Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Lergigan comp

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

zur Vita

Frage: Lergigan comp

Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Hallo, ich bin in der 33. SSW. Auf Grund meiner immer stärker werdenden Panikattacken hat mir der FA im Krankenhaus jetzt Lergigan comp Tabletten verordnet (Wirkstoffe: Prometazinhydroklorid 10 mg, Koffein 50 mg, Efedrinsulfat 10 mg). Ich soll eine Tablette bei einer akuten Panikattacke nehmen, oder auch mal abends eine, wenn ich nicht schlafen kann. Hier in Schweden wird das Medikament recht häufig bei Schwangeren mit Hyperemesis eingesetzt, also ist es wohl unbedenklich für das Ungeborene. Wie ist das aber in der Stillzeit ? Geht es in die Muttermilch über ? Nicht, das mir der Wurm dann einschläft, ich will mein Baby ja nicht dopen, aber ein Notfallmedikament gegen die Panikattacken brauche ich dennoch. Normalerweise werden bei Panikstörungen ja Benzodiazepine als Notfallmedikamente verordnet, aber da ist mir die Suchtgefahr zu hoch. Sollte ich meinen Arzt im KH nach einer Alternative für die Stillzeit fragen ? Jennifer


Dr. Wolfgang Paulus

Dr. Wolfgang Paulus

Beitrag melden

Zur Behandlung von Panikattacken eignen sich grundsätzlich Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Paroxetin oder Sertralin. Unter den Serotonin-Reuptake-Hemmern liegen insbesondere Angaben zu Sertralin in der Stillzeit vor (Llewellyn & Stowe 1998). Bei insgesamt 15 Säuglingen fanden die Untersucher lediglich in 6 Fällen geringe Konzentrationen von Sertralin bzw. Desmethylsertralin im kindlichen Serum. Kindliche Komplikationen wurden nicht beobachtet. Sertralin geht in die Muttermilch über, wobei die Spitzenkonzentrationen 1 bis 9 Stunden nach Einnahme gemessen wurden (Altshuler 1995). Eine Untersuchung von 4 Säuglingen vor und 9 Wochen nach Beginn einer mütterlichen Sertralin-Therapie (maternale Dosis: 50 mg/d bzw. 100 mg/d) ergab keine Auffälligkeiten (Epperson 1997). In mehreren Studien mit insgesamt 40 Mutter-Kind-Paaren fanden sich bei den Säuglingen sehr niedrige Serumkonzentrationen für Sertralin und seine Metaboliten (Stowe at al 1997, Mammen et al 1997, Kristensen et al 1998, Wisner et al 1998). Berechnungen bei Dauermedikation von vier Mutter-Kind-Paaren ergaben unter Dauermedikation einen Milch/Plasma-Quotienten für Sertralin und N-Desmethylsertralin von 1,64 bzw. 1,93 (Kristensen et al 1998). Eine Anwendung von Sertralin in der Stillzeit erscheint auf der Grundlage der aktuellen Daten vertretbar. Paroxetin geht ebenfalls nur in geringen Mengen in die Muttermilch über (Spigset et al 1996, Stowe et al 2000, Ohman et al 1999, Begg et al 1999). Messungen bei insgesamt 33 Mutter-Kind-Paaren ergaben eine kindliche Paroxetin-Aufnahme von durchschnittlich 1,13% (0,5 bis 1,7%) der mütterlichen Dosis. Der Milch/Plasma-Quotient betrug 0,2 (Begg et al 1999). Im Serum der Säuglinge waren der Wirkstoff bzw. seine Metaboliten entweder nicht nachweisbar oder unterhalb der quantifizierbaren Grenze. Komplikationen wurden darunter beim Säugling nicht beobachtet. Nach einer aktuellen Metaanalyse treten keine relevanten Serumspiegel beim Säugling unter therapeutischen Dosen von Paroxetin und Sertralin auf (Weissman et al 2004). Diese Psychopharmaka wären demnach mit dem Stillen vereinbar.


Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Und wie ist es mit dem Lergigan comp ? Wie wirken sich Prometazinhydroklorid und das Ephedrinsulfat auf das Baby beim Stillen aus ? Ich will ja während des Stillens nicht plötzlich mit einem regelmässigen Antidepressivum anfangen, das ist mir wegen der Nebenwirkungen zu riskant, das packe ich mit einem Neugeborenen nicht. Ich würde das Lergigan gerne weiter als Notfallmedizin benutzen, wenn das geht ? Jennifer


Dr. Wolfgang Paulus

Dr. Wolfgang Paulus

Beitrag melden

Angesichts des niedrigen Molekulargewichts von ca. 284 ist ein Übergang von Promethazin in die Muttermilch anzunehmen. Inwieweit sich die Einnahme des Medikamentes auf das Befinden des Säuglings auswirkt, ist nicht geklärt. Wegen der Möglichkeit einer Atemdepression sowie von vorübergehenden EEG- und Verhaltensänderungen beim Neugeborenen sollte Promethazin während der Stillzeit mit besonderer Vorsicht eingesetzt werden. Auch zur Auswirkung von Ephedrin in der Stillzeit gibt es wenig Datenmaterial. Ein Fallbericht beschreibt einen Säugling mit Verhaltensstörungen unter mütterlicher Behandlung mit Ephedrin in der Stillzeit (Mortimer 1997). Das Kombinationspräparat Lergigan comp. kann ich Ihnen daher für die Stillzeit nicht guten Gewissens empfehlen.


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.