Kuscheling
Ich bin zwar ein wenig gebranntes Kind, aber dennoch ist hier der einzige Ort, wo ich mich das zu fragen traue.
Sami hat in der vergangenen Woche zum dritten Mal ein anderes Kind gebissen.
Beim ersten Mal traf es das Nachbarskind (6), das hier oft zum Spielen herkommt. Sie hat ihm ein Spielzeug weggenommen, dass er wohl selbst behalten wollte, ich war nicht mit im Zimmer, die große Schwester (8) erzählte das so. Ich habe das Mädchen getröstet, ihr erklärt, dass Sami sich in dem Augenblick nicht anders zu helfen wusste, es aber trotzdem nicht richtig war zu beißen. Dem Sami habe ich das auch gesagt, mit dem Hinweis, dass seine Freundin jetzt weint, weil es ihr weh getan hat. Für das Mädchen war das in Ordnung, die Tränen sind sofort versiegt und sie kommt nach wie vor gern zum Spielen. Die Mutter meinte nur, dass passiert, auch sie vertraut mir die Kinder nach wie vor an, morgen nehme ich die beiden mit in den Zoo.
Letzte Woche waren wir im Einkaufszentrum, dort fuhr eine kleine Eisenbahn. Nach unzähligen Runden ergatterte Sami endlich einen Platz in der Lok, in der man eine Glocke läuten konnte. Allerdings saß dort bereits ein Kind, welches die Glocke fest im Griff hatte, klingeln konnte Sami also nicht. Nach einer Runde stieg das Kind aus und sofort ein anderes Kind ein. Sami hatte seine Hand schon an der Glocke und reagierte ablehnend, als der andere Junge danach griff. Ich machte seine Hand ab, sagte "Wechselt euch ab, ihr könnt beide klingeln", die Eisenbahn fuhr los - und der andere Junge nahm seine Hand nicht mehr von dem Griff. Sami hat versucht, aber keine Chance, die zweite Hälfte der Fahrt verbrachte er weinend. Auch dieser Junge stieg aus und ich dachte schon, wir hätten Glück, aber kurz vor Abfahrt stieg wieder ein Kind zu. Diesmal hat Sami nicht los gelassen und als der andere Junge immer wieder an den Griff fasste, obwohl Sami immer wieder deutlich "nein" sagte, hat er irgendwann gebissen. Ich habe es kommen sehen, konnte aber nicht eingreifen, da die Eisenbahn ja fuhr. Als sie hielt, habe ich Sami genommen und bin quasi vor dem natürlich weinenden Jungen und seiner Mutter geflüchtet. Denn:
Letztens im Zoo wollte ihm ein Junge in der Spielecke ein Spielzeug wegnehmen. Sami hat dreimal "Nein" gesagt und dann gebissen. Ich war zu langsam, dazu von einem riesigen Kinderwagen behindert, dass ich zu spät bei Sami war und nur zu ihm gesagt habe: "Ich will nicht, dass du beißt, das tut weh." und mich wieder gesetzt habe. Erst dann ging der andere Junge zu seinen Eltern (die mit mir an einem Tisch saßen) fing an zu weinen und sagte: "Das Kind hat mich gebissen". Der Vater fragte "Hast du angefangen?", die Mutter "Welches Kind?". Da er nicht antwortete fragte sie nochmals, worauf ich dann sagte, dass es Sami war, worauf sich folgende "Unterhaltung" entwickelte:
Mutter: "Und da sitzen Sie noch hier? Wollen Sie nicht mal was machen?"
ich: "Habe ich doch schon. Ich habe mit ihm schon geredet."
Mutter: "GEREDET? Wollen Sie nicht mal schimpfen?"
ich: "Ich schimpfe mit meinem Kind nicht." (falsche Antwort)
Mutter: "Wie bitte? Geht es noch? Das Kind hat gebissen."
ich: "Aber er ist erst zwei und spricht noch nicht. Da ist das normal." (falsche Antwort)
Mutter: "NORMAL? MEIN Kind hat nie gebissen."
An dieser Stelle klingte ich mich aus. Darauf hin sagte sie zu ihrem Mann:
"Das gibt es doch nicht. Das ist eine UNVERSCHÄMTHEIT! Solche anti-autiritär erzogenen Plagen sind eine Zumutung
.
Im Weggehen fragte sie mich dann noch: "Ist ihr Kind WENIGSTENs geimpft oder müssen wir jetzt zum Arzt?"
Mich hat das sehr verunsichert.
Gelegentlich kommt es ja auch vor, dass andere Kinder dem Sami weh tun, aus Versehen oder mit Absicht. Ich beschränke mich darauf, ihn zu trösten, was immer gut funktioniert. Ich maßregel weder die "schuldigen" Kinder, die sich manchmal selbst "stellen", manchmal verpetzt werden, noch erwarte ich das von den Eltern. Für mich spielt es keine Rolle, da es an der Situation nichts ändert, der Schmerz, den Sami empfindet, wird ja nicht kleiner, durch das was mit dem anderen Kind eventuell passiert. (Der Junge im Zoo wurde übrigens gar nicht getröstet.)
Aber ich bin ich und nicht die anderen, nicht jeder denkt wie ich. Wie verhalte ich mich gegenüber den anderen Kindern, wenn die Eltern dabei sind? Wie gegenüber den Eltern? Soll ich dem Kind erklären und es trösten oder kann ich davon ausgehen, dass das Part der Eltern ist (wenn die anwesend sind). Sollte ich mich für Samis Verhalten entschuldigen, was ich irgendwie unsinnig finde, aber es vielleicht erwartet wird? Soll ich ihm zukünftig ein T-Shirt anziehen, auf dem steht "Vorsicht, bissiges Kind!" oder nicht mehr mit anderen Kindern spielen lassen?
Ich dachte immer, es kann auch mal passieren, dass sich Kinder im Spiel gegenseitig weh tun und man nicht immer Gewehr bei Fuß daneben sitzen muss (was ich übrigens tue)
LG
Maja
Maja, zweifel bitte nicht an Dir und Sami. Ihr habt nichts falsch gemacht. Ich beobachte das Beissverhalten momentan bei Maja auch wieder. Sami und auch Maja haben sich korrekt verhalten, beide haben in einer ihnen möglichen Art und Weise vermittelt, dass sie das nicht möchten und auch Geduld bewiesen. Nur als letzte Instanz wurde gebissen. Sie kamen mit ihren gelernten Lösungsansätzen nicht weiter und bissen zu. Wir müssen nur Geduld beweisen und ihnen immer wieder vermitteln, dass Konflikte anders gelöst werden sollten. Maja hatte an ihrem ersten Tag im Kindergarten ohne Mittagsschlaf ihren besten Freund Jonas in den Arm gebissen, weil er unbedingt mit ihr zur Maltafel wollte und drängelte - sie aber nicht. Auch die Erzieherinnen haben es locker gesehen. LG talua78
Es hat mich sehr erleichtert, zu lesen, dass Sami nicht das einzige bissige Kind ist, wirklich sehr. LG
Also, ich denke auch, dass es in diesem Alter noch normal ist und von den Kindern selbst nicht zu steuern. Ehrlich gesagt finde ich Samis Verhalten in deiner Schilderung des Eisenbahn-Vorfalls sogar recht geduldig - Mira hätte vielleicht nicht unbedingt gebissen (obwohl sie das vor Kurzem auch zum ersten Mal gemacht hat als sie an die Fahrrad-Klingel ihres Bruders wollte), aber gehauen hätte sie sicher schon früher...! Das mit dem Beißen ist so eine Sache. Viele Eltern reagieren da sehr empfindlich drauf. Wir haben zum Beispiel ein richtiges Beißkind in der Kiga-Gruppe meiner Beiden (und "Beißkind" bedeutet hier 3x in der Stunde, nicht 3x in einer Woche). Dieser Junge (3,5 Jahre) hat meinen Sohn vor Kurzem blutig und grün und blau gebissen. Nun war ich nicht dabei, und hätte ich es gesehen, hätte ich vermutlich eingegriffen - so aber musste ich mich auf die Einschätzung meines Sohnes verlassen, der dem Jungen die Sache nämlich gar nicht groß übel genommen hat. Natürlich hat es wehgetan und doof war es auch ein bisschen, aber eine kleine Entschuldigung hat ihn voll zufriedengestellt. Da komme ich schon ins Grübeln - anscheinend finde ich es viel schlimmer, wenn mein Kind gebissen wird, als mein Kind selbst! Bei diesem Jungen ist das Problem übrigens auch Sprachlosigkeit. Er kam mit 2 in den Kindergarten und sprach keine 3 Worte. Dafür biss und schlug und trat er bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Mit jedem Wort, was er dazulernte, wurde dieses Verhalten weniger. Klar spielt auch ein bisschen das Temperament da rein. Jetzt hab ich so viel geschwafelt und irgendwie gar nichts Hilfreiches gesagt, oder? Lass dich von den Leuten nicht verunsichern. Wenn es deiner Überzeugung entspricht, nicht mit Sami zu schimpfen, dann geht das die anderen doch gar nichts an. Kommt auch darauf an, wie du "schimpfen" eigentlich definierst. Das heißt ja nicht, dass du ihn anbrüllen und BEschimpfen sollst. Für mich ist ein "Ich möchte nicht, dass du beißt" in einem etwas schärfen Tonfall eigentlich auch schon schimpfen. Also sag doch nächstes Mal einfach, du hättest geschimpft! ;)
Doch, Bubbles, für mich war sehr hilfreich, zu lesen, wie dein Sohn die Situation empfunden hat - mit der Konsequenz, dass ich mich zukünftig ein wenig ums geschädigte Kind "kümmern" werde, auch wenn die Eltern anwesend sein sollten, denn auch bei der Tochter unserer Nachbarn habe ich ja die Erfahrung gemacht, dass mit ein wenig Trost und einer Erklärung der Kummer ganz schnell vergessen ist. Ich "schimpfe" auch, aber nicht mit Sami. Ich weiß gar nicht, wie ich es ausdrücken soll. Ich verzichte weitestgehend auf Du-Botschaften, mit denen "mit-jemanden schimpfen" für mich verbunden ist. Vielleicht verstehst du was ich meine. Das nächste Mal (wobei ich irgendwie hoffe, dass es kein nächstes Mal gibt), sage ich "Keine Sorge, der bekommt zu Hause eine Tracht Prügel!" - und ersticke damit hoffentlich jede aufkeimende Disskusion. LG
Hallo Maja, zunächst muss ich auch sagen, dass ich Samis Verhalten in der Eisenbahn sehr geduldig finde. Klara hätte das andere Kind nach wenigen Sekunden verbal zur Schnecke gemacht und die Hand weggezogen. Eventuell hätte sie dann auch gehauen oder zornig geschrien. Ich denke, es gibt keine allgemein gültige Erwartungshaltung für solche Situationen. Die wird so unterschiedlich sein wie es die Verhaltensweisen von Kindern sind. Meine ältere Tochter hätte geduldig und ohne die kleinste Regung gewartet, ob die Glocke doch noch frei wird. Da hätte ich vielleicht von den anderen Eltern ein "Lass das Mädchen doch auch mal da ran" erwartet. Und von meinem Kind ein etwas zielgerichteteres Verhalten, mehr Durchsetzungswillen vielleicht. Würde Klara in so einem Fall reagieren wie oben beschrieben (wovon ich ausgehe), würde ich erwarten, dass die anderen Eltern ihrerseits von mir erwarten, dass ich meinem Kind ins Gewissen rede. Also ihm (in welchem Ton auch immer) deutlich mache, dass dieses Verhalten nicht ok ist und ich nicht möchte, dass das noch einmal vorkommt. Ich kann mir vorstellen, dass die Eltern des gebissenen Kindes nicht gerade erfreut waren, als sie hörten, dass Du grundsätzlich nicht schimpfst. Versetz Dich mal in ihre Situation: Ihrem Kind geschieht Unrecht (subjektiv empfunden) und Du sagst, Du hast mit Sami "geredet". Das muss fast zwangsläufig zu Missverständnissen und Sarkasmus führen. Sie haben ja dieses "Reden" nicht mitbekommen, weder Wortlaut noch Tonfall. Sie vermuteten wohl ein Gesäusel à la "Mausespatz, hast Du dem anderen Kind aua gemacht? Neinneinnein, das sollst Du nicht..." (Auch wieder schwierig, weil jetzt keiner den Tonfall hört, den ich gerade im Kopf habe.) Ein deutlicheres "Sami, das hat dem anderen Kind gerade weh getan und ich möchte nicht, dass Du das nochmal machst" (oder wie auch immer in diese Richtung) wäre sicher in ihrer Vorstellung besser angekommen. Zudem muss man wohl von Situation zu Situation neu entscheiden und anders reagieren. Wenn sich Klara und ihre gerade mal 2-jährigen Kumpels bei der Tagesmutter schubsen, von mir aus auch hauen, kneifen oder beißen, erwarte ich, dass die Tagesmutter eingreift, indem sie die Streithähnchen trennt und erklärt, dass dieses Verhalten nicht in Ordnung ist, weil es anderen weh tut. Hauen sich meine beiden Kinder wie heute gegenseitig die Metallschaufeln auf die Rübe, dann greife ich ernster, d.h. in der Tat schimpfend, ein, denn a) kann das übel ausgehen und b) sind beide sprachlich so weit, dass sie Konflikte anders lösen können. Man liebt seine Kinder bedingungslos, ja. Aber man darf auch die Einhaltung gewisser Spielregeln erwarten. So klein sind sie nun auch nicht mehr, dass sie das nicht hinbekommen würden. Ich weiß, dass unsere Ansichten da auseinander gehen, aber ich denke nach wie vor, dass Kindern im Alter von unseren ein Besuch im Kindergarten oder einer Kita gut tut. Dort haben sie eine wesentlich höhere Anzahl an sozialen Kontakten in ihrem (und etwas höherem) Alter, müssen sich mit einer ebenso hohen Anzahl an Verhaltensweisen auseinandersetzen und eben auch differenzierter reagieren. Wir müssen ihnen nur zutrauen, dass sie das schaffen. Sie werden nicht untergehen, sie werden an ihren Aufgaben wachsen. Actio und Reactio sind nur zu begreifen, indem man sie erlebt. Klara hat Lotte immer und immer wieder gehauen, gekniffen, geärgert. Lotte hat sich nie gewehrt. Bis vor ein paar Tagen. Sie vergilt Gleiches mit Gleichem, seither scheint Klara zu begreifen, dass das, was sie tut, Schmerzen verursacht. Besser als ich es je mit Worten ausrichten könnte. Sorry, soweit wollte ich gar nicht abschweifen. Bleib einfach Deiner Linie treu, man kann es nie allen recht machen und andere Eltern müssen Dein Verhalten ja nicht unbedingt nachvollziehen können oder gutheißen. LG, Andrea
Ich habe mal wieder vergessen, dass man es nicht allen recht machen kann. Danke fürs erden. Ich kann mir das vermutete Gesäusel, das Kind dabei auch noch anlächelnd gut vorstellen. Allerdings achte ich sehr darauf, authentisch zu sein und auf klare und deutliche Worte. Mein Problem war, dass das andere Kind überhaupt nicht so reagiert hat, als hätte es ihm weh getan, die Reaktion kam ja viel später, erst nachdem es zu seinen Eltern gegangen war. Manchmal frage ich mich wirklich, wie Action und Reaktion begriffen werden sollen, da oft (nicht nur beim Beißen) die Reaktionen sehr seltsam ausfallen oder ganz ausbleiben. Zur KiTa habe ich tatsächlich grundsätzlich eine andere Meinung. Es ist nicht so, dass ich es dem Sami nicht zutraue, aber ich sehe darin keinen Sinn. Die positiven Dinge, die er jetzt dort lernen könnte, kann er auch noch später lernen, die negativen Erfahrungen würde ich ihm gern noch ein wenig ersparen. Auch aus unserer persönlichen Situation heraus halte ich es für sinnvoller, mit dem Schritt weg von Mamas Rockzipfel hin zur Kindergruppe noch etwas zu warten. Kontakt zu anderen Kindern (und Erwachsenen) hat er ja trotzdem reichlich. LG
Im Erziehungsforum gab es in den letzten Tagen zwei interessante Disskusionen zum Thema. einmal http://www.rund-ums-baby.de/erziehung_elternforum/Zum-Thema-das-ist-aber-meine-Sache-wie-ich-mein-Kind-erziehe-aber-aktuell_55788.htm Mein Fazit könnte lauten, dass ich eine asoziale Alte bin, die zu faul ist, ihr Kind zu erziehen, aber es geht eher in die Richtung, dass ich mir zukünftig nicht mehr so stark von der Intoleranz und fehlendem Einfühlungsvermögen anderer nicht mehr so zu Herzen nehme. Irgendwann sind ja die Schwangerschaftshormone auch wieder weg. und http://www.rund-ums-baby.de/erziehung_elternforum/Darf-ein-Fremder-in-meinem-Beisein-mein-Kind-zurechtweisen_55750.htm die mir zum Teil sehr aus der Seele spricht. Ich hätte es gut befunden, wenn die Mutter mit ihrem weinenden Sohn zu Sami gegangen wäre und ihm auf Augenhöhe nochmal erklärt hätte, was sein Verhalten für Auswirkungen hatte, kindgerecht und ohne Beschimpfungen. Ich habe die Hoffnung, dass sich das Verhalten mit fortschreitender Sprache (es scheint jetzt ein paar Fortschritte zu geben, wir sind bei den ersten Zwei-Wort-Sätzen angelangt) quasi von selbst verliert, bis dahin liege ich weiter auf der Lauer und versuche wenn immer möglich auch weiterhin frühzeitig einzugreifen. Danke fürs Zulesen und die ausführlichen Antworten. LG Maja