Frühchen

Forum Frühchen

Wie verarbeitet ihr die Frühgeburt?

Thema: Wie verarbeitet ihr die Frühgeburt?

Hi ihr lieben, mich würde mal interessieren, wie ihr allgemein den Umstand weggesteckt habt bzw. wie ihr es verarbeiten könnt, dass die Schwangerschaft zu früh endete? Bei mir ist es nun das zweite Mal... vor 6 Jahren kam mein erster Sohn sechseinhalb Wochen zu früh, nun mein zweiter fünf Wochen zu früh. Damals habe ich Monate gebraucht, um das zu verarbeiten/akzeptieren, dass die Schwangerschaft so abrupt endete, da es sich kaum angekündigt hatte. Ich wollte so gerne hochschwanger sein, auch wenn alle immer über diese letzten Wochen so jammern, aber wenn man es nicht erleben DARF, ist es einfach etwas anderes. Diesmal war von Anfang die Angst da, es könnte wieder zu früh kommen, daher habe ich jetzt nicht so sehr damit zu tun. Dennoch fällt es mir schwer hier in den Monatsforen die vielen Geburtsberichte reifer Babies und Beiträge noch wartender Mamas zu lesen. Mir kommen immer die Tränen, merke ich, wenn ich von den Mädels lese, die bei 40+0 warten, dass es nun endlich los geht. Ich habe mir ein paar Sachen notiert und erinnere mich immer wieder an die "guten" Aspekte daran, dass mein Sohn zu früh kam, - mein großer hat sich unglaublich toll entwickelt und könnte mit seinen 6 Jahren heute nicht großartiger sein - auch der Kleine scheint einfach reif für diese Welt gewesen zu sein, bis auf seine Still-Unlust macht er sich prächtig, er brauchte wohl einfach keine Zeit mehr im Bauch - keine Schwangerschaftsstreifen - endlich wieder auf dem Rücken schlafen - Rektusdiastase ist vielleicht weniger schlimm Aber es bleibt eine Herausforderung für die nächsten Wochen, damit meinen Frieden zu finden, zumal wir auch kein weiteres Kind bekommen werden. Wie geht ihr damit um?

von Polly86 am 05.07.2023, 16:25



Antwort auf Beitrag von Polly86

Vorab kurz zu unserer Situation: 14 Wochen zu früh, 14 Wochen Klinik, Sepsis, danach Trinkschwäche... 14 Tage nach der Geburt wog ich 10 kg weniger (Kind hatte nur 490g). Ich war leer, kaputt, nicht ich selbst... Ich habe 2 Jahre gebraucht, um aus dem Sumpf rauszukommen. Wie habe ich das Trauma überwunden? Ich habe versucht, psychologische Hilfe zu bekommen. Das war letztlich aussichtslos, da es kaum Therapeuten in der Nähe gab, die auf Geburtstrauma spezialisiert waren und die wenigen waren völlig ausgebucht. Dann habe ich es mit einer Kur probiert. Das ging völlig in die Hose, da die Therapeutin dort meinte: kenne mich nicht aus mit Geburtstrauma. Da war mein Kind 2. Letztlich hab ich mir selbst auf die Beine geholfen. Wir haben schlimme Zeiten durch, aber jetzt schauen wir gemeinsam nach vorn. Wir haben das gemeinsam überlebt. Ich habe ein starkes Kind, die im KH gekämpft hat wie ein Löwe. Und Jahre gekämpft hat, um ein normales Gewicht zu haben. Seit sie 5 Jahre alt ist, nähe ich ehrenamtlich für Frühchen. In einigen Fällen sind wir sogar beratend tätig. Andere im Verein sind Frühchen Mamas, die teils Schlimmeres durchmachen mussten... Man muss über die Erlebnisse sprechen, bloß nicht verdrängen. man kann das Geschehene nicht mehr ändern, aber ihr könnt zusammen nach vorn blicken. Sprich auch mit deinem Partner darüber. Man meint immer, Männer geht das Ganze nicht so nah, aber das ist oft nur eine harte Schale. Vielleicht gibt es eine Selbsthilfegruppe in der Nähe oder versuche psychologische Hilfe zu bekommen.

von Jani81 am 05.07.2023, 21:32



Antwort auf Beitrag von Polly86

Ich kann dich sehr gut verstehen. Ich hadere auch manchmal damit, warum ich keine einzige "normale" Schwangerschaft haben durfte und bin manchmal auch wehmütig bei Erzählungen von anderen Mamas, bei denen alles wie am Schnürchen lief. Aber ich habe einfach gelernt damit umzugehen bzw. akzeptiere, dass das nun mal mein Weg und meine Geschichte ist und bin dankbar dafür, dass ich meine zwei Jungs hier bei mir habe. Zu meiner Geschichte, falls du sie noch nie hier gelesen haben solltest: Meinen ersten Sohn hab ich in der 18. SSW aufgrund einer Gebärmutterhalsschwäche still zur Welt gebracht. Mein zweiter Sohn kam dann nach einer komplikationsbehafteten Schwangerschaft mit dreiwöchigem KH-Aufenthalt unter absoluter Bettruhe mit 24/7 an der Tokolyse aufgrund von vorzeitigen Wehen bei 36+4 gesund und munter zur Welt. Bei ihm hatte ich eine Spontangeburt, über die ich sehr dankbar bin und ich durfte ihn sofort bei mir behalten. Auch darüber bin ich sehr, sehr dankbar. Für mich war er schon reifgeboren und es hat sich auch so angefühlt und ich bin sehr, sehr froh, dass ich dieses Erlebnis einmal haben durfte, auch wenn ich die gesamte Schwangerschaft davor nur Schonung halten musste und in der Schwangerschaft eben nichts machen konnte, was alle anderen Schwangeren auch machen können. Aber immerhin ein gesundes Baby. Meine letzte Schwangerschaft war eine Zwillingsschwangerschaft, die bei 25+2 endete. Aufgrund eines vorzeitigen Blasensprungs in der 20.SSW lag ich zuerst 6 Wochen im KH, dann bekam ich eine Infektion und die Kinder mussten sofort geholt werden. Einer der beiden hat es nicht geschafft und ist nach 6 Wochen Kampf um sein Leben gestorben. Mein zweiter Zwilling hatte viele Komplikationen, war insgesamt 16 Wochen im KH, hat es aber geschafft und ist mittlerweile knapp 5 Jahre alt. Ich bin sehr dankbar und froh, dass ich meine zwei habe, aber natürlich denke ich manchmal darüber nach, wie es sein hätte können, wenn das alles nicht passiert wäre. Und auch ich hatte das Gefühl, mir fehlt einfach so viel von der Schwangerschaft und nicht nur das, auch nach der Geburt ist ja alles anders und nicht "normal". Und meine Sternenkinder fehlen natürlich auch jeden Tag. Wie ich es verarbeitet habe... ich habe meine Gefühle zugelassen, ich habe viel darüber geredet, wenn mir danach war, ich habe Briefe an meine Sternenkinder geschrieben. Und irgendwie haben mir meine lebenden Kinder einfach sehr geholfen. Ich wollte unbedingt eine gute Mama für sie sein, immer für sie da sein und die Zeit mit ihnen genießen können und Kinder lenken auch unglaublich ab. Und die Zeit hilft natürlich schon auch ein wenig. Sie macht es zwar nicht gut, aber im Laufe der Zeit verändert sich der Schmerz und die Trauer und die Tage werden wieder heller. Und jetzt ist es einfach so, dass ich hin und wieder wehmütig daran denke, dass es einfach schade ist, dass ich keine einzige komplikationsfreie Schwangerschaft hatte, dass ich zwei Kinder gehen lassen musste und dass ich es schon gerne einfach ein einziges Mal erlebt hätte, wie es ist unbeschwert schwanger zu sein, alles tun zu können, was alle anderen auch tun und Kinder zum Termin gesund in den Händen zu halten. Aber es sollte nicht sein, das ist nun mal meine Geschichte und es kommt für mich auch nicht mehr in Frage noch einmal ein Kind zu bekommen. Deshalb hab ich mich irgendwie damit abgefunden, dass es eben so ist, wie es war und bin dankbar für alles, was ich habe. Ich wünsche dir, dass auch du einen Weg findest, damit umzugehen! Und lass deine Gefühle zu, sie sind völlig in Ordnung, man darf ja auch traurig darüber sein und man sollte seine Gefühle zulassen. Wenn man merkt, dass es ständig so ist und man sich wirklich dauerhaft schlecht fühlt oder den Alltag nicht schafft oder nur schwer schafft, dann sollte man sich vielleicht Unterstützung und Hilfe holen. Oder du holst dir auch jetzt schon Hilfe in Form einer Psychologin, mit der du deine Gefühle besprichst und die dir vielleicht bei der Aufarbeitung helfen kann. Ich wünsche dir alles erdenklich Gute!

von sunnydani am 06.07.2023, 14:25



Antwort auf Beitrag von Polly86

Meine beiden kamen in der 26+4 SSW. Ich habe die Ereignisse der „externen Schwangerschaft“ minutiös in einem Album mit Fotos und Texten festgehalten. Ich wollte nicht vergessen, aber auch nicht dauernd dran denken müssen. Nach Fertigstellung war‘s auch aus mir „draußen“. Dieses Album ist für meine Kinder (heute 20) und mich ein sehr wertvolles Zeitdokument.

von Zwergenalarm am 06.07.2023, 22:46



Antwort auf Beitrag von Zwergenalarm

Das ist eine sehr schöne Idee, um das Geschehene zu verarbeiten.

von Polly86 am 07.07.2023, 13:19



Antwort auf Beitrag von Polly86

Hey Ein sehr wichtiges Thema, das du hier aufgenommen hast! Ich hatte zwei komplikationslose Schwangerschaften und trotzdem kamen beide zu früh. Der erste kam bei 35+5 nach Blasensprung, alle waren super entspannt, weil es ja eigentlich nicht so viel zu früh ist und trozdem war es schlimm für mich… er hatte nicht selber zu atmen begonnen, Kind da.. Kind weg und keine Ahnung ob er lebt oder nicht…kein Bonding.. alleine ohne Kind im Zimmer usw. es zeigte sich schnell dass er sich gut erholt und nach einer Woche durften wir nach Hause… Nach 4 Monaten hat es mich eingeholt und ich bin im ein richtiges Loch gefallen. Ich habe mir dann Hilfe geholt, durch Cranio und Geburtsverarbeitung. Ich habe auch vieles aufgeschrieben zur Geburt aber auch Gefühle danach. Der zweite kam ohne Vorwarnung 8 Wochen zu früh, wiedervollkommen überstürtzt, Kind da Kind weg, kein Bonding usw. auch er hat es super gemacht und durfte nach 3 Wochen nach Hause (also kein Verglich zu anderen Geschichten hier)… ganz ehrlich ich fühlte mich erneut um einige Wochen der SS „betrogen“, zweimal nach Hause ohne Baby, zweimal kein Bonding.. ich wusste ich muss diese Mal von Anfang an Hilfe erhalten. Ich habe ein Neo-Tagebuch geführt und war wieder in therapie. Ab und zu handere ich immer noch damit, vor allem wenn bei anderen alles „normal“ verläuft… aber es belastet mich nicht mehr oft und der Alltag ist schön. Ich finde es extrem wichtig den eigenen Umgang damit zu finden, sei es schreiben, reden, Therapie oder was auch immer!! Bleib dran und schau dir gut!!

von mena00 am 08.07.2023, 21:47



Antwort auf Beitrag von Polly86

Hallo Polly, ich kann dich gut verstehen. Meine Tochter kam letztes Jahr fünf Wochen zu früh. Die Schwangerschaft war unkompliziert und die Geburt auch schnell nach Blasensprung, aber was Mena beschreibt "Kind da Kind weg" hat mir schwer zu schaffen gemacht. Meinen Kleinen ging es von Anfang an super, aber weil sie nur knapp 2 kg wog, durfte ich nicht mal anlegen, sondern sie wurde direkt auf die Neo ins Wärmebett gesteckt und dort mit ner Magensonde versehen ... wir waren zweieinhalb Wochen im Krankenhaus, erst getrennt, dann zusammen auf der Kinderstation. Haben zuhause bis etwa ET gebraucht, um vom Abpumpen zum Stillen zu kommen. Schlimm waren die ersten Nächte allein, ohne Baby, ohne Mann, ohne Bauch, während die Zimmernachbarin ihren Sohn im Beistellbett hatte ... Schlimm war das dauernde Abpumpen und der ständige Druck, dass das Kind immer max trinkt und zunimmt ... Schlimm war, dass sie verkabelt bleiben musste ("aus rechtlichen Gründen"). Im KH war es ein Gefühl wie eingesperrt sein, völlig fremdbestimmt und ohne Rückzugsraum. Ich kam mit brutalem Schlafmangel aus dem KH und war am Rand einer Depression, alles war komplett anders gelaufen als vorgestellt (wir hatten eine Hausgeburt geplant). Mein Kind kam mir fremd vor und ich fühlte mich wie hinter Glas. Habe der Schwangerschaft nachgetrauert, hatte vorher viel Stress im Job und mich auf die Verschnaufpause Mutterschutz gefreut. Und dann diese ganzen Vollpfosten wie mein Frauenarzt - du erzählst drei Sätze, wie schlecht es dir ging / geht, und zurück kommt: "ja aber jetzt ist ja alles gut mit dem Kind". Geholfen hat mir sehr, dass wir ans Stillen kamen und die Kleine bald ins Familienbett einzog. Mit 13 Monaten schläft sie immer noch bei uns und wir stillen immer noch Für mich war auch die Zeit um den ersten Geburtstag sehr heilsam. Ich habe mit Gästen gefeiert, ihr Fotoalbum zum ersten Jahr fertig gebastelt, sehr bewusst die schönen Frühsommertage draußen genossen, die mir im letzten Jahr entgangen sind. Jetzt kann ich sagen, dass mich die Erinnerung an die Frühgeburt nicht mehr schmerzt und ich sehr dankbar bin, dass es meinem Kind gut geht. Weitere Kinder wird es wohl nicht geben ... wir mussten nachhelfen und wollen den Aufwand angesichts unseres Alters nicht nochmal gehen. Aber gäbe es ein Kind 2 und wäre das auch zu früh, würde ich wohl einiges anders machen.

von majalino am 09.07.2023, 21:30



Antwort auf Beitrag von Polly86

Hallo Polly! Dein Post ist schon etwas älter, aber ich möchte Dir auch noch einmal antworten, da ich auch keine einzige unbewerte Schwangerschaft bis zum Schluss hatte. Meine erste SS endete in einer Eileiterschwangerschaft mit Eileiterverlust. Die zweite Schwangerschaft endete mit einer Frühgeburt (33+4) nach vorzeitigem Blasensprung. Schon in der 28.SSW drohte ein Notkaiserschnitt, den wir noch anwenden konnten. Die Geburt war aber natürlich und traumhaft, sehr schnell und ohne Schmerzmittel. Der Kleine hat sich von Anfang an prächtig entwickelt. Danach hatte ich drei Fehlgeburten in einem Jahr. Dann wurde ich wieder schwanger (die 6.SS), diesmal schaffte ich die kritische Phase. Meine Tochter kam dann zwei Monate zu früh wieder nach Blasensprung auf die Welt. Ich hatte das große Glück, dass sie trotzdem (unter 1500 g) natürlich zur Welt kommen durfte. Auch diese Geburt war für mich sehr schön und sehr schnell, auch wenn ich meine Tochter nur kurz küssen durfte, bevor sie auf die Neonato kam. Wieder ging es allein nach Hause, alle drei Std abpumpen, jeden Tag ins KH pendeln und danach wartete der Große zu Hause auf mich. Eine sehr anstrengende Zeit, in der wir einfach nur funktioniert haben. Aber auch meine Kleine war eine Kämpferin und hat alles super gemeistert. Sie ist jetzt 8 Monate alt. Ich kenne das Gefühl, dass ich neidisch werde, wenn ich in meinem Umfeld von all den unkomplizierten Schwangerschaften höre. Aber ich bin selbst der größte Optimist unter der Sonne. Ich habe viel mit Freunden und der Familie geredet, auch die Fehlgeburten sind in meinem Umfeld bekannt. Und ich ernte immer viel Bewunderung dafür, dass wir nicht aufgegeben haben und wie wir das wuppen. Das tut sehr gut und hat mich stark gemacht. Rückblickend bin ich nur einfach unglaublich glücklich und dankbar, dass ich überhaupt zwei gesunde Kinder habe und zwei wundervolle, natürliche Geburten erleben durfte. Ich hatte nach den SS kaum körperliche Probleme, keine Schwangerschaftsstreifen, hab zwei Wochen nach den Geburten meine alten Klamotten wieder getragen. Die Rückbildungen gingen jeweils rasant schnell und uch konnte schnell wieder Sport machen. Das ist zwar kein Ersatz für ein normales, kuscheliges Wochenbett mit einem Reifgeborenen, aber ich versuche halt einfach das Positive zu sehen. Psychologische Unterstützung habe ich zum Glück nie gebraucht.Meine beiden Kinder haben mir nach ihren Geburten eigentlich nie einen Anlass zur Sorge gegeben und sie waren bzw sind beide unglaublich einfache "Anfängerbabys". Ich hätte mir das alles zwar anders gewünscht, aber ich bin mit dem, was ich bekommen habe sehr zufrieden und glücklich! Alles Gute für Dich! Denk positiv und rede viel über Deine Sorgen, das hilft wirklich!

von Miss V am 15.07.2023, 08:50



Antwort auf Beitrag von Polly86

Danke euch für den regen Austausch, es hilft mir etwas, mit gleichgesinnten zu schreiben. Werde mir noch nachträglich alles notieren, was mir bei den Geburten widerfahren ist, wie es uns ging und heute geht. Ihr habt recht, der größte Trost ist es, heute gesunde Kinder zu haben.

von Polly86 am 21.07.2023, 17:03



Antwort auf Beitrag von Polly86

Schreib doch ein Tagebuch, vielleicht hilft das. Meine Hebammenpraxis bietet Hypnose zur Verarbeitung eines traumatischen Geburtswelebnisses an. Vielleicht gibt es sowas ja bei euch auch in der Nähe. Zu mir auf die Neonatologie kam am 2. Tag eine Psychologin und ich hab erstmal angefangen zu heulen als die Tür aufging und sie sich vorstellte. Lass deine Gefühlt zu und rede mit jemandem (egal ob es jemand ist der dich kennt oder nicht) mir hat es unglaublich gut getan. Fühl dich fest gedrückt

von Mrs M am 27.07.2023, 17:02