Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Clarithromycin 250mg Ssw 22

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Clarithromycin 250mg Ssw 22

Balbul

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Guten Tag Herr Dr.Paulus, im Anschluss an einen einfachen Virusinfekt stellte sich eine Sinusitis und Laryngitis bei mir ein. Nasenabstrich wurde genommen, jedoch ist mit dem Ergebnis erst nächste Woche zu rechnen. Da ich aber stärkere Schmerzen habe und mich aufgrund vorangegangener starker Schwangerschaftsübelkeit allgemein sehr geschwächt fühle, habe ich heute mit der Einnahme von Clarithromycin 250mg 2x täglich begonnen. Aufgrund einer Amoxicillinallergie und dem aktuellen Verkaufsstop von Erythromycin, fiel die Wahl der Ärztin auf Clarithromycin. Einerseits möchte ich Komplikationen vermeiden und habe darum mit der Einnahme begonnen, andererseits plagen mich "Gewissensbisse" gegenüber dem Baby, dass es aufgrund des Clarithromycin eventuell Herzprobleme(nach der Geburt) oder andere Schäden bekommen kann. Selbstverständlich kenne ich die günstige Einschätzung von Embryotox, kann mich aber nicht beruhigen. 2. Kann es in Kombination mit ass100 ,welches ich zur präeklampsieprophylaxe einnehme, zu Wechselwirkungen mit dem Clarithromycin kommen? 3.Wäre es schlimm ,wenn ich die clarithromycintabletten zeitgleich oder zeitnah mit Paracetamoltabletten(gegen die starken kieferhöhlenschmerzen) einnehme?Muss man Abstand dazwischen lassen? 4.Ist ihnen bekannt, warum Erythromycin aktuell außer Vertrieb ist?Eigentlich war das aufgrund meiner Amoxicillinunverträglichkeit immer DIE Alternative für mich bei bakteriellen Atemwegsinfekten. Vielen Dank und liebe Grüße Balbul


Dr. Wolfgang Paulus

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In einer Zusammenstellung von 34 Expositionen im ersten und frühen zweiten Schwangerschaftsdrittel fanden sich neben vier Spontanaborten und vier Schwangerschaftsabbrüchen weitgehend unauffällige Neugeborene (Schick et al 1996). In einer weiteren prospektiven Studie wurden 157 Schwangerschaftsausgänge, davon 122 nach Exposition mit Clarithromycin im ersten Schwangerschaftsdrittel dokumentiert (Einarson et al 1998). Während die Fehlbildungsrate nicht erhöht war, zeigte sich eine höhere Rate an Spontanaborten. In einer retrospektiven Untersuchung auf der Grundlage der Verschreibung von Clarithromycin im ersten Schwangerschaftsdrittel wurden unter 149 Neugeborenen 13 Fälle angeborener Anomalien registriert. Schwerwiegendere Fehlbildungen traten in 5 Fällen auf (1 x Trisomie 13, 2 x angeborene Herzfehler, 1 x Analatresie mit Wirbelsäulen- und Rippendeformation, 1 x intraabdominale Hoden), was einer durchaus üblichen Rate von 3,4% entspricht (Drinkard et al 2000). Eine Studie des Israeli Teratogen Information Service zur Anwendung von Makrolidantibiotika im ersten Trimenon enthält unter 145 Schwangerschaften auch 53 Fälle einer Therapie mit Clarithromycin. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe fand sich kein Anstieg von Fehlbildungen, Aborten oder Veränderungen des Geburtsgewichtes (Tellum et al 2005). In einer späteren Publikation beobachtete dieselbe Arbeitsgruppe keine kongenitalen Anomalien nach Behandlung mit Clarithromycin im ersten Trimenon (Bar Oz et al 2008). Nach Behandlung mit Clarithromycin im ersten Trimenon fand sich in 218 Schwangerschaften keine Zunahme von Fehlbildungen, auch nicht von kardiovaskulären Anomalien (Bar-Oz et al 2012). Wir verfügen über 142 Rückmeldungen nach Exposition mit Clarithromycin in der Frühgravidität: 16 Schwangerschaftsabbrüche (ohne Anhalt für Fehlbildung!) 14 Spontanaborte 106 unauffällige Neugeborene 6 Anomalien Da Sie sich ohnehin schon jenseits der sensiblen Phase der Organdifferenzierung befinden, ist kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen (z. B. Herzfehler) zu erwarten. Wechselwirkungen mit ASS 100 oder Paracetamol sind ebenfalls nicht zu befürchten. Da sich die Herstellung von Wirkstoffen weltweit auf immer weniger Produzenten (oft in China oder Indien) reduziert, treten bei Produktionsausfällen häufig Lieferengpässe auf. Das betrifft dann oft viele Produkte, weil die Pharma-Hersteller den Wirkstoff vom gleichen Produzenten beziehen. Das ist sehr bedauerlich, wenn man die globalen Abhängigkeiten betrachtet. In Deutschland wird ja leider meist nur noch die Verpackung für das Produkt hergestellt.


Balbul

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Danke Herr Dr.Paulus für die Informationen. Wirklich bedauerlich,dass es zu solchen Lieferengpässen bei Medikamenten kommen muss. Angenehmes Wochenende wünsche ich Ihnen.


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