Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Schwangerschaft nach cerbraler Ischämie?

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Schwangerschaft nach cerbraler Ischämie?

herbie84

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Guten Tag, ich bin 26 Jahre und hatte im Mai 2005 ein papilläres Schilddrüsen-Ca mit Lymphknotenbefall und anschließender Radiojodtherapie, nehme zurzeit L-Thyroxin 150 und Thybon 20 täglich ein. Mein TSH soll in der Schwangerschaft zwischen 0,5 -1 liegen. Zudem hatte ich im Mai 2007 einen Posteriorinfarkt links mit bestehenden Gesichtsfeldausfall rechts oben und zurükgegangen Gedächtnisstörungen. Es konnte keine Ursache gefunden werden, jedoch ein persistierendes Foramen ovale und Vorhofseptumdefekt, welches im Januar 2008 mittels Amplatzer verschlossen wurde. Seitdem nehme ich zur Prophylaxe ASS 300 täglich. Nun konnte ich mich Ende November 2010 endlich über einen positiven Scwangerschaftstest freuen, meine Gynäkologin verschrieb mir Clexane 40 und ASS 100 täglich, leider hatte ich in der 10. Woche einen Missed Abort mit anschließender Abrasio. Seitdem habe ich schon 3mal meine Periode bekommen, die jedoch sehr sehr stark als zuvor ist, so das ich regelmäßig Eisentbl. einnehmen muss. Ich bin jetzt verunsichert, welche Medikation in meinem Fall in einer erneuten Schwangerschaft angezeigt ist, meine Neurologin stellt sich eine gewichtsadaptierte Heparinisierung vor und meine Gyn Clexane 40 und ASS 100 täglich bis zum 3. Trimenon sowie eine Entbindung durch sectio. Ich habe Bedenken wg. der Einnahme ASS 100 da es plazentagängig ist und somit dem Embryo schaden könnte. Vilen Dank für ihre Antwort.


Dr. Wolfgang Paulus

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Acetylsalicylsäure wird in niedriger Dosierung (50-150 mg pro Tag) zur Hemmung der Thrombozytenaggregation und damit Verbesserung der Durchblutung verwendet. In höherer Dosis (500 mg) ist Acetylsalicylsäure als schmerzstillendes und fiebersenkendes Präparat im Einsatz. Bei Dauertherapie mit solchen höheren Dosen von Prostaglandinsynthesehemmern muss im letzten Schwangerschaftsdrittel auf einen vorzeitigen Verschluß des Ductus arteriosus (Gefäßverbindung im fetalen Kreislauf) geachtet werden. Die Warnhinweise beziehen sich lediglich auf die hochdosierte Gabe von ASS. In mehreren Studien konnte die Häufigkeit einer schwangerschaftsinduzierten Hypertonie bei Patientinnen mit einem hohen Risiko für eine Präeklampsie durch niedrig dosiertes ASS (Tagesdosis: 60 bis 100 mg) signifikant gesenkt werden. Einige dieser Studien zeigten einen signifikanten Anstieg des Geburtsgewichtes nach ASS-Prophylaxe bei normalem Blutdruck unter Schwangeren mit erhöhtem Präeklampsierisiko. Bei Schwangeren mit mäßiger Hypertonie und pathologischem Dopplerbefund ließ sich unter niedrig dosierter ASS-Therapie eine Zunahme von Geburtsgewicht, Kopfumfang und Plazentagewicht erreichen. Bei ausgeprägter Hypertonie verbesserte ASS den Schwangerschaftsausgang nicht signifikant. Eine randomisierte, plazebokontrollierte Doppelblindstudie konnte eine Abnahme der Häufigkeit von Wachstumsretardierung, intrauterinem Fruchttod und Plazentalösungen unter ASS-Prophylaxe bei Schwangeren nachweisen, die in ihrer Vorgeschichte entsprechende Komplikationen erlitten hatten. Besondere Störungen der Neugeborenen nach intrauteriner ASS-Exposition ließen sich nicht erkennen. Um die Mängel vieler kleinerer Studien zur ASS-Therapie in der Schwangerschaft auszuschalten, wurde die internationale Collaborative Low-dose Aspirin Study in Pregnancy (CLASP) mit über 9.000 Schwangeren durchgeführt (CLASP 1994). In dieser Studie ergab sich unter einer Tagesdosis von 60 mg ASS kein Nutzen für Frauen mit einem erhöhten Risiko für Präeklampsie oder intrauteriner Wachstumsretardierung. Allerdings senkte niedrig dosiertes ASS die kindliche Erkrankungshäufigkeit in einer Untergruppe von Schwangeren mit sehr früh beginnender Präeklampsie. Bei diesen Patientinnen lagen typischerweise chronische arterielle Hypertonie, Nierenerkrankungen oder eine Präeklampsie vor der 32.SSW in einer früheren Schwangerschaft vor. Die ASS-Anwendung führte nicht zu Nebenwirkungen bei Mutter, Fet oder Neugeborenem (CLASP 1997). Eine Nachuntersuchung von intrauterin exponierten Kindern im Alter von 12 und 18 Monaten ließ keine Entwicklungsstörungen erkennen (CLASP 1995). Allerdings wurde in der CLASP-Studie die Aspirin-Therapie bei 38% der Schwangeren erst nach der 20.SSW begonnen. Analysiert man das Kollektiv von Patientinnen, die vor der 20.SSW mit der ASS-Einnahme begonnen haben, lässt sich eine Abnahme der Präeklampsie erkennen. Eine aktuelle Metaanalyse von neun randomisierten kontrollierten Studien ergab annähernd eine Halbierung der Inzidenz von Präeklampsien bei Behandlungsbeginn mit ASS vor der 20.SSW, nachdem ein auffälliger Dopperbefund der Aa. uterina als Hinweis auf eine anomale Plazentation diagnostiziert worden war. Wurde die Einnahme von ASS bereits vor der 16.SSW begonnen, betrug die Inzidenz einer schweren Eklampsie nur noch 10%, einer schwangerschaftsinduzierten Hypertonie 31% und einer Wachtumsretardierung 51% gegenüber dem unbehandelten Kontrollkollektiv (Bujold et al 2009). Wie Sie sehen, ist der Einsatz von ASS 100 durchaus in großem Maßstab in der Schwangerschaft erprobt und wäre insbesondere bei Ihrer Vorgeschichte empfehlenswert.


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