Frage: Gefuehle ausdruecken

Lieber Dr Posth, ab wann lernen Kinder ihren Gefuehlen einen Namen zu geben und wie lernen sie das (Nachahmung)? Mein Sohn (3.5) sagt seit neustem Mama ich bin traurig, wuetend, hab dich lieb, find dich doof ecc. Gestern habe wir gestritten, er sass da und weinte und sagte "ich bin ganz ganz traurig, komm streichel mich mal" (das habe ich umgehend getan und ihm meinerseits meine Gefuehlslage erklaert). Er verlangt auch eine Entschuldigung, wenn er denkt ihm geschieht Unrecht (das mit dem entschuldigen hat er aus dem Kiga, mich interessiert er die Empfindung des erfahrenen Unrechts). Wie wichtig ist diese neue Faehigkeit SEINE Gefuehle auszudruecken im Hinblick auf spaetere Empathiefaehigkeit? Sollte ich das irgendwie foerdern? Wut konnte er immer schon sehr deutlich zeigen (ist sehr impulsiv, aber diese anderen Gefuehle sind wirklich neu). Gruss Christiane

Mitglied inaktiv - 19.03.2007, 06:13



Antwort auf: Gefuehle ausdruecken

Stichwort: Umgang mit Gefühlen Liebe Christiane, das ist eine sehr komplexe Frage und eigentlich kann ich Sie nur auf mein demnächst erscheinendes Buch verweisen, in dem ich alle diese Fragen sehr ausführlich zur Sprache bringe. Aber ich versuche hier, die Zusammenhänge kurz zu beschreiben: Wut ist ein ursprüngliches Gefühl im Kontakt mit anderen Menschen, wenn die Bedürfnisse nicht (rechtzeitig) befriedigt werden. Wut empfinden schon Säuglinge. Mit der Loslösung aus der primären Bindung und der Erfahrung des eigenen, von der Mutter getrennten Selbst, lernt das 1 1/2 bis 2jährige Kind, daß auch die anderen Menschen Gefühle haben (Empathie, s. gezielter Suchlauf). Diese können einmal identisch sein mit den eigenen, aber -und das ist neu für das Kind- auch ganz andere Art. Um zu unterscheiden, welches die anderen Gefühle des Anderen sind und wie man selbst damit umgeht, dazu dienen viele kleine Attacken auf die Bezugspersonen oder andere Kinder aus der Gruppe. In der Induktion (s. gezieltes Stichwort) rate ich den Eltern zum Auspielen der daraus entstehenden Gefühle. Das ist wichtig für das Kind, um die Wirkung seiner Handlungen auf andere Menschen zu erfahren. Auf diese Weise lernt das gut 3jährige Kind auch kompliziertere Gefühle kennen wie Zorn, Trauer, Neid usw. Aber um über diese Gefühle sich nun auch mit den anderen Menschen austauschen zu können, braucht es noch die Worte und Beschreibungen dazu. Die erfährt es in der Übereinstimmung seiner eigenen Gefühle mit denen der anderen Menschen und dafür muß es die Bezugspersonen hinsichtlich ihrer Gefühle ausforschen ("Mami, bist du traurig?" "Papa, bist du jetzt wütend/zornig?" "Mama, der Paul ärgert mich immer!"). Aber es muß auch seine eigenen Gefühle ausdrücken und erfahren, wie der Andere darauf reagiert. "Ich bin jetzt traurig, Mama tröste mich!" usw. Die Erkennung der eigenen Gefühle und der kommunikative Austausch der Gefühle gehört zu den Grundlagen des humanen Miteinanderumgehens in der Gesellschaft. Er ist entscheidend wichtig für die bald einsetzende Selbtregulation und Gewissensbildung. Insofern obliegt allen Eltern und Erzieher(inne)n gerade in diesem Punkt eine ganz besonders hohe Verantwortung. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 19.03.2007