Hallo,
ich würde mein Kind sehr gern stillen aber ich habe gegensätzliche Meinungen erhalten.Ich nehme die o.g. Medikamente und Dosis. Wie würden Sie die Situation beurteilen und wären für oder gegen das Stillen mit dieser Kombination der beiden Medikamente.
Vielen Dank!!
von
KristinL
am 01.06.2018, 20:01
Antwort auf:
Kombination von Quetiapin&Venlafaxin
Inzwischen liegen einige Publikationen zur Anwendung von Quetiapin in der Stillzeit beim Menschen vor.
Bei einer mütterlichen Tagesdosis von 200 mg betrug die durchschnittliche Quetiapin-Konzentration in der Muttermilch über 6 Stunden 13 µg/l mit einem Maximum von 62 µg/l nach einer Stunde. Die Quetiapin-Spiegel fielen innerhalb von 2 Stunden annähernd auf Werte vor der Einnahme. Ein Säugling wurde demnach gewichtsadaptiert nur durchschnittlich 0,09% (maximal 0,43%) der mütterlichen Dosis aufnehmen. Der betroffene Säugling entwickelte sich während einer Überwachungsphase von 4,5 Monaten unauffällig (Lee et al 2004).
In einer Studie an 6 Mutter-Kind-Paaren wurden Milchproben zwischen 6 ½ und 18 ½ Wochen nach Geburt analysiert. Bei Quetiapin-Tagesdosen zwischen 25 und 75 mg konnte kein Wirkstoff in der Muttermilch nachgewiesen werden. Die kindliche Exposition wurde auf < 0,01 mg/kg/d geschätzt. Bei einer Tagesdosis von 100 mg lag der Wirkstoffspiegel in der Muttermilch bei 32 nM; auch dabei errechnete sich eine kindliche Belastung < 0,01 mg/kg/d. Unter einer Tagesdosis von 400 mg wurde die tägliche Aufnahme des Säuglings mit < 0,1 mg/kg/d kalkuliert. Bei der entwicklungsneurologischen Untersuchung im Alter zwischen 9 und 18 Monaten lagen 4 Kinder im Normbereich, ein Kind wies eine leichte motorische und mentale Retardierung auf, ein weiteres geringe mentale Defizite. Ein Zusammenhang mit der mütterlichen Medikation ließ sich nicht herstellen.
Eine Übersichtsarbeit berichtet von vier weiteren komplikationslosen Verläufen bei Einnahme von Quetiapin in der Stillzeit (Gentile 2008).
Bei Messungen an 9 Mutter-Kind-Paaren konnte man feststellen, dass der Säugling weniger als 0,5% der mütterlichen Dosis aufnimmt. Damit kann man beim Säugling nicht einmal 0,6% der mütterlichen Serumkonzentration erreichen. Die mütterlichen Tagesdosen betrugen in diesen Fällen zwischen 6,25 und 100 mg. Komplikationen wurden bei den Säuglingen nicht beobachtet. Nach Kalkulation der Autoren würde der Säugling selbst unter einer mütterlichen Maximaldosis von 800 mg/d weniger als 0,05 mg/kg/d aufnehmen (Yazdani-Brojeni et al 2010).
Die Belastung des Säuglings bei einer mütterlichen Medikation mit Quetiapin 50 mg erscheint nach den vorliegenden Daten gering, so dass das Stillen durchaus erwogen werden kann.
Ein Übergang von Venlafaxin und seines Metaboliten Desmethylvenlafaxin in die Muttermilch konnten in 29 publizierten Fällen nachgewiesen werden (I-lett et al 1998, Hendrick et al 2001, Berle et al 2004, Weissman et al 2003, Ilett et al 2002, Newport et al 2009). Eine Arbeitsgruppe berichtet von einem mittleren Milch/Plasma-Qotienten von 2,5 für Venlafaxin (Range 2,0-3,2) bzw. 2,7 (Range 2,3-3,2) für Desmethylvenlafaxin (Ilett et al 1998, 2002). Die mittlere Säuglingsdosis beträgt demnach gewichtsadaptiert 6,4% (5,5-7,3%) der mütterlichen Dosis. Die Muttersubstanz Venlaxin fand sich bei 1 von 7 Säuglingen im Plasma, für den aktiven Metaboliten Desmethylvenlafaxin wurden messbare Plasmaspiegel bei 4 von 7 Kindern registriert (Ilett et al 1998, 2002).
In einer weiteren Studie konnten man Venlafaxin bei 1 von 3 Säuglingen im Plasma nachweisen, den aktiven Metaboliten bei allen drei Kindern. Die mittlere Serumkonzentration der aktiven Wirkstoffe betrug 10,2% (5,3 – 19,0 %) der mütterlichen Werte (Berle et al 2004).
In all diesen Studien traten bei den Säuglingen keine Komplikationen auf (Ilett et al 1998, 2002; Berle et al 2004).
Eine Publikation beschreibt die Exposition von zwei Säuglingen unter mütterlicher Therapie mit Venlafaxin (75 bzw. 225 mg/d) und Quetiapin. In beiden Fällen lag die Belastung der Kinder mit Venlafaxin unter 0,1 mg/kg/d. Im Alter von 12 Monaten wiesen beide Kinder eine unauffällige psychomotorische Entwicklung auf (Misri et al 2006).
Eine Studie untersuchte die Pharmakokinetik von Venlafaxin und Desvenlafaxin bei 13 Mutter-Kind-Paaren (Newport et al 2009). Bei den Säuglingen wurden keine Komplikationen beobachtet. Messungen bei 5 Mutter-Kind-Paaren ergaben bei den Säuglingen einen mittleren Plasmaspiegel von 6,2% der mütterlichen Werte für Venlafaxin und immerhin 58% für den aktiven Metaboliten Desvenlafaxin. In der Muttermilch fanden sich stark schwankende Wirkstoffspiegel.
Bei mütterlicher Einnahme von Desvenlafaxin (250 mg/d) und Amisulprid (200 mg/d) registrierte man bei einem fünf Monate alten, teilweise gestillten Säugling eine Aufnahme von ca. 1,7% der mütterlichen Dosis über die Muttermilch (Ilett et al 2010). Der Säugling entwickelt sich unauffällig.
In einer weiteren Studie wurden 10 Mutter-Kind-Paare unter mütterlicher Therapie mit Desvenlafaxin (50 – 150 mg/d) untersucht. Die mittlere Serumkonzentration der Säuglinge betrug 16 µg/l bei einer mittleren mütterlichen Serumkonzentration von 309 µg/l. Die mittlere Exposition der Säuglinge betrug 6,8% der mütterlichen Dosis. Die Entwicklung der Kinder zeigte keine Auffälligkeiten (Rampono et al 2011).
Angesichts Ihrer moderaten Tagesdosen von Venlafaxin und Quetiapin erscheint das Stillen vertretbar, auch wenn Wechselwirkungen durch die Kombination nicht ausgeschlossen werden können.
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 03.06.2018