Frage: Zitierte Studien - Herkunft

Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, ich haben keine spezielle Frage zu einem Medikament. Ich frage mich nur, ob die Empfehlungen auf die Sie sich beziehen aus wissenschaftlichen Studien stammen, die von unabhängigen Instituten erhoben und ausgewertet wurden oder ob die Ergebnisse auch aus wissenschaftlichen Studien stammen, die vom Arzneimittelhersteller in Auftrag gegeben worden. Oder können Sie das gar nicht so pauschal sagen? Herzlichen Dank für die Beantwortung.

von Madonna am 30.10.2015, 10:38



Antwort auf: Zitierte Studien - Herkunft

Die Pharmaindustrie beschränkt sich meist auf die im Rahmen der Zulassung von den Behörden geforderten Tierexperimente. Klinische Studien mit Schwangeren bzw. Stillenden verbieten sich i. A. aus ethischen Gründen. Da für die Hersteller der Absatz von Produkten an Schwangere und Stillende wirtschaftlich nicht von besonderer Bedeutung ist, belassen sie oft über Jahrzehnte die Warnhinweise im Beipackzettel, die von einer Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit grundsätzlich abraten, es sei denn, der betreuende Arzt hält die Therapie für erforderlich. Damit kann man mögliche Gerichtsverfahren von Eltern mit geschädigten Kindern vermeiden und teure Schadenersatzforderungen umgehen. Deshalb müssen wir meist auf Daten zurückgreifen, die nach ungeplanter Anwendung in der Schwangerschaft gesammelt werden. Auch unser Institut hat seit 1989 über 28.000 Schwangerschaftsausgänge nach konkreten Anfragen von Ärzten und Patientinnen in der Frühschwangerschaft wegen Anwendung von Medikamenten (oft in Unkenntnis der bestehenden Schwangerschaft!) gesammelt, um die Risiken für die kindliche Entwicklung nach mütterlicher Exposition einschätzen zu können. Für den Informationsaustausch ist auch die Zusammenarbeit mit den anderen europäischen Beratungsstellen im Netzwerk ENTIS (European Network of Teratology Information Services) hilfreich. Diese Einrichtungen werden natürlich nicht von der Industrie sondern meist aus öffentlichen Haushalten oder Stiftungen finanziert. Unsere Einrichtung kann seit 13 Jahren z. B. nur durch Zuschüsse der Diözese Rottenburg-Stuttgart bzw. Spenden von Betroffenen überleben.

von Dr. Wolfgang Paulus am 02.11.2015