Frage: Opipramol und Paroxetin

Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, Ich nehme aufgrund einer Angststörung und Zwangsgedanken die Medikamente Opipramol und Paroxetin ein. Die Anfangsdosis lag bei 100mg Opipramol und 20mg Paroxetin täglich. Mittlerweile nehme ich 25mg Opipramol und 10mg Paroxetin täglich. Bei mehrtägigem Weglassen stellen sich die Symptome der Angststörung und die Zwangsgedanken leider wieder ein. Nun ist es so, dass ich einen starken Kinderwunsch verspüre - allerdings möchte ich mein künftiges Kind weder durch die Medikamente noch durch Panikattacken, die sich beim Absetzen wohl wieder durchsetzen, gefährden. Halten Sie eine Einnahme der beiden Medikamente (auch in Kombination) auch in der Schwangerschaft für vertretbar? Natürlich halte ich zudem Rücksprache mit örtlichen Ärzten. Gerade in Hinblick auf Paroxetin habe ich von heftigen Absetzerscheinungen gelesen...ich weiß einfach nicht, was das "kleinere Übel" ist. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen. Mit freundlichen Grüßen Lindella

von Lindella am 19.11.2021, 16:09



Antwort auf: Opipramol und Paroxetin

Ein möglicher fruchtschädigender Effekt des Antidepressivums Paroxetin wird seit mehr als 10 Jahren diskutiert. Eine neuere Metaanalyse (Berard et al 2016) von 23 bisher publizierten Studien ermittelte einen leichten Anstieg von Fehlbildungen allgemein und insbesondere von Herzfehlern. Man geht üblicherweise von etwa 7 Kindern mit angeborenen Herzfehlern auf 1.000 Lebendgeburten aus. Die in der Metaanalyse von Bérard gezeigte Steigerung würde einer Erhöhung um 2 weitere Kinder mit angeborenen Herzfehlern auf 9 pro 1.000 entsprechen. Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) sowie selektive Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren (SNRI) stehen außerdem im Verdacht, beim Neugeborenen eine persistierende pulmonale Hypertonie (Hochdruck im Lungenkreislauf) zu begünstigen. In einer großen skandinavischen Kohortenstudie mit ca. 30.000 Schwangeren unter Therapie mit SSRI nahmen 11.014 Frauen auch nach der 20.SSW noch SSRI ein. 33 Neugeborene wiesen eine pulmonale Hypertonie auf (absolutes Risiko 3/1.000 Neugeborene im Vergleich zu 1,2/1.000 Fälle in der unbelasteten Bevölkerung). Das Risiko lag bei Sertralin, Citalopram, Paroxetin und Fluoxetin ähnlich hoch (Kieler et al 2012) Im Rahmen einer Metaanalyse aus 11 retrospektiven Kohortenstudien sowie Fallkontrollstudien wurde das Risikoprofil der einzelnen SSRI-Wirkstoffe (Fluoxetin, Sertralin, Paroxetin, Citalopram, Escitalopram) miteinander vergleichen. Unter 156. 978 Studienpatientinnen mit Einnahme von SSRI bzw. SNRI fand sich bei 452 exponierten Kindern eine persistierende pulmonale Hypertonie. Das entsprach einer Häufigkeit von 2,9 pro 1000 Lebendgeburten. Im Kollektiv der nicht exponierten Mutter-Kind-Paare betrug die Häufigkeit einer persistierenden pulmonalen Hypertonie des Neugeborenen 1,8 pro 1000 Lebendgeburten. Im Vergleich der einzelnen SSRI untereinander erwies sich Sertralin – vermutlich aufgrund seiner geringeren Plazentagängigkeit – als Wirkstoff mit dem geringsten Risiko für eine persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen (Masarwa et al 2019). Ein fruchtschädigender Effekt von Opipramol wurde in Tierversuchen nicht beobachtet. Bei hochdosierter Therapie vor der Geburt können beim Neugeborenen folgende Symptome auftreten: Tachyarrhythmie (Herzrasen), Tachypnoe (beschleunigte Atmung), Tremor (Zittern), Trinkschwäche, Konvulsionen (Krämpfe), Harnverhalt. Wir selbst verfügen über 80 Rückmeldungen nach Behandlung mit Opipramol in der Schwangerschaft: 12 Schwangerschaftsabbrüche 12 Fehlgeburten 53 unauffällige Neugeborene 3 angeborene Anomalien (Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, Choanalatresie, motorische Entwicklungsstörung) Eine Fortführung der Medikation in moderater Dosis (z. B. 50 - 100 mg/d) wäre bei Bedarf in der Schwangerschaft durchaus vertretbar.

von Dr. Wolfgang Paulus am 19.11.2021



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