Mitglied inaktiv
Hallo Herr Dr. Bluni, ich (37 Jahre) habe letzten Dezember bei der Geburt unseres 1. Sohnes einen Dammschnitt und -Riss 3. Grades gehabt, nun zeigt sich auch noch ein Harnblasen-Prolaps. Da wir noch gerne mind. 1, wenn es klappt auch noch 2 weitere Kinder haben möchten, nun meine Frage : 1.kommt der Prolaps von der Schwangerschaft, da der Kopf unseres Baby's schon seit dem 7. Schw.-Monat rel. tief im Becken lag, oder hat es mich während dem Geburtsvorgang derart zerrissen? Hätte der Prolaps verhindert werden können? (ich war vor der Schw. sehr schlank, sportlich und durchtrainiert, kann es damit zusammenhängen?) 2.Besteht die Gefahr, dass sich der Prolaps bei einer 2. (und 3.) natürlichen Geburt verschlimmert? 3. Wäre es in meinem Fall empfehlenswert, bei weiteren Schwangerschaften per Kaiserschnitt zu entbinden? 4. Was kann ich tun, um den Prolaps zu verbessern? (Ich habe das Gefühl, dass die Übungen aus der Rückbildungs-Gymnastik nicht sonderlich effektiv waren.)Momentan ist es so, dass der Urinstrahl nicht gerade nach unten geht, sondern ziemlich weit nach vorne, was mich sehr stört. 5. Da wir den Abstand zwischen unseren Kindern nicht zu lang halten wollten, hatten wir an knapp 2 Jahre gedacht, das würde bedeuten, dass wir Ende des Jahres wieder versuchen würden, schwanger zu werden. Ist das zu früh, oder ist dagegen nichts einzuwenden? Im Voraus schon mal vielen Dank für Ihre Antworten, Sonnenschein03
hallo, Herr Professor Petri aus Schwerin, der sich schwerpunktmäßig mit diesem Thema befasst, hat hierzu mal zitiert: "Sie können so viele Kinder bekommen, wie Sie wollen, nur möglichst nie das erste" (Schraffordt 1997). Eine Vielzahl von Symptomen im Bereich des Kontinenzmechanismus ist durch physiologische, morphologische und funktionelle Veränderungen schon während der Schwangerschaft zu verzeichnen. 80% aller Frauen klagen im letzten Schwangerschaftsdrittel über häufiges Wasserlassen, insbesondere die Erstschwangeren. Hier spielt der Druck des kindlichen Köpfchens bei gleichzeitig verminderter Blasenkapazität im letzten Schwangerschaftsdrittel eine große Rolle. Etwa 85% der Frauen geben an, bei einem bestimmten Füllungsvolumen der Blase dem Druck nicht mehr standhalten zu können (sog. Stressinkontinenz). Diese wird häufig jedoch nicht als schwerwiegend empfunden. In der Literatur finden sich in 2,3-17% der Fälle Frauen, bei denen diese Stressinkontinenz auch nach der Geburt anhält. Allerdings finden sich diese Veränderungen bei Frauen nach Kaiserschnitt seltener. Also Ursache nimmt man hier das "Trauma" der Geburt auf das Becken und die dabei entstandene Schädigung der Muskulatur und der Innervation der Blase an. Neben Verletzungen der Muskulatur durch Scheidenrisse oder ausgedehnte Dammschnitte ist die auch nur teilweise Verletzung von Nerven entweder durch Überdehnung mit die wesentlichen Ursache für den Beckenbodenschaden. Eine in ihrer Wirkung nachweisbare Prophylaxe besteht nicht. Die Zangengeburt zeigt sich jedoch als äußerst ungünstig, was die Anbahnung derartiger Probleme angeht. Bei besonders großen Kindern und protrahiertem Geburtsverlauf sollte man eventuell die Kaiserschnittindikation großzügiger stellen (wobei das eine Grundsatzfrage ist). Ganz klar bietet die Episiotomie=der Dammschnitt keinen Schutz, der Dammschnitt kommt als Prophylaxe von neuromuskulären Schäden viel zu spät. Ganz wichtig ist die Wochenbett- und Rückbildungsgymnastik. Da man eine Indikation zu einer operativen Maßnahme aber sicher nur sehr streng stellen würde, sollte man mit der Patientin bei einer Inkontinenz oder Beschwerden, wie den genannten, zunächst abklären bzw. eruieren, was es überhaupt vorliegt und ob man dieses objektivieren kann. Im Falle einer Inkontinenz (unkontrollierter Abgang von Urin) wäre zu fragen, ob dieses stressbedingt ist( = bedingt durch eine Drucksteigerung im Bauchraum beim Lachen, Niesen, Husten, Sport, wobei der Verschlussdruck der Harnröhre dem gesteigerten druck im Bauchraum nicht standhalten kann), bedingt durch ein Problem bei der Signalübertragung in den neurologischen Strukturen zur Harnblase, und ob Entzündungen ausgeschlossen werden. Hierzu kann man u. a. auch entsprechende Untersuchungen und Messungen durchführen. Aber: hilfreich in der laufenden Schwangerschaft ist die Beckenbodengymnastik und nach der Geburt des Kindes natürlich deren Fortsetzung und die begleitende Rückbildungsgymnastik. Wichtig wäre, dass man nach der Schwangerschaft frühzeitig nach einer Senkung schaut, die Frau auch dann zur Beckenbodengymnastik animiert und rechtzeitig entscheidet, ob man z.B. mit einem Würfelpessar dem entgegenwirken kann. Eine operative Behandlung würde man sicher sehr streng indizieren. Darüber hinaus können spezielle Vaginaltampons helfen, (z.B. Vagi-Dry) den Beckenboden zu trainieren. Auch kann uns sollte man ggf. über die Möglichkeit sprechen, dass die Frau mittels eines elektronisch gesteuerten Gerätes, ihre Beckenbodenmuskulatur und den Verschlussmechanismus trainieren kann, um hier zu einer Verbesserung zu führen. Diese Methode ist bei derartigen Problemen relativ viel versprechend. Ein solches Gerät kann auf Rezept verordnet werden und die Frau wird hier im Umgang von einer entsprechenden Fachkraft geschult. Wie Sie sehen, kommen also viele Faktoren zusammen und bei einigen Frauen ist es unabhängig vom Verlauf die genetisch bedingte Bindegewebsschwäche, die zu einer solch starken Senkung führt, bei der man dann manchmal auch schon früh aktiv vorgehen muss. Sicher wäre unter Berücksichtigung des Verlaufes mit der starken Senkung und einem Dammriss 3. Grades, auch die Möglichkeit eines primären Kaiserschnittes bei einer kommenden Geburt in Erwägung zu ziehen. Dieses kann aber nur individuell unter Abwägung der Risiken geschehen. Die Wartezeit nach einer Geburt sollte in aller Regel etwa ein Jahr betragen. VB
Mitglied inaktiv
Hallo Herr Dr. Bluni, vielen herzlichen DAnk für Ihre ausführliche Antwort!! Ich habe auch von der operativen Möglichkeit der Wiederherstellung des Beckenbodens durch Hebung der Blase und "Flicken" der Haltebänder gehört, allerdings soll nach einer derartigen OP keine weitere Schwangerschaft mehr möglich sein. Würden Sie mir evtl, falls alle von Ihnen genannten Methoden nicht anschlagen, dazu raten, dann natürlich erst nach meiner letzten geplanten Schwangerschaft? Viele Grüsse, Dilek