Bonding bei Frühchen

Kleines Babyhaendchen in einer grossen Hand

© Adobe Stock, Igor Stepovik

Unter dem Begriff "Bonding" verstehen Psychologen die wichtige, emotionale Bindung zwischen Eltern und ihrem Kind. Bei Frühchen ist das Bonding etwas komplizierter. 

Bei einem gesunden, zeitgerecht geborenen Baby beginnt dieser Bindungsprozess nach der Geburt schon im Kreissaal mit den ersten Stillversuchen. Aber ein Anlegen nach der Geburt ist bei einer Frühgeburt meist nicht möglich. Sehr kleine Frühchen müssen intensivmedizinisch versorgt werden. Zwischen Ihnen und Ihrem Kind befinden sich plötzlich das Plexiglas des Inkubators, Monitore, Kabel und Schläuche. Ihr Baby wird in der Klinik zumindest zeitweise von Ihnen getrennt werden, um von einem Kinderarzt, bzw. Neonatologen untersucht und beobachtet zu werden. Eventuell besteht auch die Notwendigkeit, dass Ihr Baby in eine andere, auf Frühgeburten spezialisierte Klinik verlegt werden muss.

Damit Sie trotz dieser Anfangsschwierigkeiten eine feste, emotionale Bindung zu ihrem Baby aufbauen können, ist es wichtig, dass Sie von Anfang an so viel Zeit wie möglich bei Ihrem Kind verbringen können und in die aktive Pflege mit eingebunden werden. Viel Kuscheln und Schmusen z.B. beim "Känguruhen" hilft dabei, die zarte Verbindung zu stärken.

Känguruhen mit Frühchen

Der Begriff "Känguruhen" stammt von der englischen Bezeichnung "kangarooing". Dabei werden die Frühgeborenen aus dem Inkubator genommen und unbekleidet Mama oder Papa auf die nackte Brust oder den Bauch zum Kuscheln gelegt. Durch den direkten Hautkontakt wird bei den Eltern, wie auch beim Kind, das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, das einerseits für Wohlbefinden und Entspannung sorgt und andererseits bei der Mutter den Milchfluss fördert.

Das Känguruhen hat viele positive Auswirkungen bei Frühchen: Regelmäßige Atmung, ruhigere Herztöne und ein tiefer, entspannter Schlaf zeigen, wie sehr das Baby die intensive Körpernähe genießt. "Känguru-Kinder" bauen schneller eine Bindung zu ihren Eltern auf. Sie entwickeln sich besser, nehmen rascher zu und können häufiger mit Erfolg gestillt werden. Gleichzeitig gelingt es auch den "Känguru-Eltern" schneller, eine tiefe emotionale Verbindung zu ihrem Kind aufzubauen. Das hilft Eltern mit ihren eigenen Ängsten und Belastungen zurecht zu kommen.

Starke Bindung wichtig für Frühchen

Die emotionale Bindung eines Babys ist ein menschliches Grundbedürfnis und überaus wichtig für die Entwicklung von Kindern. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Kinder, die ohne Bindung aufwachsen - zum Beispiel ohne liebevolle Zuwendung in einem Kinderheim - schlechter gedeihen und langsamer wachsen. Schuld daran ist der Mangel an einem Wachstumshormon, das nur bei guter emotionaler Versorgung gebildet wird. Emotionale Nähe und Bindung ist aber auch für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit von Bedeutung.

Sicher gebundene Babys haben als Jugendliche und später als Erwachsene ein stärkeres Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, sind kreativer und können ihre Aggressionen besser kontrollieren. Frühchen, die durch den plötzlichen Umgebungswechsel und die medizinische Versorgung hohem Stress ausgesetzt sind, haben ein besonders starkes Bedürfnis nach Bindung. Deshalb ist es wichtig, dass die Eltern lernen, die Bedürfnisse ihres Babys zu erkennen und richtig zu beantworten.

Beobachten Sie Ihr Frühgeborenes

Angesichts dieses winzig kleinen, frühgeborenen Babys, an dem Schläuche und Sensoren angebracht sind, stehen Eltern hilflos vor ihrem Kind und fragen sich, was Sie für ihr Frühchen tun können. Das Wichtigste: Lernen Sie Ihr Frühchen besser kennen. Nehmen Sie sich Zeit und beobachten Sie Ihr Baby. Durch seine Reaktionen teilt es Ihnen mit, wie es ihm geht und welche Bedürfnisse es hat. Wenn Sie diese Reaktionen erkennen und verstehen, gibt Ihnen dies Sicherheit und Selbstvertrauen im Umgang mit Ihrem Kind.

Körperliche Zeichen deuten

An der Atmung können Sie gut erkennen, wie es Ihrem Baby gerade geht. Atmet es ruhig und gleichmäßig, ist es entspannt. Auch die Hautfarbe sagt viel über seinen Gemütszustand aus. Blasse Stellen um Mund und Nase zeigen vielleicht, dass es Ruhe braucht oder Trost benötigt. Ruckartige, zuckende Bewegungen, eine überstreckte Körperhaltung oder Schluckauf können auch auf Stress hindeuten. Mit der Zeit werden Sie wissen, wann Ihr Baby Zärtlichkeit, Ansprache oder vielleicht doch lieber Ruhe braucht.

Frühchen berühren

Die meisten Eltern reagieren zunächst hilflos, wenn sie ihr Frühchen das erste Mal berühren dürfen. Kein Wunder, denn dieses kleine Wesen ist so zart und zerbrechlich. Dabei ist es viel robuster und widerstandsfähiger als es auf den ersten Blick scheint. Deshalb sollten Sie Ihr Baby zwar vorsichtig, aber auch nicht zu zaghaft anfassen. Die Schwestern sind Ihnen behilflich erklären, was Sie tun und was Sie lieber lassen sollten. Grundsätzlich gilt: machen Sie langsame Bewegungen.

Viele Babys mögen es anfangs nicht so gern gestreichelt oder gar gekitzelt zu werden. Legen Sie Ihre Hand behutsam um das Köpfchen oder auf den Rücken oder umschließen Sie die Füßchen. Das gibt Ihrem Baby ein Gefühl der Geborgenheit wie im Mutterleib. Die meisten Kinder klammern sich auch gerne an Mamis oder Papis Finger. Und die sind oft überrascht, wie kräftig ihr Kleines schon "zupacken" kann.

Frühchen richtig pflegen

Sobald Sie sich etwas sicherer sind, wie Sie Ihr Kind anfassen oder auch hochnehmen können, werden die Kinderschwestern Sie gerne in die Pflege Ihres Babys einweisen. Während Sie wichtige Aufgaben wie Stillen und Füttern, Waschen oder Windelwechseln übernehmen, wachsen Ihre Vertrautheit mit Ihrem Kind und damit auch die Zuversicht in Ihre Fähigkeiten als Eltern. Auf diese Weise entsteht, trotz aller Anfangsschwierigkeiten, bald eine gute Eltern-Kind-Bindung. Viele gute Tipps zur Pflege von Babys finden Sie in unseren Bereich Babypflege.

Musik und Mamis Stimme

Im Gegensatz zu manch anderen Sinnen ist das Gehör der Frühchen schon ausgezeichnet ausgebildet. Untersuchungen haben ergeben, dass sie besonders positiv auf die Stimmen von Mama und Papa reagieren, denn diese Stimmen sind dem Kind bereits in der Schwangerschaft vertraut. Sie sollten deshalb viel mit ihrem Baby sprechen oder ihm vorsingen. Überhaupt mögen Frühchen gerne Musik. Für die Zeit, in der Sie nicht bei Ihrem Baby sind, können Sie ihm eine Kassette oder CD mit Ihren Stimmen, Ihrem Herzschlag oder mit sanfter Entspannungsmusik aufnehmen.

Bindung an andere Personen

Selbst wenn Sie als Eltern die wichtigsten Bezugspersonen sind, so ist es doch ganz normal, dass Ihr Baby eine Bindung zu den Kinderkrankenschwestern in der Klinik aufbaut. Auch diese Bindung unterstützt die emotionale Entwicklung Ihres Babys. Hier sollte es keine Konkurrenz geben, sondern ein konstruktives Miteinander. Umgekehrt schließen auch die Schwestern während der langen Betreuungszeit Ihr Baby ins Herz. Deshalb sollten Sie ihnen bei der Entlassung die Möglichkeit geben, sich zu verabschieden. Und schauen Sie doch nach ein paar Wochen noch mal in der Klinik vorbei. Sie freuen sich bestimmt zu sehen, wie gut sich Ihr Frühchen entwickelt hat.

Zuletzt überarbeitet: Februar 2019

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