Hallo Herr Bluni,
vorgestern wurde bei mir ohne das dies von mir gewünscht war eine Nackenfaltentransparenzmessung gemacht. Sie war mit 3mm (auf einigen Ultraschallbildern konnte ich auch den Wert 3,5 mm sehen) auffällig. Nun hat man mich zu einem Bluttest geschickt.
Was bedeutet dies nun? Ich bin 36 Jahre alt, mein Mann auch und wir haben eine dreijährige gesunde Tochter.
Wenn ich die Informationen im Internet richtig interpretiere ist dennoch die Wahrscheinlichkeit ein gesundes Kind zu bekommen größer als die, daß das Kind irgendeinen "Defekt" hat. Ist das richtig? Ich bin sehr beunruhigt!
Vielen Dank für Ihre Antwort.
PESA
Mitglied inaktiv - 01.08.2008, 11:34
Antwort auf:
Nackenfalte auffällig!
Hallo,
ja, das sehen Sie voellig richtig. Aber:
1. wenn sie auffaellig ist, wird man immer zu einer weiteren Abklaerung per Fruchtwasseruntersuchung raten.
2. die Nackentransparenz (nuchal translucency, NT) resultiert aus einer Flüssigkeitsansammlung im Bereich des fetalen Nackens, welche bei nahezu allen Feten im Ultraschall zwischen 10+3 und 13+6 Schwangerschaftswochen (fetale Scheitel-Steiß-Länge etwa zwischen 45 und 84 mm) darstellbar ist.
Sie ist eine physiologische Erscheinung, die in Abhängigkeit der Ausdehnung in Bezug auf das Schwangerschaftsalter und das Alter der Mutter einen Hinweis auf eine genetische Anomalie des Feten, (z.B. Down-Syndrom) geben kann.
Als andere Ursachen für die häufig nur zwischenzeitlich zwischen der 10. und 14. SSW auftretende Flüssigkeitsansammlung im fetalen Nacken werden assoziierte Fehlbildungen und Infektionen diskutiert.
Verschiedene Arbeiten an großen Studienpopulationen belegen, dass bei einer Nackentransparenz mit einem Grenzwert von 2,5 (resp. 3 mm) das Risiko einer chromosomalen Störung im Vergleich zum altersbezogenen Risiko variiert.
Nach Nikolaides steigt das Risiko für eine Trisomie 21, 13, 18 bei einer Nackentransparenzausdehnung von mehr als 2,5 mm um das 12-fache.
Untersuchungen von Pandya zufolge steigt das Trisomierisiko in Abhängigkeit der Ausdehnung der Nackentransparenz wie folgt:
3mm 3fach
4mm 18fach
5mm 28fach
Allerdings stellt die erhöhte Nackentransparenz per se keine Fehlbildung dar. Wenn chromosomale Anomalien ausgeschlossen werden können, werden etwa 90% der Schwangerschaften mit einer Nackentransparenz unterhalb von 4,5 mm zur Geburt eines gesunden Kindes führen, die Prozentsätze für eine Nackentransparenz von 4,5 mm und 6,5 mm oder mehr betragen jeweils etwa 80% und 45%
Eine anschauliche Tabelle dazu findet sich auf der Internetseite der Universitätsfrauenklinik Jena. Hier wird in semilogarithmischer Darstellung das Risiko für eine Trisomie in Abhängigkeit vom Alter der Mutter alleine dem Risiko gegenübergestellt, das sich bei jeweils unterschiedlicher Ausdehnung der Nackentransparenz ergibt.
Die Internetadresse ist
http://www2.uni-jena.de/ufk/frk_info/inf9710.htm
Diese sehr komplexen Vorgänge führen dazu, dass ein Außenstehender nur mit der Vorgabe fixer Werte alleine keine Interpretation der Situation vornehmen kann und sollte.
Es ist aber auch der Grund, dass besonderes Augenmerk darauf gelegt werden sollte, sich die Einrichtung, in der diese Untersuchung durchgeführt wird, rechtzeitig besonders gut auszusuchen. Sie sollte entsprechend qualifiziert sein, was auch heißt, dass nach der Häufigkeit der Durchführung dieser Untersuchungsverfahren vorher gefragt wird.
Handelt es sich um eine spezielle Einrichtung für Pränataldiagnostik, ist von einer solchen Qualifikation sicher auszugehen.
Letztlich geht es ja auch darum, eine klare Aussage und Information zu den Ergebnissen und den Konsequenzen aus auffälligen Ergebnissen zu bekommen.
Missinterpretationen oder falsche, klinische Konsequenzen sollten in jedem Fall vermieden werden.
Und so sollte der Untersucher über die ihm zur Verfügung stehende Software anhand der Ultraschallwerte und ggf. Blutbefunde (sofern ein Ersttrimesterscreening durchgeführt wurde) immer auch eine Risikoberechnung durchführen können.
Da eine Verbreiterung der fetalen Nackentransparenz in der 11.-14.SSW mit einem breiten Spektrum fetaler Fehlbildungen assoziiert ist, sollte bei auffälligem Ergebnis eine weiterführende Diagnostik, z.B. eine Fruchtwasserpunktion oder Chorionzottenbiopsie besprochen werden.
Für den Fall, dass dann die Genetik unauffällig ist, wäre es ratsam, einen differenzierten Organultraschall zwischen 20. & 23. SSW in einer entsprechend qualifizierten Einrichtung für Pränataldiagnostik durchführen zu lassen, um unter anderem eine Herzfehlbildung auszuschließen.
VB
von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 01.08.2008