Hallo Herr Dr. Posth,
mein Pflegesohn, 4 J, geb. mit einem schwerem Drogenentzugssyndrom, in den ersten zwei Jahren schwer traumatisiert (fast verhungert, Misshandelt evtl. Missbrauch, lebte mit schwer Drogenabh. Mutter die ersten beiden Lebensjahre allein, Mutter Borderliner, narzisstisch). Pflegesohn leidet u. PTBS, Extreme Wut-bzw. Angstanfälle und Panikattacken
Nun zu meiner Frage. Hat hier schon eine Loslösung stattgefunden? Nun nach zwei Jahren scheint der kleine Sonnenschein sich doch noch an uns (mein Mann und mich, beide ganz Liebevoll)zu binden. Er ist sehr anhänglich und doch distanziert, trotzt, verhält sich extrem Regressiv (schon über Monate). Er ist nun 4 J. kommt erst noch mal eine (hoffentlich sichere)Bindung und anschliessend eine Loslösung?
An dieser Stelle herzlichen Dank für Ihr Engagement hier im Forum. Ich, wöchentliche Leserin Ihrer Ratschläge, musste bei vielen Fragen nur suchen und finden ;)
allerbeste Grüße
melosch
Mitglied inaktiv - 05.02.2007, 20:15
Antwort auf:
Loslösung bei traumatisiertem Pflegekind
Hallo, das ist natürlich ein schlimmes Schicksal, das Ihren Pflegesohn in seinen ersten Lebensjahren getroffen hat. Ob man in einem so frühen Alter schon von Posttraumatischer Belastungsstörung sprechen kann, möchte ich dahingestellt sein lassen. Auf jeden Fall muß man zunächst von einer Bindungsstörung ausgehen. Wie diese im Einzelnen sich bemerkbar macht, wissen am besten nur Sie. Ob sie tatsächlich schon als desorganisiert einzustufen ist oder "nur" als stark unsicher, ist im Einzelnen wahrscheinlich schwer zu sagen. Nun hat das ganze Bindungskonzept in die Kinder- und Jugendpsychiatrie bis heute nur zögerlich Einzug gefunden, so daß Sie wahrscheinlich kaum einen Kinder- und Jugendpsychiater finden werden, der Ihnen alle diese für Sie wichtigen Fragen schlüssig beantworten kann.Ob z.B. eine Loslösung schon stattgefunden hat, setzt die Feststellung voraus, daß überhaupt eine Bindung zustandegekommen ist.
Die Wut- und Angstanfälle Ihres Sohnes sind sicher Zeichen seiner massiven Bindungsunsicherheit und Ausdruck regressiver Anwandlungen, um mit dem innerlichen Gefühlschaos irgendwie fertig zu werden. Auf keinen Fall drücken sie Wut gegen Sie oder Ablehnung seiner neuen Eltern aus. Im Gegenteil, sie sind Herauslassen seiner vielen schlimmen Gefühle und der erste Schritt zu einem geordneten Seelenzustand.
Folgerichtig baut Ihr Pflegesohn jetzt noch einmal Bindungsbezüge auf und wird in einem mehr oder wenigen schnellen Durchgang und sicherlich auch nicht immer in logischer Folge die Stadien der Bindung, Loslösung und Selbstentfaltung durchlaufen. Aber mit Ihrer Bereitschaft, diese für seine ganze psychische Gesundheit entscheidend wichtigen Schritte durchlaufen zu können, schaffen Sie ihm ein lebenslanges seelisches Fundament. Ich wünsche Ihnen ganz viel Kraft und Druchhaltevermögen dazu. Alles Gute und viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 10.02.2007