Frage im Expertenforum Schwangerschaftsberatung an Dr. med. Vincenzo Bluni:

Lippen-Kiefer-Gaumenspalte

Dr. med. Vincenzo Bluni

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Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

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Frage: Lippen-Kiefer-Gaumenspalte

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Guten Tag Herr Dr. Bluni, ich mache mir große Sorgen und hoffe, dass sie diese vielleicht etwas mindern könnten. Mein Mann und ich haben gestern erfahren, dass meine Schwägerin ein Kind mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte bds. erwartet. In der Familie ist kein einziger Fall bekannt, wo das schonmal vorgekommen ist. Sie ernährt sich wirklich immer sehr gut und hat sich auch an alles gehalten, was ihr Arzt ihr empfohlen hat. Wir versuchen ebenfalls ein Kind zu bekommen. Meine Angst auch ein Kind mit einer LKG-Spalte zu bekommen ist jetzt sehr hoch. Können Sie mir sagen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es bei uns auch passiert? Mein Mann hat bereits eine 13jährige Tochter, die völlig gesund ist und auch mein 5jähriger Sohn ist ganz gesund. In meiner Familie ist auch nichts bekannt. Ich hatte auch keine Risikoschwangerschaft. Wir sind jetzt beide 30 Jahre alt. Schonmal vielen Dank für Ihre Antwort Mel


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Hallo Mel, 1.wenn auch die genaue Entstehungsursache noch nicht genau erforscht ist, so wissen wir, dass sowohl eine erbliche Bereitschaft (bei familiärer Belastung), aber auch Umwelteinflüsse und somit eben mehrere Faktoren zusammentreffen müssen, um die Spaltbildung zu begünstigen. 2. eine erwiesenermaßen Vorsorgemaßnahme besteht in der prophylaktischen Einnahme von Folsäure: die Folsäure gehört zur Gruppe der B-Vitamine. Hier spielt sie eine Schlüsselrolle bei lebenswichtigen Vorgängen in unserem Körper: Von Bedeutung ist sie für alle Wachstums- und Entwicklungsprozesse. Mit Hilfe der Folsäure werden Bestandteile der Nucleinsäuren (biologische Informationsspeicher der Zellen) hergestellt. Hinsichtlich der Prävention von Erkrankungen zeigten groß angelegte Studien vor ungefähr 10 Jahren, dass dieses Vitamin vor schwerwiegenden, fetalen Fehlbildungen, den so genannten Neuralohrdefekten schützen kann. Diese Studien haben ergeben, dass bei Frauen, die perikonzeptionell (4 Wochen vor bis 8 Wochen nach der Befruchtung der Eizelle) Folsäure einnehmen, die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Neuralrohrdefekt zu gebären, deutlich geringer (um bis zu 70%) ist. Ein Neuralrohrdefekt liegt vor, wenn der knöcherne Schädel oder die Wirbelsäule nicht vollständig geschlossen sind. Diese Verschlussstörungen entstehen sehr früh in der embryonalen Entwicklung (etwa in den ersten 6 Wochen). Die Ursachen für diese Fehlentwicklung sind bislang nicht bekannt. Das Alter der Eltern hat keinen Einfluss auf das Zustandekommen von Neuralohrdefekten. In Mitteleuropa treten Neuralrohrdefekte mit einer Häufigkeit von etwa 1-2 pro Tausend Geburten auf. Sie werden "Spina bifida" (gespaltene Wirbelsäule) oder "offener Rücken" genannt und können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Ein Teil der betroffenen Kinder ist von Geburt an querschnittsgelähmt. Auch Organe wie Blase und Darm können von dieser Lähmung betroffen sein. Die Behinderung "Spina bifida" ist im Sinne einer Krankheit nicht heilbar. Aus diesem Grund wird für alle Frauen ohne Risiko (Patientin mit Epilepsiemedikamenten oder Kindern mit einer Neuralrohrfehlbildung, wie einem offenen Rücken) eine perikonzeptionelle Folsäuresubstitution von 0,4 mg/Tag empfohlen. Für Frauen mit einem entsprechenden Risiko werden täglich 4 mg Folsäure empfohlen*. Da eine Schwangerschaft aber nicht immer datumsgenau geplant wird, ist die Empfehlung, mit der Folsäuresubstitution spätestens dann zu beginnen, wenn verhütende Maßnahmen abgesetzt werden. *Quellen: 1. http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=42187 2. DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung), Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische, Gesellschaft für Ernährungsforschung, Schweizerische Vereinigung für Ernährung (eds.): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Frankfurt/Main: Umschau Braus Verlag 2000. 3.Koletzko B, von Kries R: Prevention of neural tube defects by folic acid administration in early pregnancy. Joint recommendations of the German Society of Nutrition, Gynecology and Obstetrics, Human Genetics, Pediatrics, Society of Neuropediatrics. Gynäkol Geburtshilfliche Rundschau 1995; 35: 2–5. 4. http://www.frauenarzt.de/1/2007PDF/07-08/2007-08-wenderlein.pdf 3. Sie können in jedem Fall auch vor einer Schwangerschaft eine genetische Beratung in Anspruch nehmen 4. darüber hinaus wird Ihre Frauenärztin/Frauenarzt Ihnen bestimmt erläutern können, welche präntaldiagnostischen Maßnahmen zur Verfügung stehen, eine solche Fehlbildung schon in der laufenden Schwangerschaft zu erkennen. 5.in den meisten Fällen können diese Spaltbildungen heute sehr gut operiert werden, sodass man im Nachhinein hier praktisch nichts mehr erkennen wird. VB


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