftsfähig. Die großen Märkte verlangen - und das viel schneller als gedacht - nach ganz anderen Lösungen. Der "Geschmack" des Kunden in Deutschland ist nicht der Markt, unsere Debatte ist gegenstandslos. Gestern lief dann der Zeit-Beitrag von Stiglitz zur beabsichtigten Lindner-Politik durch. Seit Tagen ferner der Rücktritt von Weidmann. Inflationssorgen und der typische Reflex: Die EZB muss die Zinsen rechtzeitig erhöhen, die Haushalte müssen saniert werden, Schulden runter, Sparpolitik, zurück zur alten Bundesbank-Politik. Wir stehen in Europa und ganz besonders in Deutschland vor einer giftigen Kombination aus Preissteigerungen und nachlassendem Wachstum, einer Stagflation. Die wird sich zumindest vorübergehend nicht mehr vermeiden lassen. Wenn wir diesen reflexartigen Geld- und Wirtschaftsideologien der 80er-Ökonomieschule aus Deutschland und Österreich folgen, haben wir allerbeste Chancen, diese Stagflation zu einem länger wirkenden Giftcocktail auszudehnen. Ursachen sind zum einen die massiv steigenden Importpreise für Öl und Gas, die sich teilweise mehr als verdoppelten (https://www.faz.net/.../importpreise-steigen-stark-erdgas...). Hier entlädt sich ein Teil der Debatte nun über die erneuerbaren Energien. Das macht fassungslos, denn im Gegenteil ist die immer noch bestehende Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zudem aus politisch schwierigen Regionen der Grund, während die Erneuerbaren die Lösung sind. Nun wird in Europa über eine gemeinsame Energiepolitik gestritten. Ein später Zeitpunkt in einer Phase der Not. Die Europäer streben alle national Versorgungsautonomie an, jeder will seine Ideen durchsetzen, überall eine enorme Lobby der jeweiligen Industrie. Selbst jetzt noch kommt Kretschmer von der Kohlelobby nicht los. Auch dazu verheerende Kommentare unter den Medienberichten. Versäumnisse überall und das Ergebnis ist eine unverändert kollektive Abhängigkeit Europas zu Lieferungen aus Russland und der OPEC. Die USA stehen an der Stelle entspannt an der Seitenlinie. Das Land ist kaum von Energie-Importen betroffen, leidtragende sind China und Europa. Wir haben so schnell keine Chance, gegen diese Preisspiralen etwas zu tun. Das ist strategisch in den letzten 30 bis 40 Jahren versäumt worden - aber kein Grund, das so fortzusetzen. Eine weitere Ursache für die Stagflation sind die gestörten Lieferketten und die Engpässe bei vielen Produkten - insbesondere Halbleiter. Hier ist Deutschland in Europa besonders betroffen, weil unsere Industrie die Sache mit der Auslagerung an Zulieferer aus aller Welt am weitesten getrieben hat. Seit dem Erdbeben von Kobe in Japan, also bereits seit 1995, warnen Experten vergeblich, dass das System "überzüchtet" und viel zu fragil ist - nicht nur, aber ganz besonders bei uns. Was die Corona-Krise mit den Lieferketten angerichtet hat, ist natürlich dagegen ein Flächenbrand - und regional schwelt er weiter. Das tiefe Problem an dieser Situation ist, dass es nur wenige Unternehmen mit Preissetzungsmacht gibt, die höhere Beschaffungspreise oder rückläufige Produktionsmengen an die Konsumenten weiter geben können. Das führt zu steigenden Preisen, also Inflation. Eine große Zahl von Unternehmen kann aber gar nicht mehr liefern oder muss die höheren Kosten selbst schultern. Diese geraten also unter erheblichen ökonomischen Druck. Wir sehen in der Folge rückläufiges Wachstum bei steigenden Preisen. Wir sehen Unternehmen und Verbraucher in existenzieller Not. Das ist keine Inflation, die durch eine Überhitzung der Ökonomie und eine überschüssige Kaufkraft entsteht. Wer in dieser Situation ernsthaft eine Drosselung der Geld- und Fiskalpolitik fordert, hat entweder keine Ahnung oder ernsthaft die Absicht, eine hoffentlich in den nächsten 12 bis 16 Monaten zu erwartende Entspannung unbedingt zu verhindern. Die Geldpolitik muss sich zweifellos wieder normalisieren und das Schuldenwachstum aus Finanz- und Coronakrise muss ebenfalls korrigiert werden - aber keinesfalls während Unternehmen und Verbraucher mit den wesentlichen Folgen der Krise noch zu kämpfen haben. Wir brauchen nun ganz erhebliche Investitionen, um unsere strategischen Versäumnisse rasch aufzuarbeiten und zugleich unsere Ökonomie über diese schwierige Phase zu führen. Eine Verteuerung von Kredit wäre momentan Gift, eine Reduzierung der Geldmenge ebenso und die Staaten müssen an Digitalisierung sowie Infrastruktur herangehen - mit schuldenfinanzierten Sonderfonds, so dass die Mittel nicht in den Haushalten versickern. Weder Schulden-, noch Sparpolitik sind gut oder schlecht, richtig oder falsch - es ist eine Frage der Rahmenbedingungen. Momentan müssen wir expansiv bleiben und erkennen, dass wir an der Giftpille der Stagflation gar nicht vorbei kommen. Wenn wir die mit der falschen Politik verhindern wollen, wird es eine Giftpackung!"


tonib

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Den Artikel finde ich wiederum nicht schlecht, ich teile die Analayse in weiten Teilen. Specht sagt ja auch, dass die expansive Geldpolitik zurückgefahren werden müsse - nur gerade nicht jetzt. Ganz anders als Stiglitz, der grundsätzlich ein Freund expansiver Geldpolitik ist. Bei dem "Nicht jetzt" bin ich teilweise anderer Meinung, weil es immer ein "Nicht Gerade Jetzt" gibt.


tonib

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Auch ein interessantes Thema. Ich weiß jetzt nicht, wer der "typische Großverdiener" ist. Ich würde jetzt eher sagen, der typische Selbstständige wählt die FDP, der typische Lehrer und der urbane Akademiker, der tendenziell eher geisteswissenschaftlich tätig und nicht selbstständig ist, wählt die Grünen. Ich habe zwei Grünen-Politiker im engen Freundes-/Verwandtenkreis: einen Biolandwirt und eine Lehrerin.


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Das stimmt ,"typischer Großverdiener" ist ein Wischiwaschi-Begriff und blöd ausgedrückt. Und in dieser pauschalen Form trifft es vermutlich sowieso nicht zu. Beim "typischen Selbstständigen" muss man aber auch wieder überlegen, wen man damit meint. Der Handwerksmeister mit Kleinbetrieb oder der Landwirt mit ebensolchem Nicht-Biobetrieb wählt m. E. entweder die CDU oder die freien Wähler, der selbstständige Immobilienmakler oder Anlageberater womöglich eher die FDP, und bei den Freiberuflen kommt es wiederum auf die Branche an: die Juristen und Steuerberater dürften größtenteils eher liberal oder konservativ wählen, bei den Ärzten ist es ziemlich gemischt, freiberufliche Architekten, Künstler und Publizisten sind dagegen tendenziell eher "linker" und "grüner". Unter den Grünen-Politikern hier im Gemeinderat sind Lehrer und Biolandwirte auch vertreten, aber eben auch Architekten, Naturwissenschaftler (Biologen, Chemiker, Forstwirte, Geographen/-logen). Während die Union, die FDP und die freien Wähler, wobei es da hier verschiedene und unterschiedlich konservative Gruppierungen gibt, eher von älteren Rechtsanwälten, Steuerberatern, Bankkaufleuten, Immobilienmaklern und Vertretern von Autohäusern repräsentiert werden). Jetzt mal so ganz grob gesagt. DIe SPD-Fraktion ist dagegen ein ziemlich bunt gemischter Haufen.


Feuerschweifin

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Hase, das ist auch vollkommen okay, wir müssen ja nicht in allen Fragen völlig gleicher Meinung sein. Die, bei denen wir es sind, reichen mir völlig für das positive Bild, das ich von dir und deiner Ethik habe.


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Du weißt ja, dass das umgekehrt genauso gilt. Ich finde es ehrlich gesagt auch ganz spannend, mich hier mit Leuten auszutauschen, die andere Meinungen vertreten. Ich habe da auch schon einiges dazugelernt oder zumindest gelernt, Sachen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Vor allem in Bereichen, wo ich selbst nicht sattelfest bin oder eher Meinung als Ahnung habe, lasse ich mich auch gern belehren.


emilie.d.

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Das finde ich schon überraschend. Ich kenne mich mit Wirtschaft Null aus und kann nicht sagen, ob das, was die FDP vorhat, sinnvoll ist oder nicht. Aber wenn sich da Zweie festlegen, die ja scheinbar schon Ahnung haben...


tonib

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Antwort auf Beitrag von emilie.d.

Naja, es gibt auch unter Ökonomen, die zweifellos alle Ahnung von Thema haben, sehr unterschiedliche Ausrichtungen und Empfehlungen. Und der Blick aus dem Ausland ist natürlich noch einmal ein ganz anderer als aus dem Blick der Interessen der deutschen Wähler. Stiglitz´s Interesse ist ja nicht zwingend ein möglichst hoher Wohlstand der Deutschen oder eine möglichst gesunde Staatsfinanzierung in D.


emilie.d.

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Antwort auf Beitrag von tonib

Zweifellos hast Du von dem Thema mehr Ahnung als ich. So oder so wird das CL nicht geholfen haben.


Jana287

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Hallo Hase, Ich hab den Artikel jetzt mehrfach gelesen, und finde viele Behauptungen, aber keine logischen Begründungen. Für mich ein Meinungsartikel, kein fachlicher Artikel, auch wenn er von Experten kommt. Meine Gedanken dazu: Der Lobgesang auf Scholz stört mich. Es wurde viel Geld in Europa verteilt, diesen Handlungsspielraum hat Scholz sich nicht selbst geschaffen, sondern er entstand durch die Zinspolitik der EU. Weiterhin ging Scholz den Schritt zu gemeinsamen Schulden in Europa, dieser Schritt wird nun nicht mehr zurückzunehmen sein. Die Schulden im Verhältnis zum BIP, hier die Realität: https://m.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/europa/70570/oeffentlicher-schuldenstand Man beachte die vielgescholtenen Südländer, die Verschuldung steigt ins Unermessliche. Es macht Sinn, hier Sparsamkeit anzumahnen, denn Schulden verursachen Kosten. Sollte die EZB in die Verlegenheit kommen, die Zinsen erhöhen zu müssen, bekommen Griechenland , Italien und Co große Probleme. Griechenland liegt bei über 200 % des BIP, hat viele Milliarden Hilfen bekommen und hatte 2 Schuldenschnitte! Wer da Finanzstabilität anmahnt, ist keine Spassbremse sondern vernünftig! Zumal ja Deutschland über die diversen Programme und die Haftung in der EZB ( ich müsste nachlesen, ich glaube D haftet für über 26 % der Ausfälle der EZB ) ordentlich mit drinsteckt, falls zB Griechenland pleite geht. Gut,für mich muss nicht zwingend Lindner den Posten haben. Warum nun Habeck der bessere Mann sein soll, warum das wichtigste Kriterium Bereitschaft zum Schulden machen sein soll, wird im Artikel auch nicht ausgeführt. Für mich wäre fachliche Kompetenz das entscheidende Kriterium, Verständnis für wirtschaftliche und monetäre Zusammenhänge.


Jana287

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Antwort auf Beitrag von Jana287

... bist Du bereit auch ein fachliches Kontra zu Deinem Ausgangspost zu lesen? https://www.wiwo.de/politik/konjunktur/finanzpolitik-hoert-nicht-auf-die-schulden-oekonomen/27744074.html "Wer sich um Nachhaltigkeit und Generationsgerechtigkeit sorgt, muss den Staatsschulden den Kampf ansagen statt sie herbeizuschreiben. "


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Antwort auf Beitrag von Jana287

Hallo Jadzia, auf den Beitrag bezog ich mich oben, glaube ich. Ich lese ihn aber gleich noch mal. Ich bin grundsätzlich für alle Argumente offen, weil ich von internationaler Geld- und Finanzpolitik sowie Volkswirtschaft zu wenig Ahnung habe, um kompetent mitreden zu können. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als immer "out of the box" zu denken. Was mich an den alternativen Denkmodellen reizt, ist unter anderem die Tatsache, dass ich schon länger denke, dass Deutschland als Wirtschafts- und Exportnation zwar sehr von globalen Zusammenhängen profitiert, aber finanz- und steuerpolitisch nicht global denkt, sondern sehr kleinteilig. Dass wir finanziell zwar massiv davon profitieren, Produktion ins billigere Ausland zu verlagern und diese Billigprodukte von Zulieferern zu importieren (und das Gesamtprodukt dann teuer exportieren), dass wir aber investitionspolitisch immer noch so tun, als wären wir mit unserer Technologie Weltspitze, was wir schon lange nicht mehr sind. Gleichzeitig macht mich die Abhängigkeit von Zulieferern aus diktatorisch geführten Staaten nervös: Dass Russland und die Golfstaaten uns über fossile Brennstoffe in die Zange nehmen und unter Druck setzen können, schmeckt mir nicht (genauso wenig wie umgekehrte Deals in Form von Waffenlieferungen), und ich bin auch nicht begeistert davon, dass die Medizin-, Medizintechnik- und Elektronikproduktion fast komplett aus dem südostasiatischen Raum stammt, weil wir uns damit wiederum weitgehend von Herrn Xi abhängig machen (ich bin von der australischen Regierung auch nicht begeistert, aber besser als China finde ich sie doch). Dass ein Finanzminister bereits bei Amtsantritt ein ausgewiesener Finanz- oder Wirtschaftsexperte sein muss, halte ich für überzogen, denn die Arbeit im Ministerium erledigt ein Stab von Experten, Beratern und Sekretären. Der Minister gibt aber die groben Linien vor und vertritt seine Schwerpunkte. Habeck war immerhin schon mal in S-H Wirtschaftsminister, Scholz war vor seiner Zeit als Finanzminister Erster Bürgermeister und davor Finanzsenator von Hamburg. Lindner war Unternehmensberater und Unternehmer und ist von der Ausbildung her schwerpunktmäßig Politikwissenschaftler. Sein Spezialhema ist bekanntlich die nationale Steuersparpolitik. "Inkompetent" im Sinne von ahnungslos sind sicher alle drei nicht.


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Keine Ahnung, warum ich "Jadzia" geschrieben habe, ehrlich gesagt.


tonib

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Zu dem ganzen Thema, vor allem zu Stiglitz, der ja auch die Patentfreigabe von Biontech gefordert hatte, hätte ich sehr, sehr viel zu sagen, leider jetzt nicht wirklich Zeit. Daher erstmal nur kurz: "Was ich jedoch weiß ist, dass wir aufgrund der konservativen Investitionspolitik der Union auf vielen Gebieten innovationstechnisch um Jahre zurückliegen und das als Wirtschafts- und Exportnation auf keinen Fall noch lange leisten können." Es geht nicht um die Investitionspolitik (die war falsch, da bin ich völlig bei Dir). Ein großer Teil des Geldes wurde schlicht verfrühstückt - mit langfristigen Verpflichtungen, wie Rente mit 63, Mütterrente, Aufnahme Millionen Ungelernter in die Sozialsysteme, Subventionen für Autobauer und Kaufhäuser. Der größte Posten im Haushalt ist Soziales. Investitionen wurden schlichtweg oft nicht getätigt, weil der politische Wille und/oder die Expertise fehlten, sehr häufig Letzeres, und die Verfahren so überbordend sind, dass sie Jahrzehnte ! dauern. Die ganze Struktur ist innovationsfeindlich. Es gibt nicht genügend Ingenieure in den Bauämtern, im Straßenbau, im Brückenbau. Die schlecht ausgestatteten Schulen liegen in kommunaler, ggfs. noch Landeshand - man kann ja nun nicht sagen, dass die in Grün/SPD geführten Ländern im besseren Zustand sind, ganz im Gegenteil. Dass bei der Infrastruktur irgendetwas an der Finanzpolitik liegt, stimmt in meinen Augen einfach nicht. Ich habe heute morgen das Ergebnis der Studie des Centers for Financial Studies erhalten: "Umfrageergebnisse: Bei einer vom CFS durchgeführten Umfrage unter Fach- und Führungskräften zum Thema Inflation ergab sich ein überraschend eindeutiges Bild. 72% der Befragten rechnen nicht (!) mit einer Normalisierung der Inflationsrate auf ca. 2% bis Mitte des kommenden Jahres. Entsprechend sind 87,7% der Panel-Teilnehmer der Auffassung, dass die EZB aus ihrer expansiven Geldpolitik aussteigen sollte. Sogar 88,7% der Befragten halten es für geboten, dass die EZB zeitnah eine moderate Erhöhung der Leitzinsen vornimmt. „Die Forderung nach einem Ende der expansiven Geldpolitik wird von einer überwältigenden Mehrheit der Marktteilnehmer gefordert. Dies sollte die EZB zur Kenntnis nehmen“, findet Prof. Volker Brühl vom Center for Financial Studies. „Denn die Märkte haben ein feines Gespür dafür, wann eine Überhitzung der Märkte droht“, so Brühl weiter. Die Gefahr einer Stagflation – also das gleichzeitige Auftreten einer stagnierenden bis rückläufigen Wirtschaft bei gleichzeitiger Inflation – wird immerhin von 58,7% der Befragten gesehen, während 40,6% dieses Risiko nicht sehen. " Es geht Stiglitz um die expansive Geldpoitik, seine Sorge ist, dass Deustchland sich dagegen wehrt - was wir meines Erachtens dringend tun sollten. Was mir immer nicht klar ist: sieht denn von den linken Ökonomen niemand, wen die Inflation eigentlich am meisten trifft? Wir hatten doch schon die Diskussion hier im Forum. Wen stören denn die gestiegenen Mieten, die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise am meisten?


Mitglied inaktiv

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Antwort auf Beitrag von tonib

Danke dir - vielleicht, wenn du später mal Zeit hast, ist für dich auch die Argumentation von Dirks Specht - auch zum Thema Stagflation - interessant, die ich unter der Feuerschweifin eingestellt habe (zweites Antwortposting).


kuestenkind68

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Auch wenn es renommierte Ökonomen sein mögen, ich finde es immer etwas befremdlich wenn Amerikaner meinen, sie müssten uns Europäern erklären, wie wir unsere Wirtschaft gestalten sollen. Das Wirtschaftssystem hier ist eben deutlich anders als das in den USA und viele Dinge lassen sich nicht einfach von den USA auf Europa übertragen. Und nicht zu vergessen: welche Interessen haben denn die Amerikaner und werden solche Aussagen nicht auch dazu genutzt, derern Interessen zu stützen und unsere zu schwächen? Insofern würde ich zu diesem Thema gerne mal einen Standpunkt von europäischen, besser noch Deutschen Ökonomen lesen... Ich halte Lindner für geeigneter, wenn es darum geht, verkrustete Strukturen aufzubrechen, Steuerverschwendung massiv zu bekämpfen etc. Und er wird scharf kontrollieren, dass Geld eben nicht mit dem Füllhorn ausgeschenkt wird, wie es SPD und Grüne gerne tun um ihre Wähler zufrieden zu stellen. Habeck kann ich mir an anderer Stelle als Minister besser vorstellen als Finanzminister.


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Antwort auf Beitrag von kuestenkind68

Hallo Küstenkind, weiter oben habe ich noch einen Blogartikel von Dirk Specht zitiert, er ist Dozent für Medien und VWL und hat lange bei der FAZ im Wirtschaftsressort gearbeitet.


Schneewittchen123

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Antwort auf Beitrag von kuestenkind68

Der thematische Schwerpunkt von Stiglitz ist die Globalisierung(skritik). Meiner Meinung nach ist die Argumentation des Artikel mehr von diesem Schwerpunkt geprägt als von einer "amerikanischen Sichtweise".


kuestenkind68

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Oh, das habe ich übersehen, den schaue ich mir nochmal an. Danke für den Hinweis.


Schneewittchen123

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Ich bin leider auch etwas enttäuscht von dem Artikel, da viele Argumente nicht wirtschaftlich genug erklärt werden. Ich teile die Sichtweise, dass der Artikel mehr eine politische Argumentation zu verfolgen scheint, als eine wirtschaftliche, wobei ich es nicht so empfinde, dass dem Artikel keine wirtschaftlichen Argumente zugrunde liegen, sondern mehr, dass diese nur kurz angeführt und dann nicht ausreichend dargelegt werden. Dass Stiglitz als einer der bekanntesten Vertreter vom Neukeynesianismus sehr konträr zu der Finanzpolitik Lindners steht ist klar, ihre Haltung hätten die beiden aber gut mit wirtschaftlichen Modellen erklären können. Wenn ich mich nicht täusche, beziehen Stiglitz und Tooze sich bei der Kritik an Lindners Schuldenpolitik auf das IS-LM Modell, das hätte man (auch ohne explizite Nennung der theoretischen Modelle, um niemanden zu langweilen) ausführen können. Mir scheint, die beiden haben den Leser*innen vielleicht etwas wenig zugetraut, oder sie verlassen sich auf den Effekt, der sich einstellt, wenn man liest, dass Lindners Wirtschaftspolitik eine Anhäufung konservativer Klischees ist. Schade, ich hätte mir an vielen Stellen eine wirtschaftliche Ausführung der Argumente gewünscht! Und ich hoffe auch sehr, dass das Finanzministerium nicht an die FDP geht.


Mitglied inaktiv

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Antwort auf Beitrag von Schneewittchen123

Erklärst du evtl das IS-LM-Modell, damit es nicht selbst ergoogeln muss? Oder muss ich mich damit abfinden, auf die Buzzword-Formulierung im Artikel hereingefallen zu sein?


Mitglied inaktiv

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Antwort auf Beitrag von Schneewittchen123

Ich fand jetzt immerhin dieses lesenswerte Abstract (?): Zum Thema Global Governance und Keynesianismus: https://www.grin.com/document/8899 Und habe jetzt auch mal den Wiki-Artikel zum IS-LM-Modell gelesen, der auch in einem taz-Lexikon-Eintrag zum Keynesianismus erklärt war. Meine Fragen - mangels Ahnung: Entspricht eine expansive Geldpolitik und eine Nullzinspolitik, wie sie die EZB betreibt, dem keynesianischen Ansatz? Da die Inflation trotzdem steigt, und zwar weit über das von EZB angestrebte 2%-Ziel hinaus, und inzwischen auch Lagarde eingeräumt hat, dass nicht zu erwarten ist, dass sich die Inflation so schnell wieder einpendelt und möglicherweise doch nicht alles auf coronakrisenbedingte Verwerfungen zurückzuführen ist - wie lange würde die EZB ihre aktuelle Politik noch beibehalten können? Ab wann müsste sie zurückrudern, damit ihr das Ding nicht um die Ohren fliegt? Und was würden all diese Szenarien konkret für EU-Bürger bedeuten? Ich freue mich übrigens auch über Buchtipps, die das für "ökonomisch Illiterate" (so bezeichnete das vorhin jemand in der Kommentarsektion von D. Spechts Blog) erklärt, weil ich mich auch dazu zähle.


tonib

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Der keynesianische Ansatz ist das Deficit Spending, also die Verschuldung zur Konjunkturbelebung - das ist grundsätzlich das, was die EZB mit ihrer expansiven Geldpolitik betreibt. Typische Gefahren sind überbordende Staatsverschuldung und Inflation bzw. Stagflation. Und während das für bestimmte europäische Staaten richtig und sinnvoll erscheinen mag, um die Wirtschaft anzukurbeln, ist genau das in D überhaupt nicht nötig, sondern schädlich. Das eigentliche Problem dabei ist, dass wir in einer Währungsunion völlig unterschiedliche Staaten zusammengeführt haben - diejenigen, die eigentlich eine Währung abwerten müssten und solche wie Deutschland, die eigentlich ihre Währung aufwerten müssen. Das passt nicht zusammen. Man bräuchte eigentlich einen harten Nord-Euro und einen flexiblen Süd-Euro. Und wenn man diese unterschiedlichen Systeme schon zusammenführt, obwohl sie gar nicht zusammenpassen, dann müsste man es eigentlich ganz machen: also in der gesamten Rentenpolitik - überall Rente mit 6x, überall xx % des letzten Einkommens usw, usf.


Schneewittchen123

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Mmh, also gut erklären kann ich das wahrscheinlich auch nicht. Deshalb wäre es mir auch lieb gewesen, im Artikel wären die Argumente wirtschaftlicher erläutert worden. Ich probiere es mal: Das IS-LM Modell betrachtet Investitionen, Konsum, Produktion, Einkommen, Steuern und Zinsen (also die grundlegenden Größen einer VWL). Die IS-Kurve beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Volkseinkommen und Nominalzins und somit alle möglichen Gleichgewichte auf dem Gütermarkt (also alle Kombinationen von Zins und Realeinkommen, die einen Ausgleich auf den Gütermarkt bewirken) und die LM-Kurve alle möglichen Gleichgewichte auf dem Geldmarkt (also die möglichen Kombinationen von Zins und Realeinkommen, die bei der gegebenen Geldmenge ein Ausgleich auf dem Geldmarkt bewirken). Zusammen ergeben die beiden Kurven dann einen Schnittpunkt. Durch eine Steuererhöhung und Senkung der Staatsausgaben generiert man z.B eine geringere Nachfrage (das wäre im Modell dann eine Linksverschiebung der IS-Kurve), durch Erhöhung der Staatsausgaben das Gegenteil. Daraus leiten sich dann wirtschaftspolitische Maßnahmen ab, wie eine Steuersenkung/Steuererhöhung oder eine Erhöhung/Senkung der Staatsausgaben, um damit Konjunkturschwankungen ausgleichen zu können. Letztlich ist meine Hauptkritik am Artikel, dass man sich diese Modelle selbst dazu denken muss. Die Argumente des Artikels finde ich ja nicht schlecht und zweifle sie auch nicht an (könnte ich sowieso nicht), aber die wirtschaftswissenschaftlichen Erklärungen bleiben da irgendwie aus. Man hätte sicherlich auch einiges an der Finanzkrise 2008 veranschaulichen können. Da wurden die Staatsausgaben erhöht (Erhöhung der Staatsausgaben erhöht den autonomen Konsum und die Investitionen und bewirkt deshalb eine Rechtsverschiebung der IS-Kurve) und das Volkseinkommen ist um 4% gesunken. Ohne Erhöhung der Staatsausgaben wäre es (nach Berechnungen) um 4,9% gesunken. Eine Erhöhung der Staatsausgaben kann aber nur erfolgen, wenn davor auch dementsprechende wirtschaftspolitische Maßnahmen getroffen wurden. Und das sehe ich persönlich bei Finanzpolitik der FDP jetzt auch nicht unbedingt so.


Feuerschweifin

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Deinem letzten Absatz stimme ich vollkommen zu. Das ist von Anfang an meine Kritik an der Umsetzung, die halbgar ist, und die dadurch eine Menge Probleme und Ungerechtigkeiten schafft.


Schneewittchen123

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"Das eigentliche Problem dabei ist, dass wir in einer Währungsunion völlig unterschiedliche Staaten zusammengeführt haben, die eigentlich eine Währung abwerten müssten und solche wie Deutschland, die eigentlich ihre Währung aufwerten müssen. Das passt nicht zusammen. Man bräuchte eigentlich einen harten Nord-Euro und einen flexiblen Süd-Euro." Ich würde dazu noch ergänzen, dass das Problem bereits innerhalb eines Staates existiert (in Deutschland z.B nicht nur Ost-West Gefälle, sondern grundsätzlich zwischen wirtschaftlich stärkeren und schwächeren Regionen). Je größer der Raum und je größer das Gefälle, natürlich umso größer die Schwierigkeiten. Da die Vorteile einer gemeinsamen Währung meiner Meinung nach aber überwiegen, bin ich dennoch sehr froh über den Euro (auch wenn das System wahrscheinlich besser umgesetzt werden könnte/müsste).


Mitglied inaktiv

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@Schneewittchen: Danke für die Erklärung - ich musste mich ehrlich gesagt ziemlich durchwühlen und habe auch noch mal den Wikipedia-Beitrag konsultiert, um die Kurve selbst zu sehen und ein paar verlinkte Begriffsdefinitionen nachsehen zu können, sonst wäre ich bei deiner Erklärung nämlich schon wieder mit meinem ökonomischen Anaphabetismus am Ende gewesen. Ich komme mir da wirklich vor wie eine Fünftklässlerin, der man Analysis erklärt, und ich muss bei jedem einzelnen Erklärungsschritt überlegen... @tonib: Wiki versichert mir glaubhaft, dass das deficit spending von Keynes nicht explizit zur Beeinflussung "normaler" Konjunkturphasen vorgesehen war, sondern nur für die schwere Krisenzeit nach dem Bankencrash mit starker Unterbeschäftigung (ich weiß nicht, ob man Post-Corona mit dieser Situation vergleichen kann, möglicherweise in Ländern, die sich von 2008 noch nicht wieder richtig erholt hatten), dass das von Schneewittchen erklärte Modell von einem weiteren Ökonom entwickelt worden sei, dessen Name mir gerade nicht einfällt, und dass dieses Modell auf die heutige Situation mit einer Steuerung der Inflation durch von Notenbanken regulierte Nominalzinsen sowieso nicht richtig anwendbar sei, da es nur mit Realzinsen arbeite. Außerdem scheinen viele Ökonomen der Ansicht zu sein, dass bis zum Beschluss der Durchführung regulierender Eingriffe in die Konjunktur oft so viel Zeit vergehe, dass diese Eingriffe in einer Phase kämen, in der sich die Konjunktur schon wieder von allein erhole. Ich kann nicht behaupten, dass ich jetzt alles verstanden hätte und stehe jetzt irgendwie vor einem großen Haufen verschiedener Flicken, die ich jetzt verstanden habe, aber noch nicht zu einem Flickenteppich zusammennähen kann (oder jedenfalls nur zu einem mit sehr löchrigen Nähten), aber ein bisschen was dazugelernt habe ich auf alle Fälle, vielen Dank! Ich habe irgendwo noch einen Gabler herumstehen und gucke, glaube ich, mal, ob es ein "VWL für Dummies" gibt, um mich da noch ein bisschen weiter reinzufuchsen. An der Sinnhaftigkeit einer gemeinsamen Währung zweifle ich übrigens auch überhaupt nicht, allerdings ist eine gemeinsame Sozial-, Renten- und Arbeitsmarktpolitik der EU natürlich absolut illusorisch. Außerdem fand ich deinen Einwand oben, tonib, interessant, dass allein mit mehr Investitionen und einer höheren Verschuldung überhaupt nichts gewonnen ist, weil es schon innerhalb Deutschlands so viele strukturelle Probleme gibt. Im Grunde genommen hat sich das ja schon in der Coronakrise mit den Finanzhilfen gezeigt, das habe ich (bzw. Kollegen von mir, ich selbst habe ja nichts in Anspruch genommen) ja durchaus am eigenen Leib erfahren: Dass die Annahmen der staatlichen Finanz- und Wirtschaftspolitik, wie man Unternehmen, Arbeitsmarkt und Konjunktur in der Krise helfen könne, teilweise von völlig falschen Annahmen und veralteten Modellen ausgehen. Das Heer der Soloselbständigen, und zwar nicht nur der "brotlosen" Künstler, sondern eigentlich das sämtlicher Dienstleister, die eben keine Güter produzieren oder in Umlauf bringen, sondern von ihrer geistigen Leistung leben, wurde durch die Hilfsmaßnahmen größtenteils verfehlt; trotz "Bazooka". Und da passiert dann eben auch wieder im großen Stil Verschwendung oder Betrug, der dann Kapazitäten im Verwaltungs- und Justizapparat bindet, weil dem nachgegangen werden muss... Kleine Randnotiz übrigens von gestern Abend: Nicht weiter verwunderlich, haben Olaf Scholz und Robert Habeck gestern im Rahmen der Koalitionsverhandlungen erklärt, dass dank der von der FDP geforderten Aussetzung von Steuererhöhungen auch leider keine Steuererleichterungen für kleine und mittlere Einkommen "drin" seien. Ich bin gespannt, wie sich diese drei zu einer funktionsfähigen Regierung zusammenraufen wollen, die sich nicht an allen Ecken und Enden gegenseitig blockiert...


tonib

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Im Handelsblatt ist ein böser Kommentar über den "Chavez-Fan" Stiglitz, der mit seiner wirren Kritik Habeck einen Bärendienst erwiesen habe. https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-stiglitz-empfehlungen-sind-wirr-und-festigen-ungewollt-lindners-finanzminister-ambitionen/27746346.html


tonib

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Zum letzten Punkt: ich finde es auch schwer, die Parteien zusammenzubringen, aber wenn jeder seine Kernkomptenzen betont, könnte es doch etwas werden. Ich finde den Ansatz der potentiellen Koalitionäre gut, einmal auf bestehende Subventionen zu blicken, auch wenn ich als Pendlerin mit Diesel-Dienstwagen da so gar nichts von haben werde.


tonib

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Antwort auf Beitrag von Schneewittchen123

Ich fürchte, die Unterschiede zwischen den Kulturen und den Systemen sind letztlich zu groß für eine Währungsunion. Nur ein Beispiel: Das "reiche" Deutschland schneidet beim Vermögen pro Kopf immer ziemlich schlecht ab, auch im Vergleich zu viel ärmeren Staaten. Dann wird immer gesagt: ja, aber die Rente! Die ist doch auch ein Vermögenswert! Wir sind also mindestens genau so reich. Aber wenn man einmal auf die Inflation schaut, dann steht eben eine Alterssicherung, die in 20 Jahren EUR 1000 betragen soll, ziemlich sparsam da (auch wenn es da noch ein paar mitigierende Faktoren gibt). Im selben Maße Immobilien zu erwerben wie die Italiener oder die Griechen geht aber auch nicht mehr so ohne weiteres für jeden. Die Deutschen schauen in derselben Zeit auf ihr Sparkonto und wundern sich.


Schneewittchen123

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Das IS-LM Modell gilt heute als etwas veraltet und ungenau, aber es hat durchaus noch eine hohe Relevanz. Es gibt auch Erweiterungen zu dem Modell, die aber noch komplizierter werden.


Schneewittchen123

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Antwort auf Beitrag von tonib

Das ist leider hinter einer Paywall, aber würde ich auch gerne lesen. Könntest du den Artikel schicken, falls du das noch siehst?