Ich habe noch eine Frage zum Einschlafen
Unsere Kleine 5,5 Monate schreit sich regelrecht in den Schlaf (Tags wie Nachts). Das macht sie schon von Anfang an.
Es ist sehr massiv & dauert bis zu einer 1/2 Std. Sie schreit, macht sich steif & überstreckt sich nach hinten. Es ist dann egal ob wir sie herumtragen oder uns einfach mit ihr zusammen hinlegen, sie schreit. Es ist auch egal ob wir einen ruhigen oder turbulenten Tag hatten. Nur eines ist uns aufgefallen, daß sie sich mit Körperkontakt am besten beruhigt. Legt man sie so hin wird's ganz schlimm. Ein Schnuller bringt nichts, da sie den immer ausspuckt.
Ist dieses Verhalten Normal? Wir machen uns wirklich langsam Sorgen. Bisher dachten wir es wird besser, aber irgendwie wird es nicht besser.
Mir hat jetzt jemand etwas von 'Regulationsstörungen' erzählt. Was ist das & hat unsere Tochter sowas?
Was können wir tun um ihr das Einschlafen zu erleichtern? Im Moment bekommt sie einfach unsere Nähe, weil uns nichts anderes einfällt
Mitglied inaktiv - 25.09.2006, 13:44
Antwort auf:
Massive Einschlafprobleme
Stichwort: Regulationsstörungstheorie
Hallo, "Regulationsstörungen" ist ein Störungsbild bei Säuglingen und Kleinkindern, das Frau Prof. Papousek und Mitarbeiter in München zur Erklärung des unruhigen und schwierigen Säuglings und Kleinkinds entwickelt haben, um den Verhaltensauffälligkeiten eine wissenschaftliche Erklärung zu geben. Diese fußt auf der Vorstellung, daß grundlegende Anpassungsmechanismen des Säuglings an die Umweltbedingungen nicht oder nur sehr schwer zustande kommen. Also die Einstellung auf Wachsein und Schlaf, Hunger und Sattsein, Anspannung und Entspannung usw. kann nicht gelingen und erzwingt die Regulationshilfe durch die Bezugsperson. Warum das bei diesen Säuglingen so ist, ist nicht erklärt. Genetische Störungen werden favorisiert.
Und damit beginnt das erste Problem. Ist das "schwierige Temperament", wie es auch heißt, eine Krankheit? Oder ist es nicht nur ein problematischer Übergangsprozeß, der bei richtiger Behandlung verschwindet? Das zweite Problem ist, daß diese angedachte Regulationshilfe (Ko-regulation) auf Konditionierungstechniken beruht und nicht auf Bindungsmechanismen, so daß der Säugling über ein Programm mit positiven und negativen Reizen gesteuert werden und dabei Anpassungsmechanismen entwickeln soll. Wie kann er das aber, wenn die Möglichkeiten ihm angeborenermaßen gar nicht zur Verfügung stehen? Daß Konditionieren kein Lernen ist, ist hinlänglich bekannt. Lernen im eigentlich Sinn kann ein Säugling noch nicht, da ihm weder das faktische Gedächtnis zur Vefügung steht, noch das logische Bewußtsein in seinem Frontalhirn. Das dritte Problem ist, daß sich der Säugling noch nicht als eine eigenständige Person identifizieren kann, sondern nur im Verbund mit der primären Bezugsperson begreift (Bindungparadigma). Jedenfalls ist das die hier vertretene Meinung. Das bedeutet, daß Ko-regulation keine Bewußtseinsprozesse in ihm selbst auslöst, sondern nur Beruhigungsempfindungen im Moment des Geschehens. Gerade das ist aber die Grundlage der Bindung. Das heißt zugleich, daß alle negativen Vorgänge und Reize die Bindung gefühlmäßig infrage stellen, weil sie Angst auslösen und den Säugling in existenzeille Bedrängnis führen. Das Fatale daran ist, daß sich der Säugling das nun merken kann, also sich daran erinnern wird im Sinne von Erinnern an Gefühle. Denn das Gedächtnis für Gefühle funktioniert im Gegensatz zu dem für Fakten von Anfang an, weil die Evolution im Sinn hatte, daß es Gefühle oder Emotionen sind, die den Säugling an die primäre Bezugsperson ketten und somit die Bindung herstellen und nicht Erkenntnisprozesse. Das ist die wichtigste Voraussetzung im Verständnis vom Gefühlsleben des Menschen. Und das ist die Grundlage der psychosozialen Entwicklung des Menschen im Kindesalter.
Damit wären wir wieder bei Ihrer Frage, für deren Beantwortung ich Sie nach diesem Ausflug in das Grundverständnis auf den gezielten Suchlauf mit den zahlreichen Antworten zur Einschlafhilfe für Säuglinge und Kleinkinder verweisen möchte. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 29.09.2006