Tagesmuttertrauma?

 Gaby Ochel-Mascher Frage an Gaby Ochel-Mascher Vorsitzende des Vereins Tagesmütternetz Oberberg e.V.

Frage: Tagesmuttertrauma?

Hallo, mein Sohn (7 Monate) ist ein aufgeweckter und neugieriger Junge, der immer gerne erkundet und entdeckt hat und mich dabei nicht ständig um sich brauchte. Letzte Woche haben wir mit der Einführung bei der Tagesmutter begonnen. Er hat dort sofort gespielt und sich gefreut, so dass ich dachte, ich könnte mich nun guten Gewissen für 2 Stunden verabschieden. Nach 1,5 Std. rief die Tagesmutter an und sagte, sie bekäme ihn nicht beruhigt. Leider stand ich im Stau und kam erst nach weiteren 30 min. an. Er war völlig aufgelöst, fremdelt seit dem Tag und lässt mich nicht mehr aus den Augen. Weitere Besuche bei der Tagesmutter verliefen entsprechend. Ich erkenne ihn überhaupt nicht wieder. Handelt es sich um Zufall und er hätte ohnehin angefangen zu fremdeln oder kann ein solches Ereignis traumatisieren? Und wenn ja - was tue ich jetzt bloß mit dem armen Kind?

Mitglied inaktiv - 01.03.2006, 22:40


Antwort auf: Tagesmuttertrauma?

Hallo Maja Ihr kleiner Sohn hat in den ersten Monaten seines Lebens sogenannte „Bindungsbeziehung“ zu Ihnen aufgebaut. Das wird sichtbar, wenn er jetzt im Alter von 6 – 7 Monaten damit beginnt sein Verhalten auf Sie hin zu orientieren. Deutlich wird dies, wenn er irritiert oder sonst irgendwie überfordert wird. Er wendet sich in solchen Situationen nur an Sie und sucht körperliche Nähe oder zeigt sein Bedürfnis danach. Ein vier Monate altes weinendes Kind lässt sich in der Regel noch von irgendeinem Erwachsenen, der sanft mit ihm umgeht, beruhigen. Ab ca. sechs bis acht Monaten, lässt es sich nur noch von den Personen, zu denen es eine „Bindungsbeziehung“ hat, beruhigen lassen. Dies dient ihrem Sohn bei der Erkundung seiner Umwelt als „sichere Basis“, daher ist jetzt, insbesondere in der fremden Umgebung – Haushalt der Tagesmutter, Ihre Anwesenheit für ihn momentan unverzichtbar. Eine Eingewöhnungszeit dauert ca. 6 – 14 Tage, in schwierigen Fällen bis zu 3 Wochen. Wendet sich Ihr Kind bei der Tagesmutter häufig an Sie, sucht er Blickkontakt zu Ihnen, oder sucht bei Verdruss Ihre Nähe, so lässt er sich schnell im Körperkontakt mit Ihnen wieder beruhigen. Eigentlich sollten in den ersten drei Tagen auf keinem Fall ein Trennungsversuch durchgeführt werden. Der erste kurze Trennungsversuch von Ihnen sollte in der Regel erst am 4. Tag der Eingewöhnung stattfinden. Beginnt dann die zweite Eingewöhnungswoche ( jedoch niemals an einem Montag) können Sie sich für kurze, allmählich länger werdende Zeiten verabschieden. Bleiben Sie anfangs noch in der Wohnung, um zur Stelle zu sein, falls Ihr Kind Probleme hat und es sich von der Tagesmutter noch nicht trösten lässt. Tipps zur Gestaltung der Eingewöhnung: Es genügt, wenn Sie mit Ihrem Kind in den ersten Tagen für ein oder zwei Stunden in der Tagespflegestelle sind. Günstig sind hier Zeiten, wenn keine oder nur wenig andere Kinder da sind, da die Tagesmutter sich dann voll Ihrem Sohn widmen kann. Setzen Sie sich während dieser Zeit am besten in eine stille Ecke und versuchen einfach da zu sein. Setzen Sie Ihren Sohn auf den Boden und erlauben ihm zu gehen und zu kommen, wie er will. Drängen Sie ihn zu keinem bestimmten Verhalten und behalten Sie ihn im Auge. Wenn Sie es aushalten können, lesen oder stricken Sie nicht und überlassen die Sorge um evtl. anwesende andere Kinder ruhig der Tagesmutter. Genießen Sie einfach, Ihren Sohn bei seinen Erkundungen zu beobachten. Auch wenn Sie den Raum verlassen müssen, nehmen Sie ihn mit. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die ersten 3 Eingewöhnungstage eine besonders wichtige Rolle spielen und diese sollten nicht durch eine Trennung belastet werden. Da es jetzt leider bereits anders gelaufen ist, machen Sie einen neuen Anfang! Unterstützen Sie das Interesse Ihres Sohnes an der Tagesmutter, denn nur so kann er unbelastet eine Beziehung zu ihr aufbauen. Sprechen Sie freundlich mit ihr. Dies wird er registrieren und entspannter auf sie zugehen können. Die Eingewöhnungsphase ist abgeschlossen, wenn die Tagesmutter Ihren Sohn trösten kann. Dies muss nicht heißen, dass Ihr Sohn nicht weint, wenn Sie sich nach dem Bringen von ihm verabschieden. Er drückt damit nur aus, dass er Sie lieber bei sich hätte. Wichtig ist jedoch, dass Sie sich verabschieden. Er wird sich nach der Eingewöhnungszeit von der Tagesmutter beruhigen lassen, wenn Sie gegangen sind. Ich mache Ihnen Mut sich auf einen neuen Startversuch einzulassen. Halten Sie Trennungsversuche so lange zurück, bis Sie und die Tagesmutter ein gutes Bauchgefühl dabei haben. Freundliche Grüße Gaby Mascher

von Gaby Ochel-Mascher am 02.03.2006


Antwort auf: Tagesmuttertrauma?

Danke für Ihre Antwort. Wir werden es weiter probieren. Halten Sie es für sinnvoller nun zunächst mal z. B. 14 Tage komplett Pause zu machen und danach von vorne anzufangen - oder ist es besser keine Pause einzulegen und immer wieder portionsweise zu der Tagesmutter hinzugehen und dort nach dem von Ihnen beschriebenen Verfahren vorzugehen? Ich möchte nun nichts mehr falsch machen und habe ohnehin ein endlos schlechtes Gewissen :(

Mitglied inaktiv - 02.03.2006, 23:35


Antwort auf: Tagesmuttertrauma?

Hallo Maja, es ist zum Eingewöhnen sinnvoll direkt weiter zu machen, ohne Pause dazwischen. Ihr Sohn hat eine ganz feine emotionale Antenne und spürt auch Ihre Unsicherheit. Wenn Sie selbstsicher und vertrauensvoll sich auf die Eingewöhnungszeit einlassen, dann schafft Ihr Sohn das auch. Haben Sie bitte Geduld mit sich selber und ihm. Ich wünsche Ihnen beiden einen guten zweiten Anlauf. Freundliche Grüße Gaby Mascher

von Gaby Ochel-Mascher am 03.03.2006