Frage im Expertenforum Schwangerschaftsberatung an Dr. med. Vincenzo Bluni:

Senkung und Beckenbodentraining

Frage: Senkung und Beckenbodentraining

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Sehr geehrter Herr Dr. Bluni, ich habe im Oktober letzten Jahres mein zweites Kind entbunden. Ich habe bereits während der Schwangerschaft und auch zeitnah nach der Entbindung Beckenbodengymnastik durchgängig bis heute betrieben (zu hause, Krankengymnastik und 2 Rückbildungskurse mit einer Therapautin mit Spezialausbildung). Die Beckenbodenmuskulatur scheint mir auch gestärkt (weniger Probleme mit Harndrang und -abgang). Es scheint jedoch, dass die Senkung der Gebärmutter/Scheidewand sich nicht reduziert. Ich kann die im Dezember eingesetzte Spirale sehr weit vorn tasten und empfinde sie selbst als auch mein Partner teilweise als störend. Der Sitz wurde durch meinen Frauenarzt mehrfach kontrolliert und immer als in Ordnung befunden. Besteht Aussicht, dass die Senkung doch noch zurückgeht? Falls nein, welche Alternativen gibt es? Könnte mir eine Operation helfen? Ist es normal, dass man die Fäden und die Spirale an sich so ertasten kann? Mit freundlichen Grüßen Ulla


Dr. med. Vincenzo Bluni

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liebe Ulla, es gibt sicher stärker ausgeprägte Senkungen - manchmal nach nur einer Schwangerschaft - bei denen die Frau ohne Problem den Muttermung - oder hier den Spiralenfaden - ertasten kann. Herr Professor Petri aus Schwerin, der sich schwerpunktmäßig mit diesem Thema befasst, hat hierzu mal zitiert: "Sie können so viele Kinder bekommen, wie Sie wollen, nur möglichst nie das erste" (Schraffordt 1997). Eine Vielzahl von Symptomen im Bereich des Kontinenzmechanismus ist durch physiologische, morphologische und funktionelle Veränderungen schon während der Schwangerschaft zu verzeichnen. 80% aller Frauen klagen im letzten Schwangerschaftsdrittel über häufiges Wasserlassen, insbesondere die Erstschwangeren. Hier spielt der Druck des kindlichen Köpfchens bei gleichzeitig verminderter Blasenkapazität im letzten Schwangerschaftsdrittel eine große Rolle. Etwa 85% der Frauen geben an, bei einem bestimmten Füllungsvolumen der Blase dem Druck nicht mehr standhalten zu können (sog. Stressinkontinenz). Diese wird häufig jedoch nicht als schwerwiegend empfunden. In der Literatur finden sich in 2,3-17% der Fälle Frauen, bei denen diese Stressinkontinenz auch nach der Geburt anhält. Allerdings finden sich diese Veränderungen bei Frauen nach Kaiserschnitt seltener. Gleiches gilt für Senkungserscheinungen nach der Geburt, die vielleicht gar nicht mit einer Harninkontinenz einhergehen. Hier gelten aber erst mal ähnliche therpeutische Empfehlungen. Als Ursache nimmt man hier das "Trauma" der Geburt auf das Becken und die dabei entstandene Schädigung der Muskulatur und der Innervation der Blase an. Neben Verletzungen der Muskulatur durch Scheidenrisse oder ausgedehnte Dammschnitte ist die auch nur teilweise Verletzung von Nerven entweder durch Überdehnung mit die wesentlichen Ursache für den Beckenbodenschaden. Eine in ihrer Wirkung nachweisbare Prophylaxe besteht nicht. Die Zangengeburt zeigt sich jedoch als äußerst ungünstig, was die Anbahnung derartiger Probleme angeht. Bei besonders großen Kindern und protrahiertem Geburtsverlauf sollte man eventuell die Kaiserschnittindikation großzügiger stellen (wobei das eine Grundsatzfrage ist). Ganz klar bietet die Episiotomie=der Dammschnitt keinen Schutz, der Dammschnitt kommt als Prophylaxe von neuromuskulären Schäden viel zu spät. Ganz wichtig ist die Wochenbett- und Rückbildungsgymnastik. Da man eine Indikation zu einer operativen Maßnahme aber sicher nur sehr streng stellen würde, sollte man mit der Patientin bei einer Inkontinenz oder Beschwerden, wie den genannten, zunächst abklären bzw. eruieren, was überhaupt vorliegt und ob man dieses objektivieren kann. Im Falle einer Inkontinenz (unkontrollierter Abgang von Urin) wäre zu fragen, ob dieses stressbedingt ist( = bedingt durch eine Drucksteigerung im Bauchraum beim Lachen, Niesen, Husten, Sport, wobei der Verschlussdruck der Harnröhre dem gesteigerten druck im Bauchraum nicht standhalten kann), bedingt durch ein Problem bei der Signalübertragung in den neurologischen Strukturen zur Harnblase, und ob Entzündungen ausgeschlossen werden. Hierzu kann man u. a. auch entsprechende Untersuchungen und Messungen durchführen. Aber: die Beckenbodengymnastik ist in jedem Fall hilfreich. Wichtig wäre, dass man nach der Schwangerschaft frühzeitig nach einer Senkung schaut, die Frau auch dann zur Beckenbodengymnastik animiert und rechtzeitig entscheidet, ob man z.B. mit einem Würfelpessar dem entgegenwirken kann. Eine operative Behandlung würde man sicher sehr streng indizieren. Darüber hinaus können spezielle Vaginaltampons helfen, (z.B. Vagi-Dry) den Beckenboden zu trainieren. Auch kann uns sollte man ggf. über die Möglichkeit sprechen, dass die Frau mittels eines elektronisch gesteuerten Gerätes, ihre Beckenbodenmuskulatur und den Verschlussmechanismus trainieren kann, um hier zu einer Verbesserung zu führen. Diese Methode ist bei derartigen Problemen relativ viel versprechend. Ein solches Gerät kann auf Rezept verordnet werden und die Frau wird hier im Umgang von einer entsprechenden Fachkraft geschult. Je stärker die Senkung ausgeprägt ist, um so weniger wird eine spontane Normalisierung. Hier ist sicher die sehr frühzeitige Therapie unerlässlich. VB


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