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Redet mit den Papas - wie es uns geht, fragt in der Regel keiner

Thema: Redet mit den Papas - wie es uns geht, fragt in der Regel keiner

Liebe Mütter, denkt auch an die Papies! Es ware eine Nacht im November, kurz nach 24h weckte mich meine Frau und sagte, der Blutdruck sei über 200. Krankenhaus, sofort. Klar, ich hatte schon mitbekommen, Feindiagnostik Notch-Werte kritisch aber noch ok, erhöhter Blutdruck, etc. Alles Anzeichen, dass die Schwangerschaft vorzeitig beendet werden müsste, aber hey? Jetzt und so? Im Krankenhaus dann gleich das volle Notfallprogr., Wehenhemmer, Blutdrucksenker, Aufnahme, CTG, Blutwerte, Lungenreife... morgens um 05h eine whatsapp an meinen Arbeitgeber, "alle Termine die Woche absagen". Es sollten sieben Wochen werden. Was machst Du als Mann in der Situation, im KKH war ich zum Händchenhalten verdammt und es kam mir vor wie ein schlechter Film, unfähig zu helfen oder aus der Situation etwas gutes zu finden. Morgens in der Früh fuhr ich heim, Sachen holen, Arbeitgeber der Frau anrufen, Schwiegereltern, Eltern... Ihr werdet eher Grosseltern als wir uns das wünschten, keine Besuche vorerst, Abschottung, Ruhe. Nach über 48h fiel mir ein, das Essen auch mal eine Idee wäre, Schlaf wird vollkommen überbewertet, es waren drei (!) Stunden in den nächsten 72 Stunden. Im Krankenhaus gute Stimmung machen. Immer gute Laune zeigen, alles organisieren. Kinderwagen? Was? BabySchale, hatte ich doch erst für Ende Januar eingeplant, es war November... Aber klar, liebe Ehefrau, mache ich. Jedesmal beim Verlassen des KKH zog es mir die Füße weg, ich wollte Vater werden, aber so? Das hatte mir keiner vorher gesagt und es sollte noch schlimmer kommen, der Tag der Sectio, zum Glück geplant, eingetacktet, Chefarzt-Team etc. Noch während die Frau im Aufwachraum liegt, durfte ich zum Kind. Ein erstes Foto, kein toller Ablick, ich sah nur Kabel, Monitore, das war alles zu viel für mich. Gwichtsverlust bei mir 5kg in einer Woche. In den kommenden 13 Tagen war meine Frau noch auf Station, ich also jeden Abend allein in der Wohnung, traute mich nicht was zu trinken, immer in der Angst einen Anruf der Klinik zu bekommen, in ständiger Fahrbereitschaft. Alle anrufen, erklären was los ist, Bürokratie, Versicherungszeug, mein Arbeitgeber stellte mich die kommenden Wochen bezahlt (!) frei, ich musste kein Urlaub nehmen. Jeder fragte, wie es Frau und Kind geht, jeder wollte zum Kind. Wer so ein Wurm an Kabeln gesehen hat (oder bekommen hat)? Natürlich niemand. Ich musste also endlos nervende Fragen beantworten. - Besuch: nein - Entlassungstermin: keine Ahnung - Foto: nein - Wirklich kein Besuch: wirklich nein - Gehts Frau gut: nee klar, hatte gerade Hellp und tanzt jetzt wieder solo im Staatsballet - Gehts Kind gut: Was willst Du wissen? HF? AF? Sauerstoffsättigung? - Wirklich kein Foto: nein WIRKLICH nicht. - Elterngeld - Kindergeld - Kleidung, Milchpumpe, Flaschen, all das Zeug. Im Krankenhaus dann immer gute Laune bei der Frau, die Stunden beim Kind waren Momente der Glückseeligkeit. Hormone der Frau spielen verrückt, ich bin der Prellbock. Bloß nicht aufregen, kein Kontra geben. Zum Glück waren wir schon viele Jahre zusammen und kannten uns in- und auswendig. Aber wo waren nochmal die Socken meiner Frau im Kleiderschrank?! Aber sobald ich aus der Tür draußen war, Heulkrämpfe, Brechreiz, Panik. Auf einmal gab es so viele Babys um mich herum und was für Assi-Eltern brachten eine normale Geburt hin. Telefonate, jedem erklären was los war, Fragen beantworten. "Glückwunsch zur Geburt" "Fuck You" Cut. 5 Monate später Der Kleine macht sich sehr gut, viel Freude und ist die innige Liebe von Papa und Mama. Alle U Untersuchungen waren perfert, das Kind ist kognitiv weiter als es müsste. Wenn es an der gesamten Situation einen Vorteil gab, dann der, dass ich in den 7 Wochen KKH eine unglaublich tiefe Beziehung zum Sohnemann aufbauen konnte und alle Mutties der Kinderstation (nach der Verlegung) ein wenig neidisch waren, wie gut Papa mit dem Kind umgehen konnte. Wir sind daheim und ich schreibe diese Zeilen und bei so mancher kommen mir noch heute die Tränchen ins Gesicht. Liebe Mütter, kein Mann, kein Papa wird je nachvollziehen können, was ihr durchmacht, körperlich und geistig. Medizinisch betrachtet, ist der Papa die unwichtigste Person. Es fragt daher in der Regel keiner wie es den Papas geht. Wir sind allein da draußen, allein mit den Ängsten, dem Organisationszeug und unserem Gesprächsbedarf. Wie es uns geht, das fragt keiner. Aber genau das ist das Problem. Redet mit den Papas, vielleicht erst nach Wochen, aber macht es. Auch als Papa braucht es eines Verarbeitungsprozesses, einer Rollenfindung ein Lernprozess und es ist auf jeden Fall eine Extremsituation. Inzwischen gibt es für die Mamas gute aber ausbauwürdige Nachsorgeprojekte, ich habe für Papas noch nichts in der Art gefunden. Vielleicht liegt es daran, dass wir als Papas den "starken Mann" machen müssen, das die gesellschaftliche Erwartungsrolle ist. Das führt unweigerlich zu einem Verdrängungsprozess und ich halte das für falsch. Damit gute Nacht und Cheers Sö

von Frühchenpapi am 19.04.2017, 21:52



Antwort auf Beitrag von Frühchenpapi

Sehr schön geschrieben.Nur die Worte über die "Assi-Eltern" lassen Empathie schwinden.Leider!

von fsw am 19.04.2017, 22:17



Antwort auf Beitrag von Frühchenpapi

Wow, ganz toll geschrieben. Bin selbst Mami von extrem Frühchen. Mich berührten deine Worte sehr.

von Conny80 am 19.04.2017, 22:30



Antwort auf Beitrag von Frühchenpapi

Weißt Du ich kann Dich im Großen und Ganzen schon gut verstehen, denn diese Situation ist für kein Elternteil leicht. Harlekin betreut übrigens nicht nur die Mütter (bin auch aus Bayern) und auch die Seelsorge auf Station bietet sich für die Väter an. Was mir aber missfällt ist dieser zynische Unterton gegenüber deiner Frau - vllt solltest du das wirklich mal therapeutisch aufarbeiten und darüber sprechen - über dieses Trauma. Ich muss ehrlich sagen, das es mir eher schwer fällt so manchen Satz von Dir anzunehmen, auch wenn es eigentlich deine Intention war "Mamas" zu erreichen. Natürlich war das alles für meinen Mann auch sehr schwer, aber "Gute Miene" machen musste er niemals - im Gegenteil => ich hatte vielmehr das Bedürfnis mit ihm über UNSERE Sorgen zu sprechen, darüber zu sprechen dass das alles Mist ist und ich wollte auch ein Stück weit mit ihm trauern und auch mal zusammen weinen (damit meine ich nicht, sich gegenseitig runterzuziehen, sondern über seine Sorgen und Ängste ehrlich und verständnisvoll sprechen zu können und dabei ernst genommen zu werden). Mich hatte es furchtbar genervt wenn er versucht hatte alles "schön" zu reden, ich wollte mit ihm darüber sprechen wie es tatsächlich ist und somit in der Ganzheit der Situation verstanden werden. Wenn er da einen auf gekünstelten Bespassungs- Clown (überzogen gesprochen) gemacht hätte, hätte ich seine Anwesenheit wohl kaum ertragen, ehrlich. Natürlich sollte man die Papas nicht vergessen und auch ihr Trauma und ihre Belastung und Sorgen sehen: Da bin ich ganz bei dir. Aber aufwiegen lässt sich das nicht, überhaupt nicht. Lg

von EarlyBird am 19.04.2017, 22:31



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Haargenau dasselbe hab ich mir auch jetzt beim Durchlesen gedacht, ich war sogar ziemlich perplex ueber den Anfangspost. Aber ich bin froh, dass EarlyBird das schon so schoen geschriebe hat, von mir waere es naemlich unter Umstaenden ein bisschen weniger einfuehlsam gekommen. lg niki

von niccolleen am 20.04.2017, 07:56



Antwort auf Beitrag von Frühchenpapi

Hallo! Ich gebe dir Recht. Die Papas kommen manchmal zu kurz. Aber wir Frühchenmamas sind zu Sorgen machen, Abpumpen und Babypflege verdammt. Wenn man alle 3 Stunden abpumpt (Dauer ca. 30 Min.) und dann ca. 1 Stunde beim Kind mit Wickeln, Füttern, Händchen halten beschäftigt ist, kann man manchmal nicht nach dem Befinden des " wie ausgekotzt" aussehenden Kindsvater fragen. Korrekterweise müssen die Außenstehende auf das eigene Befinden aufmerksam gemacht werden. Meine Bitte an die Papas: Versucht euer Gefühlschaos gleich der Umwelt (Eltern, Schwiegereltern, Freunde, Verwandte) mitzuteilen und nicht, dass wir vermuten müssen, wie es euch geht. Ich weiß, dass mein Mann die Situation genau so wie du empfunden hat. VG

von Ju2Mutti am 19.04.2017, 23:00



Antwort auf Beitrag von Frühchenpapi

Also dass das mal raus muss finde ich irgendwie nachvollziehbar aber ich empfinde es auch sehr traurig dass es bei euch anscheinend kein empathisches Netz gibt welches dich aufgefangen hat. Als ich damals Anfang der 20 ssw in die Klinik kam und an die toko etc angeschlossen wurde, haben wir viel und immer gesprochen. Über alles: Ängste, sorgen, Hoffnung und Gefühle. Und als er heim kam hat er Unterstützung von jedem aus der Familie und den Freunden bekommen. Es wurde sich ausgetauscht wer wann welchen besuch übernimmt, wer ihm den Einkauf ab nimmt usw. Ich kann sagen dass mein Mann mindestens genau so wichtig war wie ich und der kleine in dieser Zeit aber man(n) muss es auch zulassen wenn Hilfe angeboten wird. Und zumindest war es bei uns so, dass die Hilfe in der Klinik auch von den Männern angenommen werden konnte. Ich hoffe du schaffst es irgendwie diese negativen Gedanken zu überwinden und vielleicht solltest du wirklich mal mit deiner Frau zusammen zu einer Seelsorge gehen um das ganze aufzuarbeiten. Da schwingt ganz viel trauriges und negatives in deinem Post mit und ich finde es irgendwie sehr schade dass damit ein schlechtes Bild über die "jammernde Frau" dargestellt wird. Alles gute euch

von Murmel2017 am 21.04.2017, 11:30



Antwort auf Beitrag von Frühchenpapi

Ich finde es gut geschrieben... Und auch sehr interessant wie es jeder auffasst und für sich interpretiert. Es ist einfach aus der Sicht eines Mannes geschrieben, was ist daran verkehrt? Solch Situationen sind Ausnahmezustände und jeder verarbeitet diese anders.

von ankale12 am 22.04.2017, 20:28



Antwort auf Beitrag von Frühchenpapi

Ich finde das mega gut geschrieben!

von Rubertus am 24.05.2017, 13:04