Sehr geehrter Herr Paulus
Bluthochdruck und Schwangerschaftsvergiftung:
Ich hatte schon immer einen eher hohen Blutdruck. Aber immer so, dass er an der oberen Grenze war, ich aber noch keinen Blutdrucksenker nehmen muss. Meine Ärztin meinte, dass ich wegen dem Bluthochdruck eine Risikoschwangerschaft habe. Aktuell bin ich in der 13. SSW und seit einer Woche nehme ich nun Aspirin Cardio 100. Jeden Abend eine Tablette. Meine Ärztin hat mir dieses Medikament verschrieben, damit das Risiko einer Schwangerschaftsvergiftung minimiert werden kann. Ein anderer Arzt meinte nun aber, dass ich bei Bluthochdruck nicht Aspirin Cardio 100 nehmen soll, sondern einen Blutdrucksenker. Denn die Schwangerschaftsvergiftung könne man mit anderen Dingen gut in den Griff bekommen. Ich bin nun etwas verunsichert, ob ich das Aspirin täglich einnehmen soll. Eigentlich möchte ich so wenig Medikamente wie möglich einnehmen während der Schwangerschaft. Wie sehen Sie das?
Akne:
Seit ich mit der hormonellen Verhütung gestoppt habe, ist meine Haut unrein geworden. Aktuell pflege ich meine Haut mit Lubexyl (Benzoylperoxid). So wie ich das sehe, sollte das während der Schwangerschaft kein Problem sein. Meine Ärztin hat mir zusätzlich auch Skinoren (15% Gel) sowie Akne-mycin (Erythromycinum) verschrieben. Bei diesen beiden Produkten bin ich aber unsicher, ob ich diese anwenden soll, da in der Verpackungsbeilage nicht konkret steht, dass es während der Schwangerschaft problemlos angewendet werden darf. Wie schätzen Sie das ein? Wäre Teebaumöl eine gute Alternative während der Schwangerschaft?
Besten Dank für Ihre Antwort und freundliche Grüsse
June
von
June90
am 02.10.2020, 11:30
Antwort auf:
Bluthochdruck, Schwangerschaftsvergiftung und Akne
Acetylsalicylsäure wird in niedriger Dosierung (50-150 mg pro Tag) zur Hemmung der Thrombozytenaggregation und damit Verbesserung der Durchblutung verwendet.
In mehreren Studien konnte die Häufigkeit einer schwangerschaftsinduzierten Hypertonie bei Patientinnen mit einem hohen Risiko für eine Präeklampsie durch niedrig dosiertes ASS (Tagesdosis: 60 bis 150 mg) signifikant gesenkt werden. Einige dieser Studien zeigten einen signifikanten Anstieg des Geburtsgewichtes nach ASS-Prophylaxe bei normalem Blutdruck unter Schwangeren mit erhöhtem Präeklampsierisiko. Bei Schwangeren mit mäßiger Hypertonie und pathologischem Dopplerbefund ließ sich unter niedrig dosierter ASS-Therapie eine Zunahme von Geburtsgewicht, Kopfumfang und Plazentagewicht erreichen.
Ein Nutzen für die kindliche Versorgung ist bei frühzeitigen Beginn der Einnahme von ASS 100 in der Schwangerschaft zu erwarten, wenn eine belastete Vorgeschichte vorliegt.
Nach den aktuellen Leitlinien ist in der Schwangerschaft eine medikamentöse Einstellung des Blutdruckes bei systolischen Werten über 160 mm Hg bzw. diastolischen Werten über 100 mm Hg erforderlich. „Kosmetische“ Veränderungen am mütterlichen Blutdruck führen nicht zu einem besseren kindlichen Befinden.
Methyldopa (z. B. Presinol) kann in einer Dosierung bis 2000 mg/d (verteilt auf 3-4 Einzeldosen) in allen Phasen der Schwangerschaft verabreicht werden. Methyldopa ist gut plazentagängig und erreicht im fetalen Serum ähnliche Konzentrationen wie im mütterlichen Organismus.
Eine kindliche Schädigung ist bei einer Behandlung mit Methyldopa nicht zu befürchten. Man muss die Dosis allmählich steigern, um den Effekt auf den Blutdruck abzuwarten.
Bei zunehmenden Anzeichen einer Präeklampsie (schwangerschaftsinduzierter Bluthochdruck, im Volksmund „Schwangerschaftsvergiftung“) ist letztlich nur die frühzeitige Einleitung der Geburt als wirksame Therapie zu erwägen. Das will man natürlich möglichst lange hinauszögern, um ein reifes Kind zu erreichen.
Lokal appliziertes Benzoylperoxid (z. B. Lubexyl) wird während des Penetrationsvorgangs in der Haut zu Benzoesäure umgewandelt. Ausschließlich dieser Metabolit durchdringt zu geringem Prozentsatz die Haut und liegt als freie Benzoesäure im Blut vor. Die Benzoesäure wird unverändert über die Nieren ausgeschieden. Die Ausscheidung erfolgt so schnell, dass eine Konjugation mit Glycin zu Hippursäure nicht in nennenswertem Maß erfolgt.
Es gibt Fallberichte, wonach bei frühgeborenen Kindern eine Ansammlung von Benzoesäure im Blut beobachtet worden ist, die möglicherweise durch die verminderte metabolische Aktivität der Leber hervorgerufen wurde. In der Folge kann es zu einer Übersäuerung beim Kind kommen. Vor der Geburt und in der Stillzeit sollte Benzoylperoxid daher zurückhaltend eingesetzt werden.
Reproduktionstoxikologische Untersuchungen mit dem Wirkstoff Azelainsäure an Ratten, Kaninchen und Affen ergaben keine Hinweise auf ein Anwendungsrisiko während der Schwangerschaft.
Nach einmaliger Applikation von 5 g Creme auf Gesicht, oberen Rücken oder Brust - die typischen Regionen der Akneläsionen - wurden insgesamt 3,6 % der applizierten Dosis über die Haut resorbiert (Fachinfo Skinoren).
Azelainsäure kommt auch in den üblichen Nahrungsmitteln vor (z. B. Vollkornprodukten). Eine äußerliche Anwendung von 20% Azelainsäure führt nicht zu einer Veränderung des Plasmaspiegels (Akhavan & Bershad 2003).
Eine Fortsetzung der Anwendung wäre in der Schwangerschaft auf begrenzten Arealen (z. B. Gesicht) durchaus vertretbar.
Das Antibiotikum Erythromycin darf man in der Schwangerschaft äußerlich ohne Bedenken anwenden (z. B. Aknemycin).
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 02.10.2020