Frage: Trotz, Rückfrage zu Ihrer Abhandlung Teil 3

Sehr geehrter Herr Dr. Posth, mit großem Interesse haben ich Ihre Abhandlung über das emotionale Bewußtsein gelesen und bedanke mich herzlich, daß Sie diese Informationen hier zur Verfügung stellen. Unsere Tochter ist 15 Monate alt und vermutlich noch nicht im "richtigen Trotzalter". Sie bekommt selten kleine Wutausbrüche, z.B. gestern als mit einem Ball spielende Kinder auf der Straße ihr den Ball nicht zum Anschauen geben wollten. Doch sonst läßt sie sich mit ruhigen Erklärungen und verständisvollen Worten meist ablenken. Ich beschäftige mich gern rechtzeitig mit anstehenden Phasen, um dann richtig reagieren zu können, wenn es soweit ist. Ich bin beim Thema Trotz nicht sicher, ob ich das ganz richtig interpretiert habe: Soll man ein stark trotzdendes Kind wirklich sozial trennen? In jedem Fall? Oder nur bevor man selbst die Nerven verliert? Von meinem Gefühl her wäre ich vermutlich in der Nähe (d.h. Sichtkontakt) meiner Tochter geblieben, auch wenn sie für Zuspruch nicht mehr zugänglich wäre. Ist das falsch? Zudem würde mich noch interessieren, ob es in Ordnung ist, wenn man bei einem sich anbahnenden Wut- oder Trotzanfall noch versucht, das Kind abzulenken? Ist es im Alter meiner Tochter gut, wenn ich während eine Wutanfalls beruhigend mit ihr rede oder ist es auch da besser, das Kind erstmal allein seine Wut austoben zu lassen? Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mitglied inaktiv - 02.03.2004, 16:10



Antwort auf: Trotz, Rückfrage zu Ihrer Abhandlung Teil 3

Hallo, der konkrete Umgang mit dem trotzenden Kind wird von Fall zu Fall verschieden sein. Wenn man die Regelmäßigkeiten des 2- oder auch 3-Mächtekonflikts erkennt und beachtet, dann wird man vieles im Vorfeld regeln können. Das heißt, man muß den Trotz nicht unbedingt herausfordern oder gar aufheizen und auf die Spitze treiben. Zur gesunden Selbstbehauptung genügt auch eine moderates Maß an Trotz. Die Trotzanfälle sind auch für das Kind eine enormer Streß und somit anstrengend in hohem Maße. die Enttäuschung über sich selbst und die ablehnende Haltung der Eltern schmälern ja auch wieder das Selbstbewußtsein. Dies vor allen Dingen, wenn die Eltern den kindlichen Trotz mit bissigen und entwertenden Kommentaren abstrafen. Oder mit körperlicher Gewalt reagieren! Der Gewinn, der auf der einen Seite durch den Trotz hinsichtlich des Selbstbewußtseins für das Kind entsteht (also der Verteidigungsaspekt), wird praktisch parallel durch die harte Haltung der Eltern wieder komplett eingebüßt. Das ist auch der Grund, warum sehr stark und aggressiv unterstützend trotzende Kinder keinen Vorteil davon haben, weil nämlich die Reaktion der Eltern notgedrungen gegenaggressiv wird. So ist ein soziales Ausgrenzen (die Trennung) für beide Seiten nur eine Notlösung, die keiner Partei wirklich einen Vorteil verschafft. Allein die Wiederbegegnung mit Reue und Verzeihung gereicht dann zum Vorteil, weil das Kind soziale Umgangsformen lernt und der Erwachsene sich befriedigt erlebt. Also sollte man den Trotz mit energischem Reden, u.U. mit Schimpfen und sozial verträglichem Drohen in Schranken weisen und dort halten und das soziale Ausgrenzen tatsächlich nur zum Schutz vor Übergriffen oder Ausfällen verwenden. Wird der Trotz zu aggressiv, dann stimmt etwas in der Loslösung nicht oder die positiven Selbstgefühle sind viel zu schwach (emotionale Integration). Die Trotzerscheinungen dienen auch dazu, erste soziale Regeln in das Leben des Kindes zu bringen, Regeln die das gemeinschaftliche Zusammenleben ausgewogen und verträglich machen. Die Regelsetzung darf aber nicht von der Seite des Stärkeren dazu mißbraucht werden, das Kind schon in diesem frühen Stadium des Begreifens von einem sozialen Miteinanderauskommen durch straffe Grenzziehung in seiner Entfaltungsfreiheit erheblich zu beschneiden. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 04.03.2004



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