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Immernoch Schuldgefühle

Thema: Immernoch Schuldgefühle

Hallo zusammen, ich hatte vor 6 Monaten mit 28+5 eine Frühgeburt.Unserer Maus geht es dank vieler Schutzengel super und sie hat keine Probleme.Trotzdem empfinde ich immer noch Wut,Trauer und Verzweiflung,daß ich unser Kind nicht "richtig" austragen konnte und vieles nicht erlebt habe.Es hört nicht auf und ich bin verzweifelt über die Situation.Wem ging oder geht es ähnlich?Was kann helfen und wie?Danke für Eure Antworten

von Kika78 am 20.05.2012, 21:50



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Hallo! Die gefühle werden mit der Zeit bestimmt schwächer. Aber sie werden Dir erhalten bleiben. Mir haben unsere Frühchen-Kuren gut geholfen bei der Verarbeitung. Vielleicht gibt es bei Euch eine frühchen-Gruppe in der Klinik? Der Austausch mit anderen betroffenen Eltern ist wirklich wichtig. Meine Wunder (27+5) sind letzte Woche 6 Jahre geworden und es gibt immernoch Tage an denen ich Gänsehaut bekomme, wenn ich an die erste Zeit zurück denke. Aber ich leide nicht mehr darunter. Ich wünsche Dir weiterhin viel Kraft und Deinem kleinen Wunder alles Gute kathrin

von annuk am 20.05.2012, 21:57



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Hallo, ich hatte fast zur selben Zeit (26.11) auch ein express Kind (29+3). Die Wut ist bei mir an manchen Tagen auch noch present. Meißtens aber nur das "Warum gerade ich?". Ich hatte so eine Traumschwangerschaft und auf einmal hieß es das Kind muss geholt werden sie haben HELLP. Ich habe mich mal über meinem nicht vorhandenen Schwangerschaftsbauch beschwert. Ich hatte so gar keinen, da auch noch eine Mangelversorgung beim Kind vorlag und sie ziemlich klein war/ist. Ich mag bis heute nicht gerne runde Bäuche ansehen. Auch mag ich nicht im beisein von Schwangeren über das Erlebte erzählen. Aber mittlerweile sehe ich einigies anders und mit etwas Galgenhumor. Ich schaue meine kleine an und denke mir das manch andere die jetzige größe aus sich rauspressen mussten. AUA Könnte noch einige andere Dinge nennen. Wie du siehst versuche ich das noch so kleinste Positive in allem zu sehn. Achja, ich denke dann noch das es beim zweitem Kind bis zum Ende klappen wird. Mit all den Wehwehchen und den Gemotze über den dicken Bauch und die schmerzenden Füße ;-) . Genieße einfach die Zeit mit eurer Maus. LG Arstin

von Arstin am 20.05.2012, 22:38



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Ich glaube, diese Schuldgefühle hat jede von uns in unterschiedlicher Stärke. Heute vor 8 Jahren wurde mein Sohn in 29+6 wegen Gestose geholt und noch immer ist jeder seiner Geburtstag auch mit Wehmut und Trauer verbunden, aber es wird langsam besser. Trotzdem durchlebe ich an jedem 21. Mai die Geschehnisse von damals nochmal in Gedanken. Ich habe ein Buch über die ganze Zeit geschrieben, das war sehr schmerzhaft, aber auch heilsam! Und folgende Zeilen fand ich auch klasse: Herzlichen Glückwunsch! Zu was wird mir gratuliert? Tatsächlich musste ich nachdenken, was die Leute meinten, als sie diese Worte vor drei Jahren zu mir sagten. Mein Name ist Pia und ich habe im August 2006 Zwillinge in der 30. Woche zur Welt gebracht. Während bei der Geburt eines reifen Kindes herzlich gratuliert wird, so sind diese zwei Worte bei einer zu frühen Geburt für die Mutter oft unverständlich, waren für mich sogar absolut fehl am Platz. Es gab nichts, zu dem man mir hätte gratulieren müssen. Ich habe meine Kinder viel zu früh in die Welt gelassen. Nicht alleine lebensfähig, abhängig von Maschinen, Medikamenten, den Ärzten und den Pflegekräften. Herzlichen Glückwunsch dazu, dass meine Kinder nun in einem Glaskasten liegen, ins grelle Licht gucken müssen, den furchtbaren Krach der Intensivstation und deren Dauerpiepen ertragen müssen? Herzlichen Glückwunsch dazu, dass ihnen durchschnittlich 25 mal am Tag wehgetan werden muss (die Zahl hat der Bundesverband ermittelt), um die notwendige medizinische Versorgung durchführen zu können? Die Geburt ist definitiv kein freudiges Ereignis, oft ist sie ein Kaiserschnitt ohne Bewusstsein. Ich zum Beispiel rede bis heute von der Operation, nicht etwa von der Geburt. Man hat mir etwas aus dem Bauch herausgeschnitten, aber ich hatte keine Kinder zur Welt gebracht. Wo waren die auch? Ich hab sie ja nicht gesehen. Später am Abend bringt man mir Polaroids von zwei Kindern, die angeblich meine sein sollen. Sie machen es prima, sagen die… was machen sie prima, das Überleben ohne mich? Jeder versichert uns Müttern, dass wir ja keine Schuld daran haben, dass „DAS“ passiert ist. Doch glauben tut das nicht eine einzige von uns. Wenn man dann, oft erst nach Tagen, das erste Mal am Inkubator steht, spürt man die Schuld nicht nur tonnenschwer auf der Brust, nein dann liegt sie direkt vor einem. Mit durchsichtiger Haut, hektisch wummerndem Herzchen, oft beatmet, mit Pflastern verklebt, mit venösen Zugängen, die man sich auf der Stelle lieber selbst 1000 mal am eigenen Körper wünscht, nur damit das Kind den Schmerz nicht aushalten muss. Da liegt die Schuld, wiegt auf der Waage kein ganzes Kilo auf uns Müttern aber so viel, dass es kaum zu ertragen ist. Ich habe neben unseren Inkubatoren gesessen und immer nur sagen können: Es tut mir leid... Es tut mir so unendlich leid, dass ich euch das antun musste!!!! Keine Schuld? – Na, herzlichen Glückwunsch! In der Zeit auf den Frühchenstationen sind wir Mütter selbst wie eine große Wunde. Die Schuld und die Trauer über das Geschehene haben uns so verwundbar gemacht, dass aus sonst selbstbewussten, nicht auf den Mund gefallenen Frauen wie mir, Mütter werden, die gar nicht mehr fühlen, was richtig oder falsch ist, die sich wie betäubt führen lassen von der Klinikstruktur, mittags irgendwo zwischen Ikeakantine, der Innenstadt, dem Parkplatz der Kinderklinik oder der Cafeteria herumirren, wenn Mittagspause und Übergabezeit ist. Doch möchten wir bei unseren Kindern sein! Ich möchte immer bei meinen Kindern sein! Ich kann abends nicht nach Hause gehen, ohne immer wieder diesen tiefen Abschiedsschmerz zu empfinden, jeden Abend muss ich meine Kinder aufs Neue alleine lassen! Ich möchte sie aber nie wieder verlassen! Sie sollen spüren, dass ich bei ihnen bin. Und wenn es für mich doch schon das Schlimmste war, wie ist es dann mit den Kindern?! Sie kommen auf die Welt und lernen, dass diese nur aus Schmerz, Verlassenwerden, unangenehmen Geräuschen und beängstigender Weite besteht. Da ist tagelang keiner, der sie hält, der ihnen Schutz gibt, keine vertraute Stimme mehr. Bei jedem reif geborenen Kind ist es eine Selbstverständlichkeit, dass es möglichst noch ungewaschen der Mutter auf die Brust gelegt wird. Das Bonding sei so wichtig! Tatsächlich haben wir Mütter uns alle Sorgen darüber gemacht, ob eine Mutter-Kind-Beziehung überhaupt in gesundem Maß zustande kommen kann. Mir fehlen z.B. die ersten 3,5 Tage mit meinen Kindern. Erst habe ich sie nicht halten können, dann habe ich sie auch noch verlassen und nicht beschützen, ja nicht einmal begrüßen können. Ob ich diese Sehnsucht in den Tagen der Trennung jemals verwinden werde, ist unwichtig. Aber wie sollen das die Kinder meistern? Zuhause erhärtete sich der Verdacht, dass das stundenlange Schreien, das auch nach 3 Monaten nicht nachließ, ein Frühchenproblem sein könnte. Alleingelassen mit dieser Vermutung wurde ich eigeninitiativ und stieß auf eine Schrift einer Hebamme, die empfahl, das Kind während des Schreiens wie in der Haltetherapie ganz eng zu halten. Es sei wichtig, dass es seinen Kummer, über die Erlebnisse seiner ersten Lebenswochen, auch betrauern und herausweinen dürfe. Meine Jungs und ich haben versucht, so unser gemeinsames Trauma zu verarbeiten. Ich habe sie oft so gehalten, mal nur 15 Minuten lang, mal ganze Stunden und wir haben uns zusammen ausgeweint. Sie in meinen Armen. Ich habe nicht versucht, sie mit einer Rassel abzulenken, den Kummer mit dem Schnuller weg zu drücken. Ich habe versucht, mich dem Erlebten zusammen mit den Kindern zu stellen… Es war sehr schwer, es tat und tut noch immer wieder und wieder so weh, zu begreifen, was die Kinder durchmachen mussten. Aber ich glaube, das Festhalten hat ihnen geholfen. Bis heute sind sie leicht irritierbar, schreien noch viel… Von einem Bindungsproblem zu mir, ihrer Mutter kann man allerdings nicht sprechen. Im Gegenteil, sie lieben mich heiss und fettig, das merke ich 24 Stunden am Tag. Aber es ist große Verlustangst zu spüren. Sie brauchen lange, um Vertrauen zu fassen. Und die Angst, ob sie jemals eine gesunde Bindung zu Freunden, Partnern eingehen können, bleibt. Wir zu früh gewordenen Eltern haben auch Probleme mit dem Vertrauen. Wir können nicht einfach darauf vertrauen, dass die Kinder sich schon gut entwickeln. Dass einfach etwas mal normal so weiterläuft. Jeden Tag gibt es eine Kleinigkeit, die uns zweifeln lässt, dass wirklich alles in Ordnung ist. Wir sind traumatisiert, wir können nicht mehr unbefangen auf unsere Kinder schauen. Doch verdammt!! sie hätten das so verdient! Gerade wurden sie 3 Jahre alt: Herzlichen Glückwunsch!! Lg Claudia

von Claudia_Felix am 21.05.2012, 10:49



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*Tränen aus den Augen wisch* Hatte grad Gänsehaut bei den Worten und konnte mich auch darin wiederfinden. Mein Kind kam bei 36+6 aufgrund pathologischer CTG's und Doppler (intrauterinere Retardierung) zur Welt. Er wog gerade mal 2150g und war 46 cm groß. Auch wenn mir nicht 3,5 Tage mit meinem Sohn fehlen, sondern "nur" 6 Stunden, bevor ich ihn das erste Mal richtig gesehen und NUR 5 Minuten auf dem Bauch liegen hatte. Als ich ihm am nächsten Tag auf der Neo besuchte und ihn unter diesen blauen Licht liegen sah, konnte ich nur noch weinen. Auch die nächsten Tage hab ich nur geweint, zumal man bei ihm eine angeborene Schilddrüsenunterfunktion festgestellt hat. Es war auf einmal alles zu viel geworden. Wir dachten uns nur: warum ausgerechnet wir? Mit der Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion hat man gleich noch am 2. Lebenstag begonnen. Heute lächeln wir darüber was wir uns für Sorgen gemacht haben. Dennoch hatte ich kurz vor seinem 1. Geburtstag vor wenigen Wochen Heulkrämpfe weil alles wieder hoch kam. So richtig verarbeitet hab ich es immer noch nicht. Aber mit der Zeit wird es bestimmt. Lg Susi

von MamaMausi1986 am 21.05.2012, 11:49



Antwort auf Beitrag von Claudia_Felix

Vielen lieben dank für eure worte.ihr sprecht mir total aus der seele und punktgenau trifft es der letzte beitrag.es tut gut all das mal so treffend formuliert "am stück" zu lesen.ella ist jeden tag ein riesen pflaster auf diese wunde,doch reißt sie immer wieder auf ,wenn ich runde bäuche sehe und von normalen geburten etc höre. Aber ein zweites kind...ich habe (noch) viel zuviel angst alles nochmal oder schlimmer zu erleben.das macht mich auch traurig...das einem der wunsch und die freude nach einem 2.kind komplett genommen wird.jedenfalls mir:-(und jeden tag steht dieses verdammte WARUM mit auf.es tut unendlich gut euch zuzuhören.man fühlt sich nicht allein mit seinem kleinen wunder.DANKE

von Kika78 am 21.05.2012, 11:54



Antwort auf Beitrag von Kika78

Der text von claudia_felix ist wahnsinni toll.so hätte ich es bisher nicht punktgenau beschreiben können. Seid ihr auch irgendwann an dem punkt angekommen,wo selbst der verständnisstollste mann und familie und freunde,diese andauernde trauer nicht mehr nachvollziehen können/konnten? Ich höre immer wieder aus vielen ecken"jetzt ist doch aber langsam alles wieder gut,ella entwickelt sich doch normal".ja...jetzt ist alles normal.aber wer gibt mir 12 wochen schwangerschaft plus vorher 4 wochen klinik plus 2 monate krankenhaus mit jedem tag ANGST ANGST ANGST zurück?mein mann sagt das mit dem "ist doch alles gut"gott sei dank noch nicht,aber auch bei ihm kann ich merken,daß so ganz langsam ein nichtverstehen über die anhaltende situation entsteht.

von Kika78 am 21.05.2012, 12:09



Antwort auf Beitrag von Kika78

hallo, oh man, da musste ich eben grad haftig schlucken beim text von felix-claudia. und es stimmt ja so genau, ich fand es so komisch "herzllichen glückwunsch" zu hören !!! aber : da unsere maus so lange, lange hart und schwer erkämpft war (FG+Stille Geburt) bin ich trotzdem immer wieder dankbar, froh und erleichert, das es sie gibt, da verschwinden sämtliche schuldgefühle. ich glaube, man muss immer erst schlimmeres erlebt haben... alles gute :)

von letiziaceline1 am 21.05.2012, 19:39



Antwort auf Beitrag von letiziaceline1

Ich glaube,du hast recht...man muß erst schlimmeres erlebt haben.es tut mir leid,daß ihr einen so schweren weg hattet,bis ihr euer baby im arm halten durftet.für mich war es die erste schwangerschaft überhaupt...der verstand und die vernunft sagt mir sovieles,wie es richtig ist,aber das herz und die seele schmerzen trotzdem leider.euch auch alles gute

von Kika78 am 21.05.2012, 19:57



Antwort auf Beitrag von Kika78

Ja, ich kenn das auch. Ich freu' mich und bin unendlich dankbar dafür, dass Marie trotz SSW 27/3 so viel Glück hatte. Ich bin dankbar dafür, dass sie sich gut entwickelt. Ich bin dankbar dafür, dass ich sie stillen kann. Und- ich bin unendlich traurig über 12 Wochen weniger schwanger, 12 Wochen weniger dicken Bauch, über die vergangene Möglichkeit, meinem Kind auf die Welt zu helfen, unendlich traurig darüber, dass ich sie täglich neu verlassen musste, sie fremden Menschen anvertrauen musste. Ich bin auch traurig darüber, dass meine Großen 12 Wochen weniger "schwanger waren" und drei Monate auf mich verzichten mussten, weil ich mit meinen Gedanken auch zu Hause bei der Kleinen war. Ja, gegen Blasensprung kann man nichts machen. Ja, wer weiss, was gewesen wäre, wenn sie länger bei mir gewesen wäre, wenn ich unvernünftig gewesen wäre und auf eine spontane Geburt bestanden hätte. Und troztdem bin ich traurig, wütend, fühl' mich schlecht, weil ich meinem Kind nicht geben konnte, was sie gebraucht hätte - mich. Und leider hört auch die Angst nicht auf. Sie ist mein ständiger Begleiter, wenn es um Marie geht. Zu meinem Mann hab' ich gesagt, es ist, als würde man einen geliebten Menschen verlieren. Man kann nichts mehr zurückholen, man kann nichts mehr ändern, es ist einfach verloren gegangen. Am 28. Juni wird MARIE ein Jahr alt und trotz allem und gerade deswegen (weil mir jetzt wieder die Tränen laufen) werden wir sie feiern und einfach dankbar sein dafür, dass wir sie bei uns haben dürfen!

von chahema am 21.05.2012, 20:25



Antwort auf Beitrag von chahema

Frühchenmamas sind so unglaublich tapfere und starke frauen-trotz oder gerade wegen all dem erlebten...:-(

von Kika78 am 21.05.2012, 21:48



Antwort auf Beitrag von Claudia_Felix

wow Claudia, bin immer noch am heulen. Ich hatte keinen Kaiserschnitt, Spontangeburt in der 32 SW, zu Hause, plötzlich. Alle Werte der in der Schwangerschaft immer ok. Anscheinend hatte ich eine Infektion. Wir waren allein, unter uns die Wohnung stand noch leer (die alten Mieter waren vor ein paar Wochen ausgezogen, noch nicht neu vermietet), es war Sonntag, geradeüber waren die Firmen zu. Das Auto (glücklicherweise) in der Werkstatt. Als der Krankenwagen kam war die Geburt schon im vollen Gange. Der Notarzt, welcher etwas später kam wollte dies nicht wahrhaben, gab Wehenblocker und anderre Medikamente (legte Infusion an beiden Handgelenken (habe nur eines mitbekommen), obwohl er mit der Ärztin im Kreissaal telefonierte (sie erzählte mir dies später) und diese ihm sagte es höre sich an als ob die Geburt schon in vollem Gange ist. Unsere Treppe zu steil, also auf die Trage und durchs Badfenster auf der Feuerwehrdrehleiter, der Notarzt meinte mir würde gleich schummrig; als wir durch das Badfenster waren, kam sein Kopf herraus, ich hatte eine weite Jogginghose des Vaters an und hielt seinen Kopf mit meiner Hand. Ich sagte dem Notarzt es kommt raus, er sagte nur nein; dann bevor wir unten waren (auf der Feuerwehrleiter) kam eine zweite Welle und das ganze Kind war draußen, der doofe Notarzt sagte wieder nur nein. Endlich im Krankenwagen, sie hatten irgendwie Probleme mich dort hineinzuschieben (Kopf oder Füße zuerst), schaute er mich an wie "musste das jetzt sein", er nahm mein Kind und sagte "ist am Leben" - so ein Idiot, natürlich lebt mein Baby; er war ganz grau, laute Atemgeräusche, der Krankenwagen würde geheizt auf maximum, Anthony lag zwischen meinen Beinen und wurde abgesaugt, wir warteten auf seinen Krankenwagen (ca 20 Minuten), ganz kurz wurde Anthony mir gezeigt, fast auf die Brust gelegt, konnte ihn gerade noch schnell ein Küsschen geben, nur für ein paar Sekunden, dann konnte ich ihn wieder nur hören. Dieser doofe Notarzt wiederholte ist am Leben, ein Junge und dann füllte er Papierkram aus. Warum konnte dieser Notarzt nicht warten, es wäre doch sicherer gewesen ihn in der Wohnung zu bekommen und anstatt die Feuerwehr gleich den Krankenwagen für Anthony zu ordern. Warum hat er ihn nicht auf meiner Brust abgesaugt und in Decken gehüllt, wäre dies nicht wärmer für Anthony? Ich fühle mich schuldig mich nicht gewehrt zu haben. Und ich fühle mich schuldig die Geburt nicht eher wahrzunehmen, vielleicht hätte ich es dann ins Krankenhaus geschafft. Anthony ist gegen 18.24 geboren, gegen Mitternacht konnte ich ihn dann das erste Mal sehen und anfassen, er öffnete seine Augen, Er war im Wärmebett, Infusion, Kabel, Magensonde, Sonne von oben, blaues Licht von unten. Wir sind getrennt ins Krankenhaus gefahren, ich kam in den Kreissaal, die Plazenta wollte nicht herraus. Der Kinderarzt kam in den Kreissaal, erzählte mir alles sei gut, Anthony atme alleine, das wäre sehr gut, er müsste mindestens 6 Wochen, eventuell 8 Wochen im Krankenhaus bleiben. Am nächsten Morgen, er war in einem anderen Zimmer, kurze Panik wo ist mein Kind, er braucht nun doch Sauerstoff, Atmung wird immer schlechter, in der Nacht vom zweiten zum dritten Tag, Lungenreifemedikament. Weiß nicht wie das gegeben wird, muss furchbar sein. Am Tage bekam er es nocheinmal, da war ich da, musste raus, (Chefarzt, Oberarzt alle anwesenden Assistensärzte, zwei Krankenschwestern), das Fenster wurde zugezogen, ich solle im Elternzimmer warten; das war neben seinem Zimmer, er hat furchtbar geschrien, ging ziemlich lange. Als ich wieder rein durfte, schlief Anthony schon, total erschöpft. Der Chefarzt sagte mir sie haben das Lungenreifemedikament gegeben (bei meinem rausschmiss wurde mir nicht gesagt was passiert, ich blieb an der Tür stehen und schaute durch das Fenster was mit Anthony passiert, da wurden die Vorhänge zugezogen und ich ins Elternzimmer geschickt) Der Chefarzt erklärte das er wahrscheinlich an die Lungenmaschine muss "man sieht das dieses Kind probleme beim Atmen hat", dann sind alle rausgegangen. Die Krankenschwestern, die Anthony normalerweise versorgt haben (die waren nett) waren nicht dabei. Der Oberarzt kam an dem Tag alle halbe Stunde und hat Anthonys Bildschirmwerte per Telefon durchgegeben. Er hat es geschafft, ohne Lungenmaschine. Die Infusion ist immer wieder para gelaufen, am rechten Arm hat er eine lage Narbe davon. Blutunterlaufende Nasenlöcher vom Sauerstoffschlauch. Und natürlich blaue Füße von der täglichen Blutabnahme. Inzwischen ist "soweit" alles gut. Er war "nur" 3 1/2 Wochen im Krankenhaus, ist eben ein schneller und ein Kämpfer. Am Tag seiner Entlassung kam der Arzt zu mir und meinte: Wenn sie wollen können sie ihn morgen früh mitnehmern. Klar wollte ich. Geblieben ist die Narbe und Stuhlprobleme, er schafft es nicht den Stuhl herauszudrücken, quält sich unendlich, hat aber keinen festen Stuhlgang. Und er hat nicht die Kraft vollständig an der Brust zu trinken, braucht danach noch die Flasche. Gerstern hat er seine erste Impfung erhalten, tat natürlich auch weh, die erste Nadel seit dem Krankenhaus, ich hab fast geheuelt, er nach dem Schmerz den Doctor angelächelt und mit ihm gescherzt. Kann es total nicht ertragen wenn er Schmerzen hat; Heule immer noch. Das geht einfach nicht weg.

von Waya am 23.05.2012, 11:54



Antwort auf Beitrag von Kika78

Hallo, ich kenne dieses Gefühl versagt zu haben und seinem Kind nicht den bestmöglichen Start ermöglicht zu haben nur zu gut. Man fühlt sich als Mutter so unzulänglich! Und wenn ich heute im Fernsehen eine Geburt sehe, kommen mir die Tränen. Das habe ich auch alles nicht erlebt und darum trauere ich schon (hatte Notsektio bei 33+3 wg. Plazentalösung). Aber immer, wenn diese Gefühle hoch kommen, sehe ich meine gesunde (!) Tochter an und dann bin ich einfach soooo dankbar, dass sie lebt und es ihr gut geht. So viele Menschen müssen den Tod ihres Kindes verkraften... Die Vergangenheit kann ich nicht ändern. Aber die Zukunft kann ich beeinflussen! Ich kann meine Tochter mit viel Liebe und Zärtlichkeit umsorgen und so die Grundlagen für ihr weiteres Leben legen. Mir hat es auch ungemein geholfen darüber zu reden. Ich konnte das gut mit meinem Mann. Aber vllt. möchtest du das lieber mit einer Freundin oder so machen? Und auch mal weinen und einfach trauern gehört dazu. Ich weiß nicht, ob diese Gefühle jemals ganz weg gehen, aber ich finde sie werden langsam schwächer. Ich wünsch dir und deiner Tochter alles Gute! Toll, dass es ihr trotz der Frühgeburt so gut geht! LG Natascha mit Tikvah

von Fischstäbchen am 21.05.2012, 22:19



Antwort auf Beitrag von Kika78

Ich denke die wird man nie los. Tim ist jetzt 14 Monate alt, ist bei 26+4 SSW zur Welt gekommen. Ich habe 2 Reifgeborene Kinder und ich weiss was fehlt. Ich bin immer noch traurig darüber, das Tim es so schwer hatte und ich ihm keinen einfacheren Start ins Leben geben konnte. Er hat kämpfen müssen, er hat gesiegt und ich bin unheimlich stolz auf ihn. Ich denke aber mit der Zeit lernt man dies zu akzeptieren, es gehört nun mal zu uns diese Frühgeburt, dies ist unsere Geschichte.

von Hsi86 am 21.05.2012, 22:34



Antwort auf Beitrag von Hsi86

Hast du Tim vor oder nach den reifgeborenen Kids bekommen? Ich frage, weil ich gute Erfahrungen brauche, dass man nach Frühgeburten durchaus auch noch eine ganz normale Schwangerschaft haben kann. Und auch darum, weil mich interessiert, ob du nach dem Frühchen noch den Mut zu einer weiteren Schwangerschaft hattest.

Mitglied inaktiv - 23.05.2012, 11:56



Antwort auf Beitrag von Kika78

Hallo. Ich hab zwar keine Schuldgefühle, kenne aber das Gefühl der nicht vollständigen Schwangerschaft. Hab meinen Zwerg bei 35+3 spontan entbunden. Es gab vorher keine Anzeichen auf eine möglicherweise drohende Frühgeburt. Es ging ihm auch von Anfang an gut, bis auf Neugeborenengelbsucht und temperaturbedingte Anpassungsschwierigkeiten. Trotzdem belastet mich die unvollständige Schwangerschaft ziemlich. Heute ist mein Kleiner 16 Wochen alt, es ist natürlich besser geworden als am Anfang, aber es ist nicht weg und wird es wohl auch nicht sein. Immer wenn ich ne Schwangere im "Endstadium" sehe, wird mir ganz anders, da werd ich wehmütig und neidisch gleichzeitig so irgendwie. Dazu kommt, dass ich wohl bei einer erneuten Schwangerschaft absolut paranoid wäre, dass es diesmal evtl. noch früher losgehen könnte. Viele Leute halten mich für bescheuert, sagen, ich soll froh sein, dass ich das dicke Ende nicht erleben musste und auch, weil die Geburt nur 2 Std. gedauert hat. Bin aber nicht froh, weil ich denke, ich hab was nicht fertig gemacht.

Mitglied inaktiv - 23.05.2012, 11:54



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Ich konnte mich auch in den ersten Tagen nicht richtig freuen. Stand da im KH völlig unvorbereitet, hatte keine Ahnung von Babys, mein Geburtsvorbereitungskurs hatte gerade mal angefangen. Ich hab die Wochen vorher nur lästigen Kram zu Hause erledigt, Kinderzimmer fertig gemacht, Schreibkram, wollte ab da mich intensiv aufs Baby vorbereiten und mich ausruhen. Ich war halt noch nicht so weit. Dann ging es mit der Stillerei nicht, hatte sehr spät Milcheinschuss und auch dann kam nur ein klägliches Ergebnis raus, parallel dazu der Hinweis, dass der Kleine wegen Neugeborenengelbsucht viel trinken muss. Haha. Dann immer das Dasitzen an der Milchpumpe und gleichzeitig Besuch und Telefonate. Hätte am liebsten keinen Menschen gesehen und gesprochen, wollte aber auch niemanden enttäuschen. Hab im KH 2 Tage fast durchgeheult, immer wenn mich jemand angesprochen hat, gings los. Hab mich auch irgendwie geschämt. Ne olle 35-jährige, die keine Ahnung hat, wie man ein Baby anzieht und dann heult die noch dauernd ... War alles nicht so schön, auch wenn meine Geschichte nicht ansatzweise ein schlimmes Schicksal darstellt.

Mitglied inaktiv - 23.05.2012, 12:05



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hab auch im KH nur geheult, auch Spontangeburt ohne vorherige Anzeichen einer Frühgeburt, 32 SW. Er ist am Sonntag geboren, am darauffolgenden Dienstag hätte ich noch einen Vorsorgetermin beim Frauenarzt gehabt, danach wollte ich den Rest für mich (fürs Krankenhaus) und fürs Baby besorgen.

von Waya am 23.05.2012, 12:14



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Meiner kam am Montag, wir waren am Freitag vorher noch auf nem Babybasar und haben viele Sachen gekauft, die noch nicht gewaschen waren. Alleine der Gedanke, dass der Papa das jetzt macht und nicht ich es noch fünfzigmal angucken und hin- und herräumen kann, hat mich wieder zum heulen gebracht. So was blödes, echt ;-) ICH wollte das Bettchen einrichten, den Schrank einräumen, mich drauf freuen, die letzten Tage zählen, hibbeln, wann es denn losgehen wird, von mir aus auch 20 mal am Tag angerufen werden, ob der Zwerg schon da ist. So kamen wir halt 8 Tage nach der Geburt ausm KH und ich musste mich erstmal in meinen neuen Haushalt einfinden, den der Papa so zusammenorganisiert hat. War so nervlich angespannt an dem Tag. Dazu die Sorge, dass ich was falsch mache, dass was passiert, ob ihm auch warm genug ist. Er war ja bis 2 Tage vor KH-Entlassung im Wärmebettchen und am Entlassungstag warens draußen -18 Grad.

Mitglied inaktiv - 23.05.2012, 13:04



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Meine Zwillinge kamen 2003, 26+2, ich durfte die eine erst nach 2 Wochen halten und die zweite überhaupt erst nach 4 Wochen. Insgesamt haben wir über 4 Monate auf der Intensivstation verbracht. Heute geht es ihnen super, aber diese Traurigkeit kommt immer wieder, auch wenn das jetzt schon fast 9 Jahre her ist.

von Zwergenalarm am 23.05.2012, 15:20



Antwort auf Beitrag von Zwergenalarm

ich hatte gehofft es geht irgendwann weg; ist das nur das Mamaproblem oder merkst du auch etwas an deinen Zwillingen? Wir waren am Dienstag beim Impfen und als wir zu Hause waren hat er am Nachmittag fast untröstlich geweint, haben den ganzen Nachmittag zusammengekuschelt auf der Couch verbracht - hat er sich da an die ganze Pickserei im Krankenhaus erinnert? Er ist jetzt fast 5 Monate alt (korr. fast 3 Monate), er war ca. einen Monat im Krankenhaus. Sonst ist er wirklich so toll, ein unglaubliches Wunder, so offen und freundlich, er kann so toll lachen.

von Waya am 24.05.2012, 23:38



Antwort auf Beitrag von Waya

In Kinder kann man zwar nicht hineinschauen, aber ich glaube, es ist hauptsächlich ein Mamaproblem. LG

von Zwergenalarm am 26.05.2012, 14:07